Kuratierte News: "Ein schmaler Grat"

Der Journalist Dario Nassal will mit seinem Kollegen Felix Friedrich mit der App "Buzzard" einen Gegenpol zu automatisierten Newsfeeds bilden.

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Kuratierte News: "Ein schmaler Grat"

(Bild: metamorworks/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.

Die Idee hinter der im April verfügbaren App Buzzard: Von einer Redaktion kuratierte Leseempfehlungen quer durch die Medienlandschaft sollen bei tagesaktuellen Debatten aus der Filterblase heraushelfen. Warum das nicht ganz einfach ist, erklärt Dario Nassal im Interview.

Per Crowdfunding konnten Sie Ende vergangenen Jahres 173.000 Euro einsammeln. Was können Sie damit auf die Beine stellen?

Nassal: Neben Felix Friedrich und mir können wir sechs Teilzeitstellen in der Redaktion schaffen. Außerdem haben wir Budget für Webentwicklung und Marketing. Damit wird es uns zum ersten Mal seit Gründung möglich, eine professionell arbeitende Tagesredaktion einzurichten, die helfen kann, tagesaktuell Politik und Nachrichtengeschehen zu verfolgen und tägliche Ausgaben herauszubringen.

Wie sollen diese Ausgaben aussehen?

Dario Nassal

(Bild: Privat)

Durch Prototypen-Tests und Befragungen hat sich gezeigt, dass es für die User wichtig ist, dass es nicht unendlich viel Content gibt. Daher wollen wir ein Modell realisieren, das einmal am Tag erscheint, zum Feierabend. Dort werden kompakt zu drei bis fünf Themen des Tages verschiedene Perspektiven aus der Medienlandschaft im Überblick gezeigt. Wir nennen es "Ausgabe", weil die Beiträge von unserer Redaktion kuratiert sind, also nicht von einem Algorithmus, etwa anhand von Lesepräferenzen wie Likes, und weil wir Kurzzusammenfassungen samt Einordnung dazuschreiben. Buzzard ist also mehr als ein Newsaggregator. Es ist ein moderner, kompakter Newsservice, um Lesern einen möglichst breiten Überblick über die Medienlandschaft zu geben.

Sie haben dabei allerdings auch rechtsextremen Quellen eine Plattform geboten. So erhielt zum Beispiel zu der Debatten-Frage "Wäre Marine Le Pen eine gute französische Präsidentin?" ein Beitrag vom rechtsradikalen Blog PI News einen grünen "Pro"-Rahmen, da sein Fazit positiv für für Marine Le Pen ausfiel.



Der Prototyp, der kritisiert wurde, entstand vor zweieinhalb Jahren. Damals haben wir Newsletter zu verschiedenen wochenaktuellen Debatten bestückt: etwa Migration, Digitalisierung, aber auch Nachhaltigkeit wie etwa "Was können wir gegen den Plastikmüll in den Ozeanen machen?". In manchen Debatten haben wir versucht, polarisierende Themen anzugehen und haben mitunter auch Extrempositionen von sehr rechten und sehr linken Blogs verlinkt. Damit wollten wir zeigen, wie Menschen in diesen Filterblasen denken. Das Problem, weswegen wir zurecht kritisiert wurden, ist, dass wir zum Teil die Einordnung nicht deutlich genug gemacht haben und dass wir stellenweise Quellen dabei hatten, zum Beispiel PI News, die bekannt dafür sind, unseriös zu arbeiten und die wir gar nicht erst in Debatten mitaufnehmen hätten sollen, weil sie zu recht als gefährlich gelten.

Was haben Sie für Buzzard aus dieser Kritik mitgenommen?


Wie schmal der Grat ist einerseits zwischen dem Ansatz, Filterblasen aufbrechen zu wollen und andererseits gefährlichen Leuten keine Legitimation zu verschaffen. Daher ist es extrem wichtig, rote Linien im Diskurs zu definieren.


Wie sollen die aussehen?


Wir werden gemeinsam mit dem journalistischen Beirat rote Linien definieren für Quellen, die demokratiefeindliche und verschwörungstheoretische Inhalte veröffentlichen. Zusätzlich werden wir die Auswahlkriterien für Perspektiven und Themen transparent einsehbar machen und eine Positivliste an Quellen erarbeiten, die auf Buzzard stattfinden können.


Haben Sie sich die Umsetzung einfacher vorgestellt?


Ja, auf jeden Fall. Jetzt, da eine größere Öffentlichkeit auf uns schaut als zum Start des Prototypen und die Debatten zwischen den verschiedenen Lagern der Gesellschaft verbitterter geführt werden, müssen wir noch genauer abwägen, wie wir es schaffen, den ganzen gesellschaftlichen Diskurs abzubilden und Filterblasen aufzubrechen. Es wird weiterhin Leute geben, die es nicht gut finden, dass auch Stimmen auf der Plattform Platz finden, die sie selbst nicht gut finden. Aber wir hoffen mit Buzzard eine Lösung zu finden, die die Gesellschaft zusammenbringt und nicht spaltet.

(jle)