Mein Freund der Baum ist doof?

Der wissenschaftliche Streit darüber, ob Pflanzen wirklich über so etwas wie Intelligenz verfügen, führt in eine Sackgasse.

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Reden Sie auch gelegentlich mit Ihren Zimmerpflanzen? Umarmen Sie von Zeit zu Zeit Bäume? Keine Angst, das ist nicht wirklich schlimm. Denn was Jahrzehntelang als – mehr oder minder schlimme – esoterische Spinnerei galt, hat seit einigen Jahren einen wissenschaftlichen Hintergrund bekommen.

Demnach sind Pflanzen keineswegs so stumpf, wie man annehmen könnte, sondern verfügen vielleicht sogar über so etwas wie eine grundlegende Intelligenz. Als 2006 zum ersten mal ein wissenschaftlicher Artikel mit dem provozierenden Titel „Plant neurobiology: an integrated view of plant signaling“ erschien, war das noch ein exotischer Streit unter Fachleuten. Bücher wie „Die Intelligenz der Pflanzen“ von Stefano Mancuso, der zur Informationsverarbeitung von Pflanzen forscht, oder "Die Wurzeln der Welt" von Emanuele Coccia wurden zu Bestsellern.

Doch das Thema bleibt umstritten. Erst kürzlich hat der Biologe Lincoln Taiz einen Kommentar für die Fachzeitschrift „Trends in Plant Science" geschrieben, in dem er das gesamte Konzept einer pflanzlichen Neurobiologie scharf kritisiert. Tiere, argumentiert Taiz, hätten ein Bewusstsein entwickelt, um Nahrung zu finden, oder vor Feinden zu fliehen. Das wäre bei Pflanzen aber weder möglich noch nötig. Kurz gesagt: Pflanzen hätten davon keinen evolutionären Vorteil.

Dennoch gibt es erwiesenermaßen ziemlich spannende Mechanismen zur Informationsverarbeitung in Pflanzen. Venus-Fliegenfallen beispielsweise reagieren erst, wenn sie in einer bestimmten Zeitspanne mehrfach berührt werden. Es scheint, als ob sie mitzählen würden.

Wurzeln sind eine Art biologische Suchmaschine, die nicht nur in Richtung der maximalen Wasser- und Nahrungsmittelkonzentration wächst, sondern ihre lokalen Sensor-Informationen auch zu anderen Wurzelfasern kommunizieren kann. Manche Wissenschaftler sehen darin eine Art Schwarm-Intelligenz.

Ich denke, der wissenschaftliche Streit um schlaue oder dumme Pflanzen führt in eine Sackgasse. Zumal bereits die Definition von Intelligenz eine schwammige, umstrittene Sache ist.

Stattdessen scheint es mir viel fruchtbarer zu sein, die Erkenntnisse der pflanzlichen Informationsverarbeitung für maschinelle Systeme zu nutzen. Zum Beispiel für wachsende Roboter – dieser $(LERoboter-Arm mit integriertem 3D-Drucker beispielsweise zeigt, dass die Idee nicht nur pure Science Fiction ist. Sie hat, um im Bild zu bleiben, echtes Wachstumspotenzial.

(wst)