Datentausch-Pflicht statt Zerschlagung

Internet-Governance-Experte Viktor Mayer-Schönberger zufolge würde die Zerschlagung großer Tech-Unternehmen wie Google das eigentliche Problem nicht lösen: Sie haben schon zu viele Daten. Stattdessen sollte man sie zum Daten-Teilen mit der Konkurrenz verpflichten, um für mehr Innovationen zu sorgen.

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Datentausch-Pflicht statt Zerschlagung

(Bild: Ascannio / shutterstock.com)

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Von
  • Angela Chen

Zerschlagen Sie die großen Technologieunternehmen nicht, sagt Viktor Mayer-Schönberger, Professor für Internet-Governance am Oxford Internet Institute. Lassen Sie sie ihre Daten teilen. Der jüngste Vorstoß zur Untersuchung der Giganten sei im Prinzip zwar eine gute Idee, allerdings würde die Aufteilung eines Unternehmens wie Google nur seine Werkzeuge wie die Internetsuche verschlechtern, ohne Start-ups die Entwicklung guter Alternativen erleichtern. Selbst wenn Unternehmen aufhören müssen, ihre eigenen Dienste gegenüber denen der Konkurrenten zu favorisieren, würden die Plattformen nicht daran gehindert, besser zu werden und den Markt zu dominieren.

Mayer-Schönberger, Mitglied im Digitalrat der deutschen Bundesregierung und Mitverfasser des Buches "Das Digital: Markt, Wertschöpfung und Gerechtigkeit im Datenkapitalismus", schlägt deshalb vor, ein "progressives Mandat für den Datenaustausch" einzuführen. Das würde Unternehmen ab einer bestimmten Größe dazu zwingen, einen Teil ihrer aus Datenschutzgründen anonymisierten Daten mit kleineren Wettbewerbern zu teilen und für mehr Innovationen sorgen, sagte er im Interview mit Technology Review.

Technology Review: Warum ist Ihrer Meinung nach die gemeinsame Nutzung von Daten der wichtigste Bestandteil bei der Regulierung von Big Tech?

Viktor Mayer-Schönberger: In jedem Markt besteht die Tendenz zur Konzentration. Aber sehr lange gab es eine Gegenkraft, und das war menschliche Innovation. Ein kleines Start-up konnte sich also eine bessere Idee einfallen lassen, was die Märkte wettbewerbsfähig hielt.

Fokus: Internet

(Bild: 

"Front panel of the first IMP" / FastLizard4 / cc-by-sa-3.0

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50 Jahre Internet, wir gratulieren - und machen eine Bestandsaufnahme: Was läuft schief im Netz? Braucht es mehr Staatseingriff? Wie ist es um das Gedächtnis des Internets bestellt? Wir müssen eingestehen, dass viele Probleme im Web menschlicher Natur sind. Wir haben aufgeschrieben, wie wir mit dieser Gemengelage am besten umgehen.

Doch inzwischen verlagert sich Innovation zumindest teilweise vom menschlichen Einfallsreichtum hin zum datengetriebenen maschinellen Lernen. Diejenigen, die Zugang zu den meisten Daten haben, werden die innovativsten sein. Aufgrund von Rückkopplungsschleifen werden sie immer größer, was die Wettbewerbsfähigkeit und Innovation untergräbt. Wenn wir also diejenigen mit sehr großen Datentruhen dazu zwingen, diese mit anderen zu teilen, können wir die Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellen und Innovationen verbreiten.

Und warum würde die Zerschlagung dieser Unternehmen den Verbrauchern eher schaden?

Sie können ein großes Unternehmen zerlegen, aber das beseitigt die eigentliche Ursache für die massive Datenansammlung nicht, es sei denn, Sie ändern die zugrunde liegende Dynamik datengetriebener Innovationen.

Das Aufteilen eines Big-Data-Unternehmens reduziert den aus Daten generierten Wert. Es ist nützlich, viele Daten zu sammeln und wiederholt zu verwenden. Nehmen wie Google Street View-Autos: Sie erfassen Bilder, Straßengeometrien und Wi-Fi-Signale. Dies hilft nicht nur Google Street View. Es verbessert die Geolokalisierung unter Android und unterstützt Waymos autonomes Fahren. Wenn Sie Google in kleinere Silos aufteilen, verringern Sie die Möglichkeit, diese Daten zu verwenden. Dies schränkt aber nicht nur Googles Fähigkeit ein, zu wachsen und innovativ zu sein. Es lässt auch niemanden sonst innovativ sein, da sie nicht über diese Daten verfügen.

Werden Unternehmen wie Google oder Amazon nicht immer einen Vorteil haben, weil sie über mehr Daten verfügen, auch wenn sie einige gemeinsam nutzen?

Dies ist aus zwei Gründen nicht unbedingt der Fall. Erstens nimmt der Wert zusätzlicher Datenpunkte mit zunehmender Anzahl ab, sodass kleinere Spieler mehr davon profitieren als größere. Zweitens bedeutet Datenaustausch, dass kleinere Unternehmen Daten von Google, Microsoft und verschiedenen anderen Playern abrufen können. Sie erhalten also sehr vielfältige Daten, die ein umfassenderes Bild liefern und schneiden dadurch möglicherweise sogar besser ab als Google, dessen Datenquellen sehr homogene sind.

Welche Fragen müssen wir klären, bevor wir diese Idee umsetzen können?

Zum Beispiel: Wie viele Daten sollen geteilt werden? Wir schlagen drei bis fünf Prozent vor, aber dies sind Überschlagsrechnungen. Man braucht eine ausreichende Menge, aber diese Zahlen sind nicht in Stein gemeißelt.

Eine weitere Frage lautet: Woher wissen wir, über welche Daten diese Unternehmen verfügen? Ich könnte mir ein Online-Verzeichnis von Dateninhabern vorstellen, in dem diese die Art ihrer Bestände veröffentlichen müssen, beispielsweise "Suchdaten" oder "autonome Fahrdaten". Potenzielle Wettbewerber könnten dieses Datenquellen-Verzeichnis konsultieren. Dies ist relativ leicht möglich, muss aber organisiert werden.

Viele beschweren sich über Datenschutzverletzungen durch diese Unternehmen. Woher wissen wir, dass uns ein Mandat zum Datenaustausch nicht einfach ganz viele kleine Facebooks mit denselben Datenschutzproblemen bescheren wird?

Datenschutz ist kein einzelnes Problem, sondern ein Bündel davon. Dazu gehört etwa die Konzentration der Informationskraft. Auch wenn der Datenaustausch die individuelle Kontrolle nicht erhöht, kann die Einschränkung der Informationskonzentration uns vor einer Situation schützen, die einem großen Bruder ähnelt. Wir sollten uns allerdings darüber im Klaren sein, dass ein Mandat für den Datenaustausch keine Datenschutzprobleme löst. Das kann es nicht. Aber es kann helfen, Alternativen bereitzustellen. Wir hatten Suchfirmen, die eine Internetsuche anbieten, die dem Datenschutz förderlicher ist, aber ihre Ergebnisse waren schlecht, weil sie nicht über genügend Trainingsdaten verfügten. Wenn wir aber Konkurrenten von Google und Facebook helfen, mithilfe von mehr Trainingsdaten gute Dienste anzubieten, würde dies den Verbrauchern und dem Datenschutz dienen.

(vsz)