Assange-Auslieferung: Ist Wikileaks politisch?

In London wird weiter über die Auslieferung von Julian Assange verhandelt. Am Ende des dritten Tages kam es zum Streit: Darf Assange bei den Anwälten sitzen?

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Assange-Auslieferung: Ist Wikileaks politisch?

(Bild: Londisland/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers

In der Verhandlung über ein Auslieferungsbegehren der US-Regierung für den in Großbritannien inhaftierten Whistleblower Julian Assange hat die Verteidigung die Taten des Wikileaks-Gründers am Mittwoch als politisch motiviert dargestellt. Damit sehen Assanges Anwälte ihren Mandanten von Artikel 4 der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützt, der die Auslieferung eines Menschen für politisch motivierte Taten untersagt, die in einem anderen Land unter Strafandrohung stehen. Die US-Vertreter wiesen das zurück.

Assanges Prozessvertreter Edward Fitzgerald erklärte am dritten Verhandlungstag, die von den US-Anklägern erhobenen Vorwürfe der Verstöße gegen den Espionage Act seien klar als politisch motivierte Vergehen aufzufassen, für die Assange nicht ausgeliefert werden dürfe. In diesem Zusammenhang führte Fitzgerald einige historische Beispiele. Außerdem verwies er auf das Auslieferungsabkommen zwischen Großbritannien und den USA von 2007, demzufolge eine "Auslieferung nicht gewährt werden soll, wenn das Vergehen, wegen dem die Auslieferung beantragt wird, ein politisches Vergehen ist".

Der Vertreter der US-Regierung, James Lewis, wies die Argumentation der Verteidigung zurück. Dabei ging es um juristische Details: Das Abkommen zwischen den USA und Großbritannien sei niemals in Landesrecht überführt worden und damit ungültig. Die Verteidigung könne sich nicht auf ein Abkommen berufen, dass nicht vom britischen Parlament gebilligt wurde, sagte Lewis. Das würde die Souveränität des Parlaments unterlaufen.

Zum Ende des mit zahlreichen weiteren juristischen Argumenten gefüllten Verhandlungstages sorgte ein Einspruch des Angeklagten für Aufregung. Assange hat vor Gericht kein Rederecht, bemängelte aber, dass er von der verglasten Anklagebank aus nicht geschützt mit seinen Anwälten kommunizieren könne. Nach einer fünfminütigen Pause beantragte die Verteidigung, dass Assange bei den Anwälten sitzen kann. Gegen den Antrag hatte auch die Anklage nichts einzuwenden. Die vorsitzende Richterin hielt jedoch eine Kaution für erforderlich. Mit dieser offenen Frage vertagte sich das Gericht.

Auszug aus dem Buch von David Leigh und Luke Harding.

Die Vereinigten Staaten werfen Assange vor, der US-Whistleblowerin Chelsea Manning – damals noch unter dem Namen Bradley Manning – geholfen zu haben, geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan zu veröffentlichen. Am Dienstag war es auch um die Frage gegangen, ob die Veröffentlichung der US-Depeschen in nicht redigierter Fassung Menschenleben in Gefahr gebracht hatte.

Die Guardian-Journalisten David Leigh und Luke Harding hatten 2011 ein Buch über Wikileaks veröffentlicht, in dem das 2010 vergebene Passwort der temporären Website mit den US-Depeschen abgedruckt wurde. Dadurch waren die unredigierten Dokumente an eine breite Öffentlichkeit gelangt. Fitzgerald machte vor Gericht deshalb die Guardian-Journalisten für die Veröffentlichung verantwortlich.

Ein Blick in das Buch zeigt einen etwas anderen Hergang: Danach konnte David Leigh nach dem Download der Datei mit dem Passwort zwar die verschlüsselte Datei öffnen, fand aber eine mit 7z-gepackte Datei vor, die er nicht öffnen konnte. Er fuhr noch in der Nacht quer durch London zu Assange, der ihm die Datei entpackte. (vbr)