Vom Jenseits in die VR und ins TV-Programm

Das verstorbene Kind dank VR noch einmal in die Arme nehmen: Ob das wirklich bei der Verarbeitung des Verlusts hilft?

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Es sieht wirklich sehr skurril aus, wie sich die Koreanerin Jang Ji-sung da vor dem Green Screen bewegt. Mit einem VR-Headset, Sensorhandschuhen und verkabelt, tastet sie nach unten streichelt etwas – beziehungsweise jemanden. Denn in der virtuellen Realität, die die Mutter vor ihren Augen sieht, begegnet sie in dem Moment ihrer siebenjährigen Tochter Nayeon, die drei Jahre zuvor an einer Krankheit gestorben war.

Das Treffen ist Teil der Sendung "Meeting You", die vom TV-Sender Munhwa Broadcasting Corporation (MBC) produziert wird. Virtual-Reality-Experten/innen hatten dafür in achtmonatiger Entwicklungsarbeit anhand von Fotos und Videos das VR-Modell des jungen Mädchens erstellt – mitsamt der Stimme. In der VR-Umgebung findet das Treffen auf einem Spielplatz statt und die beiden feiern nach einem ersten Gegenüberstehen den Geburtstags des Kindes.

Man kann sich leicht vorstellen, dass das für die Mutter, beziehungsweise die Eltern höchst emotional ist. Das zehnminütige Video zeigt, wie aufgelöst die Koreanerin ist. Sie berührt ihr Kind mit den Handschuhen und versucht, sie immer wieder zu umarmen. Doch das ist natürlich vergebens. Sie habe sich auf die Begegnung eingelassen, um anderen Menschen zu helfen, die ebenso den Tod einer nahestehenden Person verarbeiten müssen, begründet die Mutter die Teilnahme an der Sendung. Die VIVE Studios, die das VR-Projekt in Seoul leiteten, sagten gegenüber der New YorkTimes: "Wir haben uns entschieden, daran teilzunehmen, um zu sehen, ob Technologie trostspendend und herzerwärmend sein kann, wenn sie für den Menschen eingesetzt wird."

Da Trauerprozesse bei jedem anders verlaufen, ist – zumal aus der Ferne – schwer abzuschätzen, ob das Zusammensein für Jang Ji-sung mit ihrer Tochter hilfreich war und beim Abschied nehmen geholfen hat. In jedem Fall ist die Begegnung ein sehr intimer Moment, der damit vom Sender ausgenutzt und zu Unterhaltungszwecken inszeniert wurde. Während Psychotherapeuten wie beispielsweise die Wienerin Martina Weissenböck sich gegenüber dem Standard eher verhalten gegenüber derlei Bemühungen zeigt, arbeiten andere Unternehmen beständig daran, Menschen digital unsterblich zu machen und sie als Avatare oder Chatbots wieder zum Leben zu erwecken.

(jle)