Robuster Begleiter zum Mond: Der Apollo Guidance Computer

Die Computer-Hardware und die Software, mit der die Apollo-Missionen zum Mond flogen, setzen einige Meilensteine in der IT-Entwicklung.

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Robuster Begleiter zum Mond: Der Apollo Guidance Computer
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Am 16. Juli 1969 war es soweit: Apollo 11 brach zur ersten Mondlandung auf - und am 20. Juli landete die Mondfähre Eagle mit Neil Armstrong und Buzz Aldrin auf dem Mond, während Michael Collins in der Apollo-Kapsel den Mond umkreiste. Am 21. Juli setzte dann Neil Armstrong als erster Mensch seinen Fuß auf den Mond. In einem Schwerpunkt zur Mondlandung beleuchtet heise online die Ereignisse rund um die Apollo-Missionen.

Der Apollo Guidance Computer (AGC) war ein Meilenstein für die Computerentwicklung. Und er brachte nicht nur die Apollo-Mission zum Mond und wieder zur Erde, sondern auch die Landefähre mit zwei Mann Besatzung sicher auf die Oberfläche des Erdtrabanten – und die Astronauten mit Mondgepäck natürlich auch wieder davon zurück.

Der Rechner war knapp 32 Kilo schwer und bildete erstmals überhaupt ein integriertes System mit IC-Technik und digitaler fly-by-wire-Steuerung. Bis das Gerät eingesetzt werden konnte, bedurfte es aber einer enormen Kraftanstrengung aller Beteiligten.

"Ein großer Schritt für die Menschheit": 50 Jahre Mondlandung

Die NASA trieb mit dem Apollo-Programm die Entwicklung der Mikrochips entscheidend voran. Erst 1959 hatte der spätere Intel-Gründer Robert Noyce gezeigt, wie man auf einem monolithischen Silizium-Substrat mithilfe fotochemischer Lithografie Transistoren, Dioden und Widerstände auftragen kann. Seitdem waren die Firmen Fairchild und Texas Instruments mit der Umsetzung für die industrielle Massenproduktion beschäftigt. 1962 konnte der Division Director of Digital Computer Development, Eldon C. Hall, die NASA davon überzeugen, dass man für den Bordcomputer zur Mondlandung auf die neuen integrierten Schaltungen setzen sollte.

Elementar wichtig war die Zusammenarbeit mit dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston. Doch die Entscheidung war umstritten: Das MIT galt einigen NASA-Managern als zu akademisch. Man einigte sich darauf, die Designs des MIT von Industrieexperten überprüfen zu lassen, etwa von der Elektronik-Sparte von General Motors.

Bei der Entwicklung der Rechner-Hardware arbeitete man ansonsten mit der erfahrenen Rüstungs- und Elektronikfirma Raytheon zusammen. Die hatte in den 50er Jahren nicht nur militärische, sondern auch wichtige zivile Meilensteine gesetzt, darunter den ersten Mikrowellenherd oder den ersten kommerziell erhältlichen Transistor. Und so war es Raytheon, die die ersten Computer mit integrierten Schaltungen fertigten. Raytheon konnte zwar selbst integrierte Chips backen, die meisten Chips kamen aber von Fairchild, wo die späteren Intel-Gründer wie Robert Noyce, Gordon Moore und Andrew Grove wirkten.

Als zweite Lieferquelle diente Philco (ab 1961 Philco Ford), eine alteingesessene amerikanische Radio- und Fernsehfirma, die schon früh Transistoren einführte, etwa 1955 das erste transistorisierte Autoradio. Philco Ford war zudem für alle Konsolen in den NASA Control Centers verantwortlich, insbesondere im Lyndon B. Johnson Center in Houston. Die Zusammenarbeit mit der NASA ging in den 60ern beim Mercury-Programm los und zog sich über Gemini, Apollo und Space Shuttle bis hin zur ISS. Zwischendurch wechselte Philco den Besitzer. Seit Anfang der 80er gehört die Firma zum Philips-Konzern, was auch vom Namen her gut passt.

Die Computer in Apollo-Raumkapseln (5 Bilder)

Der Apollo Guidance Computer mit der DSKY-Bedieneinheit.

Für den Einbau aller Komponenten inklusive der Guidance-Systeme waren erfahrene Flugzeugbauer vorgesehen: für die Apollo-Kapsel die Space and Information Division of North American Aviation und für das Luna Excursion Module (LEM) die Grumman Aicraft Engineering Corporation.

So modern der Schritt zur Mikrochip-Architektur in der damaligen Zeit schon war, so ehrgeizig war das Softwareprojekt, das das MIT Instrumentation Lab für die NASA realisierte. Quasi in der Computer-Steinzeit konzipierte man dort bereits ein Multitasking-Betriebssystem mit Zeitscheiben und Prioritäten-Zuweisung.

Für das Design der IT- und Navigationstechnik sowie die Software des Apollo-Programms war Dr. Charles Stark Draper vom MIT Instrumentation Lab verantwortlich, der daraufhin sein ohnehin schon großes Entwicklerteam auf mehrere hundert Ingenieure ausweitete. Seine Mitarbeiter Richard Battin und Hal Laning hatten – Jahrzehnte vor Windows – ein kooperatives Multitasking-Betriebssystem mit Time Slices und Prioritäten entwickelt, dass dann später für das Apollo-Programm von der Softwarechefin Margaret Hamilton weiterentwickelt wurde. Als Hardware-Spezialist war MIT-Ingenieur Eldon C. Hall für den Apollo Guidance Computer verantwortlich.

Für das Apollo-Programm arbeitete Hamilton dieses Betriebssystem zu einer stabilen On-Board-Flugsoftware aus. Damit diese selbst beim Landeanflug stets alle wichtigen Prozesse sicher ausführen konnte, entwarf Hamilton mit ihrem Team Job-Prioritäten und Wartelisten. Das Multithreading geschah wie später bei Windows 95 kooperativ – jeder Job musste dafür sorgen, dass er Rechenzeit an die anderen wieder abgibt.

Hamilton entwickelte als Pionierin ganz neue Ansätze beispielsweise in der Softwareentwicklung, Prozessmodellierung, Systemarchitektur, Fehlervermeidung und Qualitätssicherung sowie zu prioritätsgesteuerter Programmausführung. Angesichts der Herausforderungen des Apollo-Programms wurde sie zur Ersten, die den Begriff des Software-Engineering prägte.