Aufladung, Direkteinspritzung und variable Ventilsteuerung machen Motoren sparsamer

Druck-Erzeugnis – Hubraum ist doch zu ersetzen

Die Maxime „Hubraum ist durch nichts zu ersetzen, außer durch noch mehr Hubraum“ konnte sich jahrzehntelang halten und war nicht einmal falsch. Doch heute zählen kleiner Hubraum, wenig Reibung und viel Druck

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  • ggo
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Hannover, 16. Juli 2008 – Die Maxime „Hubraum ist durch nichts zu ersetzen, außer durch noch mehr Hubraum“ konnte sich jahrzehntelang halten und war nicht einmal falsch. Solange Ottomotoren das fertige Luft-Kraftstoff-Gemisch aus eigener Kraft ansaugen mussten, war Hubraum eine entscheidende Regelgröße, um das Drehmoment zu steigern. Noch heute sind vor allem in den USA Fahrzeuge mit „Big Blocks“ unterwegs, die ihre Kraft scheinbar aus dem Ärmel schütteln, aber dabei auch tief in den Tank schauen. Doch ihre Zeit scheint abgelaufen: Die neue Devise heißt „Druck ist durch nichts zu ersetzen“ und beruht auf einer geschickten Kombination aus Turboaufladung, Direkteinspritzung und variabler Ventilsteuerung.

Turbolader auf Entzug
Der Turbolader hat einen erstaunlichen Charakterwandel hinter sich: Legendär ist trotz seiner Macken der Saab 99/900 Turbo, der sich gerne mal 15 Liter genehmigte und nicht nur deswegen einen sanften Gasfuß forderte – in unteren Drehzahlen kam wenig, darüber setzte schlagartig der Turbo ein. Welch ein Kontrast zum kleinsten TSI-Motor von VW, der gerne als ein Musterexemplar für Downsizing heranzogen wird – auch deswegen, weil er als erster seiner Art in großen Stückzahlen verkauft wurde. Beim TSI mit 90 kW (122 PS) steht der Turbo überraschenderweise für geringen Verbrauch und hohes Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen.

In den 1970er- und 80er-Jahren war der Turbolader vor allem ein preisgünstiges Mittel, um einen großvolumigen Motor zu ersetzen. Doch das erkaufte man sich mit mehr Verbrauch: Die Gemischbildung, egal ob mit Vergaser oder Einspritzung, erfolgte seinerzeit im Saugrohr, bevor das fertige Benzin-Luft-Gemisch in den Zylinder befördert wurde. Der Nachteil: Wegen des höheren Drucks durch die Turboaufladung war eine geringere Verdichtung notwendig, um ein Klopfen zu verhindern. Im Beispiel Saab 99 standen 9,5:1 mit Saugmotor einem Wert von 7,2:1 beim Turbomotor gegenüber – der moderne TSI dagegen ist trotz Turbo mit 10:1 verdichtet.

Natürlich hat sich die Technik des Turboladers weiterentwickelt, doch das ist nicht der einzige Grund für sein Revival: Ein entscheidener Anstoß kam aus der Weiterentwicklung der Direkteinspritzung, die man zunächst nicht mit der Aufladung in Zusammenhang bringt. Um es vorwegzunehmen: Erst die Direkteinspritzung macht den Turbolader für Sparkonzepte richtig attraktiv, und das Sahnehäubchen bilden schließlich variable Ventilsteuerungen.

Später Erfolg der Direkteinspritzung
Erstaunlich, bereits 1877 ließ sich Nikolaus Otto das Prinzip der Direkteinspritzung patentieren, doch dann sollte es mehr als hundert Jahre lang bei Ottomotoren für Automobile keine nennenswerte Rolle spielen, abgesehen von Sonderfällen wie dem Mercedes 300 SL in den 1950er-Jahren. Erst Mitte der 1990er-Jahre kam sie wieder auf, als Pionier darf dabei Mitsubishi gelten. 1996 brachten die Japaner den Carisma GDI auf den Markt, das erste Großserienfahrzeug, das mithilfe der Direkteinspritzung einen Magerbetrieb erlaubte.