20 Jahre Breko: Mehr Glas, weniger Staat

Nach 20 Jahren der Liberalisierung steht der Telekommunikationsmarkt vor der Zeitenwende: Glasfaser soll das Kupfer ersetzen – und alte Gegner kooperieren.

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20 Jahre Breko: Mehr Glas, weniger Staat

Bundesminister Andreas Scheuer (CSU): "Natürlich brauchen wir Glasfaser."

(Bild: heise online)

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Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sieht Politik und Wirtschaft bei der Digitalisierung vor "großen Aufgaben, wenn wir bei allen Bürgerinnen und Bürgern für gleiche Lebensverhältnisse sorgen wollen". Dabei räumte er auch Versäumnisse der Politik ein. "In der Digitalisierung hängen wir hinterher", sagte Scheuer zur Eröffnung der Jubiläumsveranstaltung zum 20-jährigen Bestehen des Bundesverbands Breitbandkommunikation (Breko) am Donnerstag in Berlin. "Wir haben wirklich vieles verschlampt."

Das soll jetzt besser werden. Scheuer verwies auf die zahlreichen Initiativen aus seinem Haus, die den Breitband- und Mobilfunkausbau endlich voranbringen sollen. "Wir müssen die grauen und weißen Flecken schließen", sagte der Minister. "Und deswegen steigen wir nicht nur bei der Glasfaser ein, sondern auch im Mobilfunk." Dabei gilt es die sattsam bekannten Hindernisse zu überwinden: zu viel Bürokratie, zu wenig Tiefbauressourcen – und nicht zuletzt die noch ausbaufähige Akzeptanz und Nachfrage seitens der Verbraucher.

Doch der Minister warnt davor, alles nur negativ zu sehen. Das sieht auch Lars Klingbeil so. "Wir dürfen uns nicht schlechtreden", sagte der Generalsekretär von Scheuers Koalitionspartner SPD, mahnte aber zugleich ein paar Kurskorrekturen an. Sich auf Vectoring festzulegen, sei ein Fehler gewesen, räumt Klingbeil ein. Jetzt müsse der Glasfaserausbau vorangetrieben werden.

Auch Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur, ist genervt von Berichten über das digitale Entwicklungsland Deutschland. "Wir sind nicht so schlecht wie immer behauptet wird", sagte Homann. "Mit 100 Mbit/s stehen wir im europäischen Vergleich noch ganz gut da." Aber bei der Glasfaser "hängen wir hinterher", muss auch der Chefregulierer einräumen.

Klingbeil hat einen Vorschlag: Sich jetzt auf Glasfaser festlegen und weniger Geplänkel. "Es schmerzt mich, wenn ich sehe, wie andere europäische Länder bei Glasfaser vorankommen, und wir uns im Klein-Klein verlieren." Für die nächste Bundesregierung wünscht er sich ein Digitalministerium: "Wir brauchen eine starke Stimme für die Digitalisierung am Kabinettstisch."

Mehr politische Kompetenz wünschen sich auch die Experten. "Schon die vergangene Legislaturperiode war vertane Zeit, was den Breitbandausbau betrifft", sagte Iris Henseler-Unger vom Forschungsinstitut WIK Consult. "Und die laufende Legislaturperiode droht auch zu einem gewissen Stillstand zu führen." Keine Lösung ist ihrer Ansicht nach die vom Bund für den Mobilfunksektor ins Spiel gebrachte Idee einer staatlichen Infrastrukturgesellschaft. Auch die Branchenvertreter halten von solchen Plänen nichts. "Weniger Staat ist mehr", sagte Breko-Chef Stephan Albers.

Breko-Präsident Norbert Westfal

(Bild: heise online)

In den vergangenen 20 Jahren, in denen der Breko-Verband die Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes begleitet hat, ging es primär um den Zugang zum Kupfernetz der Telekom. "Wir als Deutsche Telekom sind ja vor 20 Jahren freundlich genötigt worden, in Kooperationen einzusteigen, wir haben da also ein bisschen Erfahrung", witzelte Telekom-Deutschlandchef Dirk Wössner in Berlin.

Nach dem Kupfer kommt das Glas. "2019 ist das erste echte Glasfaserjahr", sagte Albers. Der Wandel erfasst den gesamten Markt: Auch die Telekom arbeitet mehr mit Wettbewerbern zusammen als früher. Rund 3 Millionen Telekom-Anschlüsse laufen auf der Infrastruktur von Wettbewerbern, sagte Wössner. Mit dem norddeutschen Netzbetreiber EWE Tel steht der Ex-Monopolist kurz davor, eine gemeinsame Tochtergesellschaft zu gründen.

Breko-Präsident Norbert Westfal, im Berufsleben Geschäftsführer von EWE Tel, sieht im Glasfaserausbau die Chance für einen Paradigmenwechsel: "Die Glasfaser bietet eine Chance für mehr Kooperation in der Branche und weniger Regulierung." (vbr)