Raumfahrt-Rakete landet auf einem Gebäude

Eine chinesische Weltraumrakete hat einen dramatischen Absturz erlebt.

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Raumfahrt-Rakete landet auf einem Gebäude

(Bild: Weibo)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Neel V. Patel

Als China am 23. November 2019 vom Xichang Satellite Launch Center aus eine Trägerrakete mit zwei Satelliten in die Umlaufbahn schoss, hatte das auf der Erde unerwünschte Auswirkungen: Eine abgesprengte Booster-Rakete schlug in der ländlichen Region im Süden des Landes in ein Gebäude ein und zerstörte es vollständig. Zwar wurde niemand verletzt, aber Videos und Fotos des Vorfalls zeigten die Haus- und Raketentrümmer sowie gelben Rauch vom Verdampfen des giftigen Raketentreibstoffs.

Dies ist nur der jüngste Vorfall in der langen Geschichte herabfallender chinesischer Raketenteile. Der bekannteste Absturz ereignete sich 1996: Die erste „Long March 3B“-Trägerrakete, die den Kommunikationssatelliten Intelsat 708 im Gepäck hatte, wich nach dem Abschuss vom vertikalen Kurs ab, flog 22 Sekunden lang horizontal und stürzte schließlich auf ein Dorf. Nach offiziellen Angaben starben sechs Menschen. Nach Schätzungen westlicher Medien, die sich auf eine Video-Aufnahme stützten, ­waren es allerdings möglicherweise Hunderte.

„Jedes Mal, wenn etwas nach oben geht, besteht die Möglichkeit, dass es an einer Stelle runterkommt, wo es nicht geplant war“, sagt Victoria Samson von der Secure World Foundation. „Es gibt also einen Grund dafür, Raketen nicht über besiedelten Gebieten abzuschießen.“ Deshalb finden die meisten Trägerraketenstarts am Wasser statt.

Warum nicht auch in China? „Das ist geografisch bedingt“, sagt Thomas Roberts, ehemaliger Stipendiat für Luft- und Raumfahrtsicherheit am Center for Strategic and International Studies in Washington D.C. Die drei wichtigsten chinesischen Weltraumhäfen befinden sich auf dem Festland, einschließlich des Standorts Xichang. Sie alle versuchen Geld zu sparen, indem sie ihre Missionen nach Osten – in Richtung der Erdrotation – fliegen lassen, weil die Raketen das All dann mit weniger Treibstoffverbrauch erreichen können. Allerdings führen diese Routen über besiedeltes Gebiet.

China verteilt vorab zwar Evakuierungsankündigungen an Gemeinden, die unter der Flugbahn liegen. Aber selbst wenn niemand durch einen Absturz oder direkten Kontakt mit dem giftigen Raketentreibstoff verletzt oder getötet wird, können die Wracks nahe gelegene Flüsse und Bäche verschmutzen, die für die Bewässerung der Felder und die Trinkwassergewinnung genutzt werden.

Dabei gäbe es durchaus Alternativen: So könnte China etwa von seinem Weltraumhafen auf der Insel Hainan im Südchinesischen Meer seine Satellitentransporte über Wasser starten. Dieser ist seit 2014 in Betrieb, wird aber wegen fehlgeschlagener Abschüsse und einer wenig entwickelten Infrastruktur nur selten genutzt. Zusätzlich könnten bereits in den 50er-Jahren in der dama­ligen Sowjetunion entwickelte Gitterflossen am Raketenkörper für eine bessere Manövrierfähigkeit und stabi­lere Flugbahnen sorgen.

China testete sie erstmals im Juli 2019. Darüber hinaus ließen sich mit Parafoils versehene Raketenteile nach dem Absprengen leichter in unbewohnte Gebiete umleiten. Parafoils sind Aluminiumfolien, die wie Flächen- oder Gleitfallschirme funktionieren und etwa von SpaceX ­genutzt werden.

Ob künftig auch China auf diese Möglichkeiten zurückgreift, dürfte nicht zuletzt davon abhängen, wie groß der Druck in den sozialen Medien wird. Auf Weibo und Twitter veröffentlichte Fotos und Videos sorgten für eine virale Verbreitung des jüngsten Absturzes und verliehen den armen Opfern, die selten gesehen oder gehört werden, eine ­Stimme.

(bsc)