Das China-Syndrom

5G war erst der Anfang. Jede Kooperation mit China ist den USA zunehmend suspekt.

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Ganz schön clever diese Chinesen. Vereinbaren Forschungskooperationen mit westlichen Forschern, profitieren so von staatlicher Forschungsförderung, und nutzen die dann gewonnenen Geheimnisse direkt aus, um sie in ihre Militärtechnologie zu übernehmen. Wie gut, dass es wachsame Unternehmen gibt, wie zum Beispiel Strider Global Intelligence. Die haben diese bedrohlichen Umtriebe auf dem Gebiet der Quantentechnologie jetzt enthüllt.

Kein Scherz. Die meinen das ernst. In einer stilistischen Mischung aus Business-Buzzwords (proprietäre Algorithmen, maschinelles Lernen, fachliche Expertise) und Versatzstücken des Enthüllungsjournalismus listet der Bericht Forscher auf, die insbesondere an der Universität Heidelberg promoviert oder als Gastwissenschaftler gearbeitet haben. Denn am dortigen Physikalischen Institut leitet Jian-Wei Pan sogar eine Arbeitsgruppe. Die gilt den Strider-Analysten als "Ausgangspunkt, um Zugang zum Ökosystem der europäischen Grundlagenforschung und Forschungsförderung" zu bekommen.

Wem das jetzt nichts sagt: Jian-Wei Pan ist nicht irgendwer. Der Mann gilt als treibende Kraft hinter der chinesischen Quantentechnologie und als einer der Initiatoren des Micius-Projektes, bei dem die Chinesen weltweit als erste eine quantenkryptografische Verbindung über einen Satelliten aufgebaut haben.

Laut Strider ist genau das aber das Problem: Die abhörsicheren Quanten-Verbindungen dienen dem chinesischen Militär. Außerdem sollen Pan und seine Leute, entgegen seiner Versicherungen in weitere militärische Forschungsprojekte eingebunden sein, wie zum Beispiel die Entwicklung eines Quantenradars zum Aufspüren von Tarnkappenbombern und ultra-empfindliche Quantensensoren für die Navigation von Atom-U-Booten.

Wer das nun alles für schlechte PR eines Unternehmens hält, das sich auf diese Weise dringend für neue Regierungsaufträge empfehlen will, der irrt. Was Strider da auflistet, ist zwar weder neu, noch exklusiv oder gar brisant - ob beispielsweise solch ein Quantenradar wirklich existiert, wird von Fachleuten erheblich bezweifelt. Es liegt aber auf einer politischen Linie, die immer deutlicher wird. Erst kürzlich ist ein ganz ähnlicher Bericht an den US-Senat veröffentlicht worden.

Und diese politische Linie lautet: Den Chinesen ist nicht zu trauen. Kooperation mit ihnen - und sei es auch nur in der Grundlagenforschung - ist grundsätzlich verdächtig. Damit gerät, nach der Telekommunikation (5G) nun die Physik, und hier erstmals sehr grundlegende Forschung, in den Fokus einer geostrategischen Auseinandersetzung. Und das wo ohnehin schon die Gefahr besteht, dass große US-Firmen die Forschung zur Quantentechnologie quasi privatisieren, wie drei prominente russische Forscher erst kürzlich in einem Kommentar in Nature gewarnt haben.

Der Strider-Report ist da wahrscheinlich nur zum Aufwärmen. Europäische Forscher werden sich sehr wahrscheinlich schon bald entscheiden müssen, mit wem sie zusammen arbeiten: Mit Amerikanern oder Chinesen? Mit beiden wird dann nicht mehr gehen.

Das wird der Grundlagenforschung - und damit auch der Entwicklung neuer Technologien - nicht gut tun. Und es ist dumm und kurzsichtig, weil die beste Versicherung gegen den Missbrauch von Forschung Offenheit und Kooperation ist. Vielleicht verstehen das wenigstens einige Politiker in Europa. Was die USA angeht, bin ich eher pessimistisch.

(wst)