Post aus Japan: Das Gaspedal wird abgeschafft

Ein Kleinunternehmer aus der japanischen Provinz hat eine Idee, wie versehentliches Beschleunigen vermieden werden kann. Besonders Senioren bestellen seine technische Lösung.

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Verkehr, Autos, Infrastruktur

(Bild: fuyu liu / shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Martin Kölling

Vor 30 Jahren war Masayuki Naruse noch im besten Fahreralter, als ihm ein zum Glück folgenloses Missgeschick widerfuhr. Bei der Ausfahrt aus einem Parkplatz machte sein Wagen unbeabsichtigt einen Satz auf die Straße, weil der Besitzer eines kleinen Herstellers von land- und forstwirtschaftlichen Geräten in der südjapanischen Präfektur Kumamoto aus Versehen auf das Gas- und nicht das Bremspedal trat. Bei einem Schulkonzert kam der heute 83-jährige Ingenieur dann auf eine Idee, wie er dieses Übel aus der Welt schaffen könnte.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Er beobachtete, wie ein Musiklehrer mehrere Fußpedale eines Keyboards mit einem Fuß bediente. Und er dachte sich, dass dies vielleicht die Lösung für sein selbstgestelltes Problem sein könnte: das Onepedal, das Brems- und Gaspedal so verbindet, dass Fahrer nicht mehr versehentlich auf das Gas steigen können. Denn wer bei Naruse den Fuß aufs Bodenblech drückt, bremst in jedem Fall automatisch.

Und so funktioniert die Ein-Pedal-Lösung, die Naruse in sieben Ländern patentiert hat: Seine Mitarbeiter bauen das herkömmliche Gaspedal aus und ersetzen die Bremse durch seine Konstruktion. Naruses Pedal hat eine breite und große Trittfläche, die für den gesamten Schuh Platz bietet. An der rechten oder linken Seite verläuft ein Schwinghebel, der das tut, was früher das Gaspedal tat: beschleunigen.

Mit Videos im Internet demonstriert Naruses Unternehmen Naruse Machinery die Anwendung: Tritt der Fahrer nun auf das Pedal, wird die Bremse aktiviert. Will er beschleunigen, muss er den Fuß anheben und dann je nach gewählter Option nach rechts oder links drehen, um mit so mit dem Außen- oder Innenrist den Gashebel zur Seite zu drücken und dann zu beschleunigen. Senkt man den Fuß, greifen die Bremsbacken wieder zu.

Ein weiterer Vorteil ist, dass der Bremsweg verkürzt wird. Denn der Fuß steht ja sozusagen schon auf der Bremse und muss daher nicht erst vom Gaspedal weg und nach links auf das Bremspedal bewegt werden. Allerdings kostet diese Sicherheitsmaßnahme inklusive Einbau 200.000 Yen (1.700 Euro).

Naruse gibt auf seiner Homepage nicht Gewinnstreben als sein Motiv an, sondern ein höheres Ziel: "Es sollten keine Unfälle passieren, niemand sollte sie verursachen." Aber auch seine Mission hat er bisher in kleinen Dosierungen verfolgt. Noch immer stellt er sein Produkt nicht in Großserie, sondern in Handarbeit in seiner kleinen Fabrik her.

Ein Grund ist, dass das Onepedal bisher für jeden Autotyp angepasst entwickelt werden muss. Ein anderer ist sicherlich Kapitalmangel des Tüftlers. Seine Belegschaft zählt laut seiner Homepage nur elf Menschen, Naruse eingeschlossen. Und so kann sein Unternehmen monatlich nur 13 dieser Pedale herstellen und verbauen.

Die geringe Produktion ist ein wenig erstaunlich angesichts des einstigen Medienruhms. 2010 schaffte Naruse es mit seiner Erfindung sogar bis in die New York Times. Damals wurde dem japanischen Autobauer Toyota in den USA vorgeworfen, dass seine Autos automatisch beschleunigten. Doch Spötter glaubten, dass wohl eher der Faktor Mensch für die ungewollten Sprints verantwortlich waren. Da kam Naruses Pedal als Lösung gerade recht.

Dieses Jahr katapultierte Unfälle von zwei älteren Fahrern den Erfinder in die Schlagzeilen zurück. Ein fast 90-Jähriger schoss in Tokio in eine Menschenmenge und tötete ein Mutter samt Kind. In einem weiteren Fall raste ein 81-Jähriger in andere Autos und starb mit seiner Frau an den Folgen des Unfalls. Und inzwischen hat auch Naruse offenbar begriffen, dass er seinen Absatz steigern kann. Anfang August kündigte er an, dass er Demo-Examplare seines Onepedal zur Verfügung stellen wolle. "Ich hoffe, dass Sie es ausprobieren können", wünschte der Erfinder Interessenten.

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