Windkraftanlagen-Monitoring: Überzug mit Gedächtnis

Wenn ein Windrad durch Hagel beschädigt wird, sind die Einschlagspuren oft nicht zu finden. Belgische Forscher haben nun ein Material entwickelt, das Defekte "speichert".

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Überzug mit Gedächtnis

(Bild: Photo by Jason Blackeye on Unsplash)

Lesezeit: 3 Min.
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Oberflächen, die der Natur ausgesetzt sind, müssen regelmäßig gewartet werden, denn physische Beeinträchtigungen sind jederzeit möglich. Bei schwerem Hagel oder Vogeleinschlägen können Flugzeuge, Windräder oder Solarmodule beispielsweise unsichtbare Schäden davontragen, die deren Leistungsfähigkeit beeinträchtigen oder sogar sicherheitsrelevante Folgen haben können.

Forscher der Universität im belgischen Gent (UGent) in der Region Flandern haben nun eine Beschichtung entwickelt, die kritische Belastungen bis zu drei Tage nach solchen Beschädigungen sichtbar machen kann, um sie überprüfen und beheben zu können, bevor es zu Unglücken kommt.

Der Prozess ist reversibel.

(Bild: Ghent University)

"Echter mechanischer Stress auf Materialien oder Strukturen während ihrer Lebensdauer lassen sich oft nur schwer messen. Die Auswirkungen sind grundsätzlich nicht direkt erkennbar oder erst zu spät", schreibt die Wissenschaftlergruppe. Nichtdestruktive Messmethoden eigneten sich derzeit nicht für ein dauerhaftes Monitoring.

Die Beschichtung der UGent-Forscher arbeitet mit schon länger existierenden "mechanolumineszierenden" Materialien, die Licht aussenden können, wenn sie Druck ausgesetzt oder verformt werden. Allerdings hält dieser Effekt normalerweise nur so lange an, wie die Belastung besteht – eine spätere Messung ist somit nicht mehr möglich. Der LumiLab-Gruppe am Department of Solid State Sciences der UGent ist es nun erstmals gelungen, das Material so zu verändern, dass es die Information über ­einen Einschlag bis zu mehrere Tage lang "speichert".

Experiment im Labor.

(Bild: Ghent University)

Dazu haben sie es in Polymer­platten eingearbeitet. Diese haben winzige Defekte im Molekülaufbau, die als Elektronenfallen dienen. Bei ­einem Einschlag speichern diese Fallen – die vergleichsweise stabil sind – einen Teil des Lichts – und geben es erst wieder ab, wenn ein Infrarotlaser die Oberfläche aktiviert. Die Einschlagstelle leuchtet dann auf.

Derzeit ist das Material noch nicht sensibel genug für die Praxis. Später einmal könnte es überall dort verwendet werden, wo sich Oberflächen nicht laufend überwachen lassen – etwa Gebäudeinfrastrukturen oder Fahrzeuge. Denkbar wäre auch, dass es zu unterschiedlichen Reaktionen auf Wärme oder andere Lichtarten kommt, denen das Material ausgesetzt wird. Mechanolumineszenz ist nicht der einzige ausnutzbare Effekt. Anwendungen seien auch in der Biomedizin denkbar, so die Forscher. Ihre Idee haben sie "Druckgedächtnis" – auf Englisch "Pressure Memory" oder auch P-MEM – genannt.

Windräder könnten ein ideales Anwendungsfeld sein.

(Bild: Photo by Jason Blackeye on Unsplash)

Als weiterer Vorteil ist die mechanische Überprüfung und Erfassung von Beschädigungen wiederholbar, wie die UGent-Forscher am Beispiel von Windkraftanlagen vorgeschlagen haben. Das Endprodukt arbeite wie piezoelektrische Systeme, erlaube aber eine visuelle Erkennung in Echtzeit über große Oberflächenbereiche und benötige keinen Strom. Das "Auslesen" erfolgt dabei kontaktlos und kann keine weiteren Beschädigungen hervorrufen.

(bsc)