Drohne gegen Drohne

Wie holt man illegale Drohnen vom Himmel? Holländer haben daraus einen Sport gemacht. Davon profitiert auch die Luftsicherheit.

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Drohne gegen Drohne

Bei einer Art Drohnen-Wrestling im holländischen Katwijk müssen die Multicopter mit gegnerischen Teams und Flammenwerfern fertig werden.

(Bild: MB Media)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hans Dorsch
Inhaltsverzeichnis

März 2019 im niederländischen Katwijk: In einer Flugzeughalle steht ein großer Käfig aus Plexiglas. Drumherum vielleicht 500 Zuschauer. Es ist laut, im Käfig schwirren bestimmt 20 Drohnen unglaublich schnell auf und ab, hin und her, aufeinander zu. Zwei Teams kämpfen hier gegeneinander. Ein Kommentator begleitet schreiend das Geschehen. Es fällt dennoch schwer, den Überblick zu behalten. Die Drohnen durchqueren Nebelwände, weichen Feuerbällen und Blitzen aus. Eine kracht mit martialischen Dornen in die Rotoren einer anderen, die kopfüber abstürzt. Irgendwann beginnt der Kommentator gemeinsam mit dem Publikum, eine Drohne auszuzählen, die am Boden liegt und zappelt. Es ist die "Königin" eines Teams. Und wer die gegnerische Königin außer Gefecht setzt, hat gewonnen.

Das Spektakel hat einen ernsten Hintergrund. Bart Remes vom Micro Air Vehicle Lab (MAVLab) der TU Delft veranstaltet den Wettkampf "DroneClash" in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal, um spielerisch neue Techniken zur Drohnenabwehr zu entdecken. Unterstützt wird die Veranstaltung vom niederländischen Militär und der Polizei, denn je mehr Privatdrohnen unterwegs sind, desto dringlicher wird die Frage, wie sie sich bei Bedarf vom Himmel holen lassen. Allein in Deutschland ist 2018 die Zahl der Fälle, in denen Flugzeugpiloten gefährliche Annäherungen von Drohnen meldeten, von 88 im Vorjahr auf 152 gestiegen.

Aber erst nachdem unbekannte Drohnen im Dezember 2018 den Londoner Flughafen Gatwick für zwei Tage stillgelegt haben und allein bei der Fluggesellschaft easyJet Kosten in Höhe von 17 Millionen Euro verursacht haben, werden die Flughafenbetreiber aktiv. Das sagt zumindest Theo Karafantis, der außerhalb der Arena ein Komplettsystem zur Erkennung und Abwehr von Drohnen des australisch-amerikanischen Herstellers Droneshield vorstellt.

Zur Verteidigung der Flughäfen muss man allerdings sagen: Die Abwehr ist gar nicht so leicht, und der Markt für Abwehrsysteme ziemlich in Bewegung. Anfang 2018 hat das New Yorker Bart College 235 Produkte gezählt, von denen die meisten Drohnen allerdings entweder nur erkennen oder nur abwehren können. Nur 67 Systeme können beides gleichzeitig. Solche Komplettlösungen kosten zwischen 300.000 und über einer Million Euro, plus Wartungskosten.

Immerhin: Der Hersteller DJI, von dem fast zwei Drittel der weltweit fliegenden Drohnen stammen, will den Missbrauch seiner Produkte schon ab Werk erschweren. Er versieht seine Drohnen seit Mitte 2017 mit einer Art digitalem Nummernschild. Anwender müssen sich in der Steuerungs-App ihrer Drohne registrieren, diese sendet dann zusätzlich zum Steuersignal Informationen über Modell, Besitzer und aktuelle Position. Mit dem dazu passenden Paket aus Antenne und Software können Flughafenbetreiber erkennen, ob ein Pilot eine Flugberechtigung besitzt oder nicht.

Spätestens ab 2022 gelten auch EU-weite Grundregeln, die solch eine elektronische ID für alle Drohnen über 250 Gramm sowie die automatische Überwachung von Flugverbotszonen vorschreiben. Bislang konnte jedes Land eigene Regeln festlegen und durchsetzen, was nicht immer besonders gut gelang.

Aber selbst dann bleibt die Frage: Wie bekommt man die Fluggeräte vom Himmel? Luftsicherheitsbehörden müssen sich schließlich nicht nur auf den freundlichen Drohnenpiloten einstellen, der sich aus Versehen verflogen hat – sondern auch auf jene, die ganz bewusst den Flugbetrieb stören wollen.

