Die High-Tech-Methoden der Handy-Doktoren

Auch herstellerunabhängige Werkstätten setzen heutzutage teures Spezialwerkzeug bei der Reparatur von Smartphone-Displays ein.

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Die High-Tech-Methoden der Handy-Doktoren
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Wenn Abdul El-Chafei seinen Mitarbeitern etwas sagen will, wird er ziemlich laut und gestikuliert mit den Händen. Das liegt nicht an seinem Temperament – der Smartphone-Reparatur-Experte ist ein eher ruhiger Typ. Grund ist vielmehr, dass seine Angestellten in einer hermetisch abgeschotteten Glaskammer arbeiten und ihn nur so hören. „Das ist ein Laminarströmungs-Reinraum“, erklärt El-Chafei stolz. „So verhindern wir, dass Staub in die Displays gelangt.“

Der 34-Jährige ist ein anschauliches Beispiel für die Professionalisierung der herstellerunabhängigen Handy-Doktoren. Er hat in seinem Kinderzimmer mit dem Löten angefangen, ein paar Jahre später seinen ersten Laden aufgemacht. Inzwischen betreibt er mehrere Filialen, einen Großhandel und die Werkstatt mit dem Reinraum.

Abdul El-Chafei hat in seinem Kinder­zimmer mit dem Löten angefangen. Nun führt er mehrere Smartphone-­Werkstätten.

Ähnliche Karrieren haben auch andere Handy-Doktoren gemacht. Sie haben mit Schraubendreher, Plastikspatel und Lötkolben angefangen, nun betreiben sie Werkstätten mit mehreren Angestellten, gut gehütetem Know-how, durchgetakteten Prozessen, teuren Maschinen und klar getrennten Fachgebieten.

Der Begriff Handy-Doktor wirkt da eher fehl am Platz, treffender wäre der Ausdruck Spezialklinik. El-Chafei zum Beispiel repariert in seiner hannoverschen Reinraum-Werkstatt fast ausschließlich Displays. Betriebe aus ganz Deutschland schicken ihm die kaputten Teile kistenweise. Er trennt die gesplitterten Glasscheiben von den darunterliegenden Bildschirmen, klebt neue Gläser auf und schickt die Displays wieder zurück. „Wir sind in der Lage, mehrere tausend Displays im Monat zu refurbishen.“

Ein wichtiger Treiber der Professionalisierung ist die technische Entwicklung: Displays, Akkus und weitere Teile sind inzwischen in vielen Smartphones verklebt. Schon der Tausch einer kompletten Display-Einheit erfordert deshalb viel Erfahrung. Noch schwieriger ist es, anschließend das gesplitterte Glas zu entfernen, um den wertvollen Bildschirm weiter verwenden zu können. Mit einem Plastikspatel kommt man da nicht weit.

Stattdessen ist Spezialequipment nötig. Häufig werden die Displays auf speziellen Vakuumheizplatten erwärmt, um den Kleber zwischen Glas und Bildschirm zu lösen und dann das Glas mit einem hauchdünnen Draht abzutrennen. Doch diese Methode funktioniert längst nicht bei allen Modellen. Die gebogenen Edge-Displays von Samsung werden in eine Art Gefriertruhe („Freezer“) gesteckt, die sie auf rund minus 150 Grad Celsius herunterkühlt. Bei dieser Temperatur bröckelt der Kleber, die wichtigen Teile werden aber nicht beschädigt. In El-Chafeis Werkstatt stehen zwei dieser Truhen.

Die neuen Glasscheiben werden mit speziellen Laminiergeräten aufgeklebt. In El-Chafeis Reinraum steht ein besonders großes Exemplar. „Die industrielle Ausführung“, erklärt er. „Wenn man Mengen durchjagen will, braucht man die richtige Maschine.“ Ein kleineres Gerät steht ungenutzt auf dem Boden – es war El-Chafei zu unzuverlässig.

Teure Technik braucht auch, wer die gesplitterte Glas-Rückseite eines iPhone austauschen will. Die Scheibe ist derart fest verklebt, dass sie sich kaum lösen lässt, ