"Magic: The Gathering Arena" im Test: Komplexes Karten-Komplott

Das Sammelkartenspiel von 1993 hat mit "Magic: The Gathering Arena" nach langer Wartezeit ein zeitgemäßes, digitales Pendant bekommen.

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Magic Arena im Test: Komplexes Karten-Komplott
Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Michael Wieczorek
Inhaltsverzeichnis

Beim amerikanischen Spielehersteller Wizards of the Coast (WotC) "braut" man seit 1993 kreative, kunstvolle und komplexe Kombinationen in Form von Sammelkarten. Auf ihnen finden sich allerlei Fantasy-Getier, Ritter oder Zaubersprüche. Seit seinem Ursprung hat die analoge Version von Magic: The Gathering schon viele Hoch- und Tiefphasen hinter sich. Aktuell ist Magic wieder in – vor allem dank der neu entwickelten digitalen Variante Magic: The Gathering Arena (MTG Arena).

MTG Arena ist für Windows erhältlich (Mac-Version für 2020 angekündigt) und kostenlos, bietet aber viele Möglichkeiten dennoch Geld auszugeben, um schneller an neue Karten zu kommen oder sie besonders hübsch aussehen zu lassen. Auch wenn wir davon ausgehen, dass die meisten, die diesen Test lesen, mit MTG Arena vertraut sind, umreißen wir in einem Absatz dennoch das Grundkonzept der eigentlichen Partien, bevor wir auf die Stärken und Schwächen von Arena eingehen.

Ein Standard-Deck in Magic: The Gathering besteht aus mindestens 60 Karten. Es umfasst Kreaturen, Zaubersprüche, Artefakte, Helden (Planeswalker) und Mana. Zu Beginn wird das Deck gemischt und Spieler/innen ziehen 7 Handkarten. Mana gibt es in fünf unterschiedlichen Farben, sowie einer farblosen Variante. Es wird für das Ausspielen der Karten benötigt und gewöhnlich über Landkarten generiert, von denen der Spieler pro Zug eine auslegen kann. Die Aktivierung der Karten oder auch Angriffe erfolgen durch das Tappen. Dabei werden die Karten einmal um 90 Grad gedreht. Kreaturen besitzen einen individuellen Wert für Stärke (Angriff) und Widerstandskraft (Lebenspunkte der Kreatur), Spieler/innen starten eine Partie mit 20 Lebenspunkten. Normalerweise lautet das Ziel den Gegner auf 0 Lebenspunkte zu bringen, es gibt aber auch alternative Siegbedingungen.

Magic: The Gathering Arena ist das Ergebnis einer gekonnt geklonten Kopie. Blizzard hat das digitale Sammelkartenspiel mit Hearthstone auf dem PC salonfähig gemacht und dabei sehr viele Konzepte von Magic: The Gathering abgeschaut und vereinfacht. Einzig beim Mana-System und den Angriffen gibt es elementare Unterschiede. Während bei Magic das Mana selbst (mit Glücksfaktor) gezogen und ausgespielt werden muss, wächst es in Hearthstone automatisch von Runde zu Runde an. Angriffe erfolgen in Magic generell entweder auf den Spieler oder einen Planeswalker, während in Hearthstone auch Kreaturen gezielt attackiert werden dürfen. Ansonsten ist Hearthstone einsteigerfreundlicher und weniger komplex, da Spieler während der gegnerischen Züge nicht eingreifen können.

Magic Arena im Test (8 Bilder)

Die Karte lesen, erklärt die Karte.
(Bild: Michael Wieczorek / heise online)

Was Blizzard bei Hearthstone aber dadurch großartig umsetzen kann, ist das audiovisuelle Design und der Spielfluss. Das steht im großen Kontrast zur bisherigen digitalen Variante von Magic, namentlich Magic Online (seit 2002). Das wirkt auf den ersten Blick bieder und erinnert eher an ein Excel-Dokument. Genau diesen großen Schwachpunkt geht WotC mit MTG Arena an. Hier trällern epische Musiken im Hintergrund und legendäre Kreaturen preschen mit detaillierten 3D-Animationen auf das virtuelle Schlachtfeld - ganz ähnlich wie beim Genreprimus Hearthstone.

Doch während der visuelle Teil der Kämpfe nun angemessen präsentiert wird, ist der Spielfluss nach wie vor ein naturgemäßes Problem für MTG Arena. Nur wer hier Einbußen bei der Komplexität eingeht, bekommt ein ähnlich flottes Spielgefühl, wie bei der Konkurrenz. MTG Arena bietet zu diesem Zweck Komfortfunktionen: Automatisches Tappen von Ländern, automatisches Überspringen von Zugphasen (Versorgung, Untap, Karte ziehen, 1. Hauptphase, Angriffe Deklarieren, Schaden, 2. Hauptphase, Endphase) und mehr. Doch wer hier das Programm entscheiden lässt, hat mitunter schneller eine unverdiente Niederlage erlitten, als ihm lieb ist.

Die große Anziehungskraft von Magic: The Gathering ist nämlich die hochkomplexe Interaktion in jeder Phase des Spiels. Effekte können sich multiplizieren, gekontert werden oder ausstechen. Nur wer jede Karte genau gelesen und verinnerlicht hat, weiß um all seine Optionen.

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Und doch ist MTG Arena auch ein ideales Mittel, um Spieler in diese komplexe Welt einzuführen. Bereits zum Start werden die grundlegenden Konzepte in Form eines Tutorials erklärt. Kurz darauf spielt man sich die ersten kompletten Deck-Sets frei, um die Prinzipien von Aggro, Mid-Range oder Control-Decks nicht nur zu verstehen, sondern auch direkt anwenden zu können. Dabei sind Online-Matches gegen ähnlich erfahrene Spieler mit gleichstarken Decks genauso möglich, wie das Trainieren gegen eine K.I.

Bei den verschiedenen Spielmodi fehlen uns noch ein paar weiterführende Erklärstücke. Wir fänden Spielsituationen in Form von Szenarien hilfreich, um die komplette Bandbreite der Möglichkeiten besser zu lehren. Hier hilft nach einem bestimmten Zeitpunkt das Internet mit seinen zahlreichen Magic-fokussierten Seiten noch am besten.

Das Erfüllen von stets wechselnden Missionen wie, "Spiele 30 weiße oder rote Kreaturen", füllt das virtuelle Goldkonto auf. Mit Gold kaufen Spieler Boosterpacks und kommen so an neue Karten verschiedener Seltenheit. Sehr gut gefällt uns dabei das Herstellen von noch benötigten Karten in Form von Wildcards. Nach 6 geöffneten Packungen werden dem Spieler solche geschenkt, die er für Wunschkarten einlösen kann.

Dieses Prinzip schränkt auf der einen Seite ein: Jede Karte hat nämlich die Kosten oder den Wert ihrer Seltenheit - unabhängig von ihrer Stärke oder Effektivität. Das ist bei Tabletop-Magic grundlegend anders: Hier haben seltene Karten mit einem hohen Power-Level häufig einen hohen finanziellen Wert und kosten im Einzelkauf manchmal bis zu 100 Euro oder mehr auf dem sekundären Markt.

Insgesamt ist es in MTG Arena günstiger an ein komplettes Set an Karten zu kommen, es ist sogar komplett kostenlos möglich, wenn man viel und lange spielt. Angenehmer kommt man voran, wenn man circa 80 Euro pro neues Set investiert. Niemals aber gibt man so viel Geld aus, als würde man sich alle Karten als physisches Objekt kaufen. Allerdings besitzt man auch keinen finanziellen Wert, denn Karten lassen sich in MTG Arena nicht weiterverkaufen.

Am besten gefallen uns die oft zeitlich befristeten Events auf MTG Arena. Um an ihnen teilnehmen zu können, muss zwar manchmal Geld investiert werden, dafür fallen die Belohnungen der Teilnahme aber auch angemessen aus. Wir würden uns allgemein noch mutigere, spezielle Events wünschen abseits von Draft oder Limited, bei denen aus einem beschränkten Karten-Pool ein temporäres Deck gebaut wird. Auch hier macht Blizzard es noch vor und bietet in Hearthstone witzige Regelveränderungen an, die einen neuen Kniff beim Deckbau ermöglichen.

Des Weiteren fehlt Arena auch nach dem offiziellen Launch noch eine echte Freundesliste. Um gegen Bekannte spielen zu können, müssen kryptische Online-IDs ausgetauscht werden. Auch fehlen ein optionaler Chat-Raum und Voice-Chat. Kritikwürdig finden wir zudem die Performance des Spiels. Zwar lassen sich die Effekte minimieren und Auflösung anpassen, für ein Sammelkartenspiel mit der gebotenen grafischen Qualität stockt und zuckt Arena aber auch auf modernen Gaming-Systemen noch zu regelmäßig.

Abseits dieser fehlenden Optimierungen und Community-Features, machen die Entwickler aber vieles sehr richtig. Interessierte Spieler sollten immer ein Auge auf den finanziellen Aspekt werfen und wie er sich entwickelt. Wizards of the Coast bietet mit MTG Arena aktuell ein sehr reizvolles und strategisch wundervoll komplexes digitales Kartenspiel an – künftige Änderungen am Monetarisierungs-Modell könnten das aber auch schnell wieder ändern. Im E-Sport will man mit MTG Arena jedenfalls schon mal eine Hausnummer werden. (wie)