Und die finden sich nicht in der Nutzerdatenbank. 3D-Radarsysteme, die auf kleine Flugobjekte optimiert sind, können sie entdecken und von Vögeln unterscheiden. Zusätzlich hören empfindliche Funkantennen die Frequenzen um 2,4 und 5,8 Gigahertz, die praktisch alle Drohnen zur Kommunikation nutzen, auf Steuersignale ab. Sind mehrere dieser Antennen installiert, lassen sich über Triangulation sowohl Drohne als auch Pilot orten. Ergänzend belauschen Mikrofone den Himmel. Anhand einer Sound-Datenbank können sie ebenfalls Drohnentypen identifizieren. Mit Infrarot- und optischen Kameras lassen sich erkannte Drohnen dann weiter überprüfen – etwa daraufhin, ob eine Drohne gefährliche Ladung mit sich führt.

Im Plexiglaskäfig von Katwijk wird nicht lange gefackelt. Beim Kampf gegen die Gegner setzt man auf den Hard Kill: das Zerstören der gegnerischen Drohnen durch direkten Angriff.

Natürlich lassen sich auch draußen Drohnen mit Schusswaffen, Lasern oder Mikrowellenkanonen abschießen. Die US-Marine hat im März 2018 verschiedene Abwehrtechniken in einem Feldversuch getestet. "Im Moment werden solche Systeme auf Marineschiffen im Mittelmeer erprobt. Dort laufen sie vollautomatisch", sagt Karafantis. Weitere Details will er nicht verraten.

Über bewohnten Gebieten ist aber die Gefahr, dass Geschosse oder scharfkantige Geräte beim Absturz Menschen verletzen, zu groß. Deshalb setzen die meisten Anbieter auf einen sogenannten Soft Kill, bei dem die Drohne heil bleibt. Eine Variante ist es, mit starken Störsendern ("Jammern") die Verbindung der Drohne zu Navigationssatelliten oder zur Fernsteuerung zu unterbrechen. Etwa zwei Drittel aller Abwehrsysteme nutzen laut Bart-Report eines der beiden Verfahren. In beiden Fällen aktiviert sich das Notsystem der Drohne, und sie bleibt in der Luft stehen oder landet automatisch. Auf diese Weise könne man eine No-Fly-Zone um Flughäfen absichern, sagt Karafantis. "Wir haben Videos, da sieht man Drohnen mit 70 oder 80 Kilometern pro Stunde wie gegen eine Wand fliegen."

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Das klingt gut, birgt aber auch die Gefahr von Kollateralschäden: Jammer für die Satellitennavigation können auch alle anderen Flug- und Fahrzeuge in der Umgebung behindern, Jammer für die Fernsteuerung Drahtlostelefone, WLAN oder Bluetooth. Deshalb sind beide Verfahren nur dem Militär und der Polizei erlaubt.

Subtiler geht das Mesmer-System des amerikanischen Herstellers Department 13 vor. Es nutzt Sicherheitslücken im Funkprotokoll der Drohnenhersteller, um die Steuerung der Drohne zu übernehmen und sie zu landen. Bei welchen Modellen das funktioniert, verrät der Hersteller nicht. Im Gegensatz zum Jamming beeinträchtigt das Verfahren zwar nicht die Umgebung, ist rechtlich gesehen aber ein Hack, also ein unerlaubter Eingriff in die Privatsphäre. Mark Wiebes von der niederländischen Polizei erklärt, dass selbst die Polizei solche Maßnahmen in den Niederlanden erst seit Kurzem überhaupt einsetzen darf und auch nur, wenn ein schweres Verbrechen vermutet wird und ein dringendes Interesse vorliegt.

In der Arena können die Zuschauer derweilen erleben, wie Abwehr noch aussehen kann: Dort versuchen mehrere kleine Drohnen, die Königin anzugreifen. Sie verfangen sich aber im Netz einer Verteidigerin und gehen mit ihr zu Boden.

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Ein ähnliches System für draußen zeigt der niederländische Hersteller Delft Dynamics – mit weniger Schadenspotenzial. Dessen Multikopter beschießt andere Drohnen per Druckluft mit einem Netz, das diese einwickelt und einfängt. Eine Bilderkennung soll dafür sorgen, dass der erste und einzige Schuss trifft. Je nach Größe der Beute transportiert der Fänger sie selbst an einen sicheren Ort oder lässt sie an einem Fallschirm zu Boden.

Die nächste Evolutionsstufe wäre eine Art mechanischer Adler. Kevin van Hecke, Mitveranstalter von der TU Delft, erwartet, dass diese Spezies bei den DroneClash-Kämpfen im nächsten Jahr auftaucht. "Die Fluggeschwindigkeit und die Schlagkraft haben die Konkurrenten dieses Jahr schon erreicht. Jetzt müssen sie es noch schaffen, die bösartigen Drohnen zu greifen und sicher zu deponieren."

(bsc)