Star Trek: Picard: Der alte Mann und die KI

Endlich Schluss mit den Prequels: Mit Star Trek: Picard erfahren wir, wie es mit der Sternenflotte weitergeht. Eine Rezension.

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Star Trek Picard: Der alte Mann und die KI

Er ist wieder da und diesmal spricht er sogar französisch: Ex-Sternenflotten-Kapitän und Winzer Jean-Luc Picard

(Bild: CBS Television Studios / Roddenberry Entertainment)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Fabian A. Scherschel
Inhaltsverzeichnis

Auf Amazon Prime Video ist die zweite Star-Trek-Serie der Streaming-Ära angelaufen: In Star Trek: Picard stellt sich ein alternder Captain seiner Vergangenheit. Ab dieser Woche gibt es jeden Freitag, einen Tag nach der Veröffentlichung durch CBS All Access in den USA, auf Prime Video eine neue der insgesamt zehn Folgen der ersten Staffel. Mit der neuen Serie erfüllen die Produzenten rund um den Star-Trek-Erben Rod Rodenberry und Hauptdarsteller Patrick Stewart vielen Trek-Fans einen lang ersehnten Wunsch – eine Storyline, die endlich die Geschichte des Next-Generation-Zeitalters weitererzählt.

Hinweis: Diese Rezension enthält einige kleinere Spoiler für die erste Folge der ersten Staffel von Star Trek: Picard.

Picard spielt achtzehn Jahre nach den Ereignissen des letzten Next-Generation-Kinofilms Star Trek Nemesis von 2002. Thematisch knüpft die Serie allerdings direkt an die Filme an und bedient sich auch optisch und erzählerisch, ähnlich wie Star Trek Discovery, eher an den Kinofilmen der TNG-Ära als an vorangegangenen Star-Trek-Serien. Und im Gegensatz zu Discovery gibt es bei Picard nicht mal ein Raumschiff, an das sich der nostalgische Trekkie klammern kann. So gut wie die ganze erste Folge der Serie spielt auf der Erde.

Soweit man aus einer Folge auf den Plot der neuen Serie schließen kann, macht diese einen Schritt in eine durchaus vorhersehbare Richtung. Captain Jean-Luc Picard muss sich nämlich nicht nur mit dem Tod seines Freundes und ehemaligen zweiten Offiziers Commander Data auseinandersetzen, sondern auch mit der zentralen Frage, die dessen Figur im Star-Trek-Universum stets aufgeworfen hat, die aber nie beantwortet wurde. Der Frage nach der inhärenten Gefahr von künstlicher Intelligenz für dessen Schöpfer. Zwar wurde diese Idee immer wieder in vielen Star-Trek-Serien am Rande angesprochen – meist mit indirekten Zitaten früherer Science-Fiction-Werke von Autoren wie Frank Herbert, Isaac Asimov und Philip K. Dick – aber das Paradoxon, dass der künstliche Übermensch Data für die Crew der Enterprise, oder gar die ganze Föderation zur Gefahr werden könnte, wurde nie direkt aufgelöst.

Trotz aller Änderungen ändern sich manche Dinge nie: Picard beim Pokern

(Bild: CBS Television Studios / Roddenberry Entertainment)

Ohne zu viel von der Handlung der ersten Picard-Folge verraten zu wollen: Die Serie scheint genau diese Frage angehen zu wollen. Und dabei wird es wohl auch kein Zufall sein, dass es sich in der letzten Staffel von Star Trek Discovery herausgestellt hat, dass der große Gegner der Föderation eine KI aus der Zukunft ist. Passenderweise ist dann auch bei Star Trek Picard von künstlichen Lebensformen die Rede, die eine so große Gefahr für die Föderation darstellen, dass diese sämtliche KI-Forschung verboten hat. Da beide Serien hinter den Kulissen zu großen Teilen vom selben Team umgesetzt werden, kann man davon ausgehen, dass hier zumindest angedeutet werden soll, dass ein Zusammenhang besteht.

Schauspielerisch lebt die erste Folge von Star Trek Picard, wie sollte es auch anders sein, von Patrick Stewart. Und natürlich von seiner Bulldogge Nummer Eins, die mehr als einmal die Show stiehlt. Der Gastauftritt von Brent Spiner als Commander Data ist nett, leider ist dieser vor lauter CGI-Effekte aber nur an der unverwechselbaren Stimme zu erkennen. Stewart hingegen scheint ganz in seinem Element zu sein und spielt gewohnt souverän. An seiner Seite macht aber auch Newcomerin Isa Briones eine erstaunlich gute Figur, obwohl sie gerade mal drei Jahre alt war, als Stewart das letzte Mal eine Sternenflottenuniform an hatte.

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Randnotiz für Trek-Fans: Star Trek Picard verbindet übrigens die Realitäten der primären Star-Trek-Timeline mit der Kelvin-Timeline aus den Spin-Off-Kinofilmen von J.J. Abrams. Diese beginnen nämlich damit, dass Botschafter Spock in die Vergangenheit und damit in eine andere Zeitlinie reist. Und er kommt dabei, genau wie Nero und seine rachsüchtigen Romulaner-Freunde aus einer Zeitlinie, in der die Sonne der Planeten Romulus und Remus zur Nova wurde. Und genau diese Supernova ist es, zu dessen Jahrestag Picard zu Anfang der neuen Serie interviewed wird.

Das Ganze ist kein Zufall, den Alex Kurtzman, der Star Trek Picard mit erschaffen hat, war zuvor als Autor bei den ersten beiden Spin-Off-Filmen von Abrams beteiligt. Es spricht also viele dafür, dass Picard in der sogenannten Prime-Timeline spielt (was ja nun auch wieder zur Ausstrahlung auf Amazon Prime passt).

Stewart ist vielleicht auch deswegen so gut, weil er nicht einfach wieder den bekannten Picard aus The Next Generation spielt. Er hatte sich immer wieder beharrlich geweigert, in diese Rolle zurückzukehren. Dass er jetzt doch wieder als Picard vor der Kamera steht, liegt wohl auch daran, dass er sehr viele Bedingungen mit ans Set der Serie gebracht hat. Er wolle keine Enterprise und keine Uniformen in der neuen Serie, sagte er bei der Premiere in Berlin. Kein "make it so" aus dem Kommandosessel. Und das vermutlich nicht nur deshalb, weil er schon zu TNG-Zeiten von den restriktiven Sternenflotten-Uniformen Rückenschmerzen bekam – man erinnere sich noch an die extra für Stewart eingeführte Kapitänsjacke für Außeneinsätze.

Stewart ist und bleibt ein Royal-Shakespeare-Company-erprobter Profilschauspieler. Wenn er sich darauf einlässt, wieder den Franzosen Jean-Luc Picard zu spielen, dann nach seinen eigenen Bedingungen. Und mit Überraschungen. Denn für Star Trek Picard hat Stewart sogar etwas Französisch gelernt. Damals, beim Casting von The Next Generation in den Achtzigern, hatte er sich noch beharrlich geweigert, Jean-Luc zu französisch zu verkörpern oder gar Französisch zu sprechen. Er sei einfach kein Franzose, sagte er damals – daraus entwickelte sich der Running Gag bei TNG, Französisch sei in der Zukunft von Star Trek eine ausgestorbene Sprache.

Isa Briones tritt als Dahj in der Pilotfolge so manchem maskierten Mann in die Weichteile

(Bild: CBS Television Studios / Roddenberry Entertainment)

Er habe sich nur dazu breitschlagen lassen, diese Serie zu machen, weil die Geschichte wirklich außergewöhnlich sei. Und anders als alles, was er je zuvor bei Star Trek gesehen habe, so Stewart. Ob das am Ende den eingefleischten Trek-Fans gefällt, wird sich zeigen müssen. Der Aufhänger mit der Bedrohung durch künstliche Intelligenz ist auf jeden Fall schon mal ein guter, denn er könnte Star Trek zu seinen Wurzeln zurückführen. Star Trek war von allen Science-Fiction-Franchises schon immer dasjenige, welches das Medium dazu benutze, der Gegenwart den Spiegel vorzuhalten. Und wenn es ein Thema gibt, das in der Zukunft zur vielleicht größten Gefahr für die Menschheit werden könnte, dann ist es KI. Dieses Thema ist heute relevanter denn je, stellen wir schließlich als Gesellschaft gerade die Weichen für diese Technik.

Die erste Folge der neuen Serie macht auf jeden Fall Lust auf mehr. Und das liegt natürlich auch zu einem großen Stück an Stewart. Man kann nur hoffen, dass die Serie, für die bereits eine zweite Staffel angekündigt wurde und die laut Stewart erst mal auf drei Staffeln ausgelegt ist, nicht in späteren Folgen mit den Machern durchgeht. Schließlich sah Star Trek Discovery am Anfang auch sehr vielversprechend aus und wurde spätestens mit der zweiten Staffel von ihren eigenen Plot-Löchern gefressen. Am Ende machte die Story dieser Serie etwa so viel Sinn wie das Gebrabbel einer Borg-Drohne, die vom Kollektiv getrennt wurde. Wollen wir hoffen, dass es Star Trek Picard besser ergeht.

Für spätere Folgen angekündigt: Jeri Ryan als Borg-Drohne Seven of Nine

(Bild: CBS Television Studios / Roddenberry Entertainment)

Stewart scheint zuversichtlich. Der dpa sagte er in Berlin über sein Debut als Picard in den Achtzigern: "[Das] änderte alles in meinem Leben – sowohl beruflich wie privat. Nichts blieb davon unberührt. Ich war darauf völlig unvorbereitet. Mein Agent hatte mir gesagt: 'Mach dir keine Sorgen, du kannst eh von Glück sagen, wenn du die erste Staffel überstehst.'" Stattdessen wurde Stewart plötzlich zu einem international berühmten Star und Vorbild für eine ganze Generation heranwachsender Trekkies, nicht zu Letzt für den Autor dieser Rezension. Aber Picard wurde auch zum Vorbild von Stewart: "Ich glaube, ich habe mit den Jahren viel von Picard gelernt. Er ist ein viel besserer, klügerer und netterer Mensch als ich. Ich bin dankbar dafür." Und diese Dankbarkeit merkt man ihm in der neuen Serie an.

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Star Trek: Picard wird in Deutschland exklusiv bei Amazon Prime Video ausgestrahlt. Neue Folgen gibt es immer Freitags. Für zukünftige Folgen sind Jonathan Frakes (der auch Regie führt), Jeri Ryan und Marina Sirtis als Gaststars angekündigt. (fab)