Angetestet: AMDs Spielergrafikkarte Radeon RX 5600 XT

Eigentlich angetreten, um die GeForce GTX 1660 Ti zu bedrängen, setzt die Radeon RX 5600 XT noch deutlich stärkere Karten unter Druck — auch im eigenen Hause.

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Angetestet: Radeon RX 5600 XT
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Benjamin Kraft
Inhaltsverzeichnis

In AMDs Navi-Portfolio klafft zwischen der Radeon RX 5500 XT und der RX 5700 eine Lücke, die bislang noch die Nachhut der Polaris- und Vega-Generationen füllen. Nun tritt die Radeon RX 5600 XT an, um auch im Preisbereich um die 300 Euro auf die aktuelle RDNA-Architektur und 7-nm-Fertigung umzustellen.

2304 Shader, 144 Textureinheiten und 64 Rastereinheiten — das klingt zunächst nach einem Klon der Radeon RX 5700 und nicht nach einem eigenen Chip. Tatsächlich kommt auch auf der RX 5600 XT die in 7 Nanometer Strukturbreite gefertigte Navi-10-GPU fast unverändert zum Einsatz, weshalb auch die anderen Navi-Fähigkeiten wie DP 1.4, HDMI 2.0, 8K mit 60 Hz sowie der neue Video-Decoder an Bord sind.

Nur das Speicherinterface hat AMD von 256 auf 192 Bit getrimmt, sodass 6 statt 8 GByte GDDR6-Speicher zum Einsatz kommen. Das reicht aktuell noch für Full HD und WQHD (2560 x 1440 Pixel) aus. Mit 8 GByte wäre die Karte jedoch besser für künftige Anforderungen gerüstet. Der Speicherdurchsatz ist zudem mit 336 GByte/s 25 Prozent niedriger als bei der RX 5700 und liegt exakt auf dem Niveau von Nvidias GeForce GTX 2060.

Obwohl AMD in den Präsentationsfolien die GTX-1660-Familie als direkten Gegner nannte oder Vergleiche mit der seligen GTX 1060 anstellte, scheint man sich kurz vor dem Launch noch anders entschieden und doch die RTX 2060 als neuen Gegenspieler auserkoren zu haben. So erhielten wir während des Testzeitraums neue Firmware für unsere von AMD zur Verfügung gestellte Testkarte, eine Sapphire Pulse Radeon RX 5600 XT.

Das Update hob nicht nur den durchschnittlichen Takt in 3D-Spielen (Game Clock) von 1375 auf 1615 MHz und den Boost-Takt ebenfalls deutlich von 1560 auf 1750 MHz an, sondern erhöhte auch den Speichertakt von 1500 auf 1750 MHz. Außerdem erlaubte AMD es Sapphire, das Power-Limit von 150 auf 160 Watt im Performance-BIOS zu lockern. Käufer der ersten Kartencharge sollten also bei Sapphire die neue Firmware herunterladen und ihre Karte damit versorgen. AMDs offizielle Referenzangaben liegen allerdings immer noch bei 1130 / 1375 / 1560 MHz (Basistakt / Game-Clock / Boost-Clock) — Referenzkarten soll es allerdings nicht im Einzelhandel geben.

Mit dem Taktschub im Rücken nahm die Radeon RX 5600 XT in unseren Benchmarks die GeForce RTX 2060 in den Schwitzkasten — bedrängte aber auch die eigene große Schwester RX 5700. Im 3DMark Fire Strike Extreme erzielte die neue Radeon mit Performance-BIOS 9262 Punkte und lag damit in etwa zwischen der GeForce RTX 2060 (8744 Punkte) und der Radeon RX 5700 (10.598 Punkte). Allein im Luxmark, der die Compute-Fähigkeiten der GPUs auslotet, fiel die RX 5600 XT deutlich hinter die anderen beiden Karten zurück.

In Spielen fiel der Rückstand zur RX 5700 geringer aus. Mit Full HD lagen die beiden Radeons und die GeForce RTX 2060 in Far Cry 5 im Ultra-Preset und HD-Texturen gleichauf, in WQHD lag die RX 5700 nur 6 fps vor der 5600 XT, die ihrerseits 4 fps schneller als die RTX 2060 war. In anderen Spielen wie Shadow of the Tomb Raider und Metro Exodus bot sich ein ähnliches Bild. Für 4K mit hohen Detils sind die Karten allesamt zu langsam. Diesen und weitere Benchmarks finden Sie in c’t 04/2020.

Bei einem schnellen Linux-Kompatibilitätstest funktionierte die Karte weder mit Ubuntu 19.10 noch mit Fedora 31, obwohl beide die eng verwandte RX 5700 von Haus aus unterstützen. Testweise versorgten wir Fedora daher mit einer Vorabversion des Linux-Kernel 5.5 und einem frischeren Firmware-Paket. Daraufhin lief die RX 5600 XT und bot auch 3D-Beschleunigung.

Performance-Messungen: AMD Radeon RX 5600 XT und ihre Konkurrenten
3DMark Far Cry 5
(DirectX 11)
Metro Exodus
(DirectX 12)
Grafikkarte Time Spy (DirectX 12)
[Punkte]
Firestrike Extreme (DirectX 11)
[Punkte]
Preset "Ultra", SMAA, HD-Texturen
(WQHD / Full HD) [fps]
Preset "Ultra", 16 × AF
(WQHD / Full HD) [fps]
AMD Radeon RX Vega 56 (Referenz) 6366 8619 74 / 102 40 / 50
Sapphire Pulse Radeon RX 5600 XT (Performance) 7647 9889 85 / 111 46 / 57
Sapphire Pulse Radeon RX 5600 XT (Silent) 7207 9262 80 / 108 43 / 54
AMD Radeon RX 5700 (Referenz) 8093 10598
91 / 111 49 / 61
Gainward GeForce GTX 1070 Phoenix GS 6701 8851
71 / 102 34 / 49
Nvidia GeForce RTX 2060 FE 7534 8744 81 / 109 42 / 54
Testsystem: Intel Core i7-8700K (OC 4,7 GHz), 32 GByte DDR4-RAM, Windows 10 (1909) 64 Bit, V-Sync aus; Grafiktreiber: AMD Adrenalin Edition 18.8.1; 18.9.1; 19.3.1; 19.7.1; 19.12.2 , 20.1.1; Nvidia GeForce 398.36; 399.42; 411.63, 411.70; 416.34; 419.17; 419.67; 430.86; 431.36; 441.66; SMAA: Kantenglättungsverfahren

Bei der Leistungsaufnahme hat AMD mit der RX-5000-Serie große Fortschritte gemacht. Zeigte unser Testsystem den ruhenden Windows-Desktop, maßen wir eine Leistungsaufnahme von etwa 10 Watt, mit einem 4K-Display ein Watt mehr. In Spielen forderte die Karte mit Performance-BIOS rund 170 Watt, in Furmark 190 und in kurzzeitigen Spitzen bis zu 233 Watt. Mit Silent-BIOS waren es im Mittel etwa 20 Watt weniger, im Furmark 30 Watt. Zum Vergleich: Die Radeon RX 5700 von Sapphire braucht in 3D-Spielen 186 Watt, Nvidias GeForce RTX 2060 Founders Edition 160 Watt.

Außerdem bliebt die Sapphire-Karte durchweg sehr leise. Selbst mit Furmark unter maximalen Stress gesetzt, maßen wir durchschnittlich nur 0,3 Sone — ein sehr guter Wert. Selten zirpte die Karte zurückhaltend, wenn sie ein beispielsweise ein Spiele-Menü zeigte. Um das zu hören, muss man allerdings mit dem dicht Ohr ans Gehäuse gehen oder mit abgenommener Seitenwand spielen.

AMD ist mit der 300 Euro teuren Radeon RX 5600 XT eine starke Karte geglückt, die auch teurere Gegenspieler unter Druck setzt und in der Variante von Sapphire sehr leise bleibt. Allerdings bringt sie das bisherige Preisgefüge durcheinander, denn für die praktisch gleich schnelle, aber mit vergleichbar leisem Kühler mindestens 40 Euro teurere RX 5700 spricht nun nur noch der größere Speicher.

Nvidia scheint indes geahnt zu haben, was AMD vorbereitet: Erste Hersteller bieten inzwischen die GeForce RTX 2060 für rund 300 Euro an, wenngleich mit weniger ausgefeiltem und lauterem Kühler. Die eigene RTX 2060 Founders Edition bietet Nvidia derweil im Webshop für 320 Euro an — vor wenigen Tagen waren es noch 50 Euro mehr. Nvidia-Fans dürfen sich über die Preissenkung freuen, doch unterm Strich ist die kleinste RTX-Karte nicht schneller als eine Radeon RX 5600 XT, bietet dafür aber Raytracing-Beschleunigung in Hardware.

AMD Radeon RX 5600 XT: Technische Daten
Modell Radeon RX 5700 Radeon RX 5600 XT¹ Radeon RX 5500 XT GeForce RTX 2060
GPU Navi 10 Navi 10 Navi 14 Turing TU106
Fertigungsprozess 7 nm (TSMC) 7 nm (TSMC) 7 nm (TSMC)
12 nm (TSMC)
Shader-Cores / TMUs / ROPs / Tensor- / RT-Cores 2304 / 144 / 64 / - / - 2304 / 144 / 64 / - / - 1408 / 88 / 32 / - / - 1920 / 144 / 48 / 240 / 30
GPU-Takt (Basis / Game / Boost) 1425 / 1625 / 1725 MHz 1130 / 1375 / 1560 MHz
(1420 / 1615 / 1750 MHz)¹
1607 / 1717 / 1845 MHz 1365 / - / 1680
theoretische Rechenleistung SP² / DP 7,95 TFLOPS / 496,8 GFLOPS 7,2 TFLOPS / 449,2 GFLOPS
(8,06 TFLOPs / 504 GFLOPS)¹
5,2 TFLOPS / 324,7 GFLOPS 6,45 TFLOPS / 202 GFLOPS
Speichermenge 8 GByte GDDR6 6 GByte GDDR6 4 / 8 GByte GDDR6 6 GByte GDDR6
Speicher-Interface 256 Bit 192 Bit 128 Bit 192 Bit
Speichertakt / -durchsatz 14 Gbps / 448 GByte/s 12 Gbps / 288 GByte/s
(14 Gbps / 336 GByte/s)¹
14 Gbps / 224 GByte/s 14 Gbps / 336 GByte/s
Total Board Power (TBP) 180 Watt 160 Watt 130 Watt 160 Watt
¹ In Form der Sapphire Radeon Pulse RX 5600 XT ² bezogen auf Boost Takt

(bkr)