Windkraftbranche: Bundesregierung macht fatale Fehler

Wie kann der stockende Ausbau der Windkraft wieder Fahrt aufnehmen? Die Regierung ist wegen ihrer Pläne in Bedrängnis. Die Branche zeichnet ein düsteres Bild.

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Windbranche: Bundesregierung macht fatale Fehler

(Bild: Murray Foubister, CC BY-SA 2.0)

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  • dpa
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Die Windenergiebranche wirft der Bundesregierung angesichts der Krise der Windkraft an Land schwere Fehler vor. "Anstatt dem Ausbau der Windenergie wieder in die Spur zu helfen, werden der Branche weitere Steine in den Weg gelegt", sagte der Präsident des Bundesverbands Windenergie, Hermann Albers, der Deutschen Presse-Agentur. "Dass die Bundesregierung beim wichtigsten Projekt unserer Volkswirtschaft aufgrund der Kritik einiger Bürgerinitiativen einzuknicken droht, zeigt ihre aktuelle politische Schwäche." Die Regierung müsse stattdessen "neue Begeisterung" für das wichtige Projekt Energiewende schaffen.

Albers sagte, die Bundesregierung mache mit der Einführung einer Abstandsregelung von 1000 Metern von Windrädern zu Wohnsiedlungen einen "fatalen Fehler". Mit dieser bundeseinheitlichen Regelung, auf die sich das Klimakabinett verständigt hatte, soll bei Anwohnern die Akzeptanz für Windräder vergrößert werden. Fünf nebeneinander stehende Häuser sollen als Wohnsiedlung gelten, wie es in dem Gesetzentwurf des zuständigen Wirtschaftsministeriums heißt. Bisher gibt es von Land zu Land unterschiedlich strenge Vorgaben.

Vor allem an der Fünf-Häuser-Regel gibt es Kritik, auch von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). Den Bundesländern steht es laut Gesetzentwurf allerdings frei, abweichende Regelungen zu treffen. Bei Wirtschafts- und Energieverbänden, aber auch den Ländern stoßen die Pläne der Bundesregierung dennoch auf heftige Kritik.

"Das darf niemals Gesetz werden", sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter am Samstag dem Nachrichtenportal t-online.de. "Das wäre die Zerstörung einer Schlüsselbranche der sozial-ökologischen Marktwirtschaft." Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt warf der Bundesregierung eine Mischung aus "Unfähigkeit und Angst" vor: Eine Abstandsregelung, bei der es um fünf Häuser gehe, sei "der Tod der Windkraftindustrie".

Nach Informationen der Neuen Osnabrücker Zeitung will Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) Windparkbetreiber im Norden, wo es überlastete Stromnetze gibt, für den Netzausbau zahlen lassen. Die NOZ beruft sich auf einen Gesetzentwurf des Bundeswirtschaftsministers zum Ausstieg aus der Kohleverstromung. Die Regierung könne dann künftig Erzeuger verpflichten, bei einem Neuanschluss ans Netz einen "netzkostenorientierten Ausbauzuschuss" zu zahlen.

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In den nächsten Jahren dürften einige Windräder in Deutschland ausrangiert werden. Doch was passiert eigentlich mit den abgebauten Anlagen?

Der Ausbau der Windkraft an Land war in diesem Jahr fast zum Erliegen gekommen. Hauptgründe sind lange Genehmigungsverfahren, zu wenig ausgewiesene Flächen und viele Klagen. Vor Ort gibt es viele Bürgerinitiativen gegen Windräder.

Die Branche fürchtet, dass sich die Ausbaukrise verschärft, weil durch neue Abstandsregelungen kaum noch neue Flächen für Windräder zur Verfügung stehen würden. Ein weiterer Ausbau der Windkraft an Land gilt als notwendig, damit Deutschland Klimaziele schaffen kann.

Bundesumweltministerin Schulze sprach sich nun für den Bau von Windkraftanlagen in Deutschland auch auf privaten Waldflächen aus. "Es spricht aus meiner Sicht wenig dagegen, wenn etwa private Waldbesitzer in ihren Fichtenplantagen auch mal eine Windanlage bauen wollen", sagte Schulze der Rheinischen Post (Samstag). Es komme sehr auf den konkreten Fall an. Aber: "Mit der Haltung, Windräder stören nur, wird die Energiewende nicht vorankommen." Die Wende müsse zudem naturverträglich gestaltet werden. Zahlreiche Bürgerinitiativen fordern dagegen, dass der Wald zur "Tabuzone" für Windkraft erklärt werden müsse.

Altmaier hatte ein Maßnahmenpaket vorgeschlagen, um etwa Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und mehr Flächen verfügbar zu machen.

Albers vom Bundesverband Windenergie sagte: "Die Verbesserungen müssen dringend noch in diesem Jahr kommen, sonst drohen auch die Jahre 2020 und 2021 schwache Jahre für die Windenergie zu werden." Er ergänzte: "Die Zukunftsbranche hat seit 2016 schon 40.000 Arbeitsplätze verloren."

Enercon, einer der größten deutschen Hersteller von Windkraftanlagen, hat kürzlich eine umfassende Neuausrichtung angekündigt – mit der auch rund 3000 Jobs wegfallen sollen. Im Ringen um die Zukunft des Windanlagenbauers wollen Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil und Umweltminister Olaf Lies (beide SPD) am Samstag in Aurich mit Betriebsräten und Vertretern der IG Metall über die Zukunft des Unternehmens beraten. Nach Darstellung des Unternehmens liegt ein wesentlicher Grund für den stockenden Absatz darin, dass in Deutschland kaum noch neue Windkraftanlagen errichtet werden.

Um den Ausbau der Windenergie wieder in Schwung zu bringen, fordert Weil vom Bund eine Vereinfachung von Genehmigungsverfahren für neue Anlagen. Die Flaute beim Bau von neuen Windrädern an Land könnte sich nach seiner Einschätzung mit den geplanten Abstandsregeln für neue Anlagen noch verschärfen, wie er der dpa sagte: "Für Niedersachsen werden wir die 1000 Meter Abstand nicht annehmen und von den Ausstiegsmöglichkeiten Gebrauch machen."

Branchen-Präsident Albers sagte, er sei "völlig unverständlich, dass von den teilweise wichtigen Reformen der Aufgabenliste aus dem Bundeswirtschaftsministerium aktuell nur die restriktive Abstandsregelung für Windenergieanlagen an Land angegangen wird". Der geplante Ausstieg aus der Kohleverstromung könne nur einhergehen mit einem Umstieg auf Erneuerbare Energien: "Dieser Umstieg, den wir Energiewende nennen, ist das herausforderndste industriepolitische und gesellschaftliche Projekt unserer Zeit. Ein so wichtiges Projekt braucht Erklärung und positive Kommunikation auf allen Ebenen der Politik." (tiw)