Twitter löscht Konten von Fürsprechern der saudischen Regierung

Gemeinsam mit Facebook geht Twitter gegen politische Propaganda vor. Diesmal trifft es vor allem die Twitterkonten von Anhängern Saudi-Arabiens.

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Twitter löschten Konten von Fürsprechern der saudischen Regierung

(Bild: pixabay.com)

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Das Social-Media-Unternehmen Twitter hat erneut zahlreiche Konten gesperrt, denen trotz vermeintlicher Unabhängigkeit Regierungsnähe sowie manipulativer Umgang mit Informationen und somit eine Verletzung der Plattformrichtlinien vorgeworfen wird. Diesmal betrifft der Schritt vor allem Nutzer mit Beziehungen zu Regierungen im Mittleren Osten sowie Saudi-Arabien, darunter auch Saud el-Qahtani, ein früherer Berater des saudischen Kronprinzen bin Salman und ein mutmaßlicher Drahtzieher hinter dem Verschwinden des Bloggers und Washington-Post-Kolumnisten Jamal Kashoggi.

Wie Twitter in einem Blog-Beitrag erläutert, habe man 6 Konten gelöscht, die den saudischen Staatsmedien verbunden gewesen seien und Informationen verbreitet hätten, die die saudische Regierung in einem günstigen Licht erschienen ließen; nach Außen hätten sie sich jedoch als unabhängige journalistische Medien ausgegeben. Das Konto von el-Qahtani sei dauerhaft gesperrt worden, da es gegen die Manipulationsrichtlinie verstoßen habe. Anders als in den anderen Fällen stellt Twitter die Daten und Tweets von el-Qahtanis Account nicht zu Analysezwecken zur Verfügung.

Die mutmaßliche Ermordung Kashoggis im saudischen Konsulat in Istanbul im Oktober 2018 hatte erhebliche diplomatische Verstimmungen zwischen Saudi-Arabien und seinen Partnerländern hervorgerufen, unter anderem deshalb, weil Indizien eine mehr oder weniger direkte Beteiligung des Kronprinzen nahelegen. Videoaufnahmen von Personen, die das Konsulat betreten, sowie abgehörte Gespräche, über die die türkische Regierung berichtet hat (und deren Authentizität nicht belegt ist), deuten darauf hin, dass ein saudisches Spezialkommando Kashoggi im Konsulat ermordet hat und die Leiche verschwinden ließ.

Anfang September dieses Jahres veröffentlichte eine türkische Zeitung nun einen Mitschnitt eines Telefonats zwischen dem Konsulat in Istanbul und dem Büro el-Qahtanis in Riad, das die Ermordung des Kolumnisten sowie mindestens die Kenntnis bin Salmans von dem Vorgang nahelegt. el-Qahtani war laut New York Times ein Freund und Berater des Kronprinzen, sei jedoch einige Wochen nach dem Verschwinden Kashoggis von seiner Beraterfunktion abberufen worden. Außerdem soll er hinter einer 'Trollfabrik' in Riad stecken. Sein Twitterkonto sei seit den Vorfällen in Istanbul inaktiv gewesen, schreibt die Zeitung, und habe zuletzt etwa 1,3 Millionen Follower gehabt.

Im Zuge der neuesten Kontenlöschungen hat Twitter nach eigener Aussage außerdem ein Netzwerk von knapp 300 weiteren Nutzerkonten entfernt, die einem Privatunternehmen in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Ägypten zugeordnet worden seien. Dieses Netzwerk habe hauptsächlich Informationen verbreitet, die im Sinne der saudischen Regierung gegen den Iran und Qatar gerichtet gewesen seien. Außerdem habe man über 4000 weitere Konten aus den VAE gelöscht, die auf den Jemen und Qatar abgezielt und falsche Angaben zu den dahinter stehenden Nutzern enthalten hätten.

Twitter werde auch weiterhin gegen solchen "politischen Spam" vorgehen, der gegen die Richtlinien verstoße, und dies auch öffentlich machen. Das Unternehmen geht mittlerweile verstärkt und teils massiv gegen unseriöse Informationsquellen auf seiner Plattform vor; als Kriterium für eine Verletzung der Richtlinien gilt das staatlich gestützte Steuern der Informationsverbreitung ("state-backed information operations"). Beispielsweise löschte Twitter vor den US-Kongresswahlen Ende 2018 10.000 Fake-Accounts, die demokratische Wähler vom Wahlgang abhalten wollten.

Neben weiteren gesperrten Konten wegen nicht offengelegten Regierungsbezugs in Spanien und Ecuador hat Twitter außerdem im Zuge der Kontensperrungen rund um die Massenproteste in Hong Kong wegen mutmaßlicher chinesischer Propaganda weitere Datensätze veröffentlicht, die sich auf die bereits im August gesperrten etwa 200.000 Konten beziehen und der Analyse der Vorgänge dienen sollen.

Auch Facebook hat bekannt gegeben, Konten bei sich und dem Tochterunternehmen Instagram gelöscht zu haben, die ihre Identität und den Bezug zu einer politischen Gruppe in Spanien nicht offenlegten. Demnach wurden 65 Facebook-Konten und 35 Instagram-Konten gelöscht, deren Nutzer mit der konservativ-christlichen Volkspartei Partido Popular verbunden seien und hauptsächlich dem Verstärken anderer tendenziöser Inhalte dienten.

Im Zuge dieser Aktion teilte Facebook auch mit, dass man bei derartigen Untersuchungen mit Twitter zusammenarbeite und Informationen austausche, die beim Aufdecken von Richtlinienverletzungen behilflich seien. Auch Facebook weist wie Twitter darauf hin, dass nicht der Inhalt von Posts den Ausschlag für eine Löschung gebe, sondern dass man Gruppen, Seiten und Konten allein aufgrund ihres Verhaltens und der Manipulationsabsicht beurteile. (tiw)