Der Chatbot des Vertrauens

Wer an seiner Arbeitsstelle Probleme mit Belästigung durch Kollegen oder Chefs hat, soll Beschwerden künftig nicht mehr an die Personalabteilung durchgeben müssen. Ein neutraler Algorithmus soll helfen.

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Ein Chatbot gegen sexuelle Belästigung

Das Gründerteam von Spot.

(Bild: Spot)

Lesezeit: 3 Min.
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Auch nach der #MeToo-Debatte fällt es Opfern von sexueller Gewalt, Belästigung und Verfolgung noch immer schwer, Täter zu melden – sei es bei der Polizei oder beim Arbeitgeber. Ein internationales Start-up mit Sitz in San Francisco, Berlin und London hat nun eine Alternative entwickelt: Kollege Computer übernimmt.

Die Software hört auf den Namen Spot und ist ein neutraler Chatbot, den Betroffene nutzen können, ohne dass sie sich zunächst in eine womöglich schambehaftete Gesprächssituation mit einem echten Menschen begeben müssen.

Das Produkt, das aus dem KI-Unternehmerlabor All Turtles stammt, wenden sich zunächst an Personalabteilungen, die es ihren Mitarbeitern anbieten können. Die Web-Anwendung ist für verschiedene Branchen spezifiziert und kann jederzeit von Mitarbeitenden in Anspruch genommen werden. Den Usern erlaubt Spot, unerwünschtes Verhalten falls notwendig auch anonym zu dokumentieren. Personalern soll das System ermöglichen, auf Meldungen innerhalb von zehn Geschäftstagen zu reagieren, was im Unternehmen einen Geist der Verantwortlichkeit erzeugen soll.

Spot setzt intern auf maschinelles Lernen und KI-Algorithmen. Das Start-up hat dazu "best practices" aus Unternehmen gesammelt. Der Frageablauf ist so gewählt, dass Nutzer Belästigung klar erinnern und erfassen können. Auch soll es möglich sein, Fälle von Diskriminierung direkt an Spot zu melden. Der Ansatz sei "evidenzbasiert", so Gründerin Julia Shaw. "Spot platziert eine Firma in der bestmöglichen Position, eine gesunde Arbeitskultur zu entwickeln."

Das System bietet dazu zunächst verschiedene Auswahlmöglichkeiten. So kann man selektieren, ob man sich "korrigierende Maßnahmen" wünscht, illegales Verhalten direkt melden oder sich darüber informieren, was überhaupt Unternehmenspolitik ist. Geht es um Belästigung und Diskriminierung, lässt sich nach einem einfachen Frage- und Antwortdialog ein mit Zeitstempel versehener PDF-Report erstellen, der dem Mitarbeiter zur Verfügung steht.

Der Chatbot kann aber noch mehr: Spot stellt sich auch Anwendungen beim Whistleblowing oder bei der Dokumentation von Verstößen gegen die Corporate Governance vor. Auch denkbar ist es, dass unpassendes Verhalten eines Mitarbeiters durch einen Vorgesetzten gemeldet wird, beispielsweise unangemeldete Fehlzeiten. Auch dies landet dann automatisiert auf dem Tisch der Personalabteilung.

Spot ist seit 2018 online. In den ersten drei Wochen nach dem Start hätten bereits 220 Personen mit Spot über ihre Erfahrungen gesprochen, so die Firma. Das zeigt: Mitarbeitende sind offenbar besser in der Lage, mit einem Computer zu sprechen, als mit echten Personalern. Zumindest hofft man das bei Spot.

(bsc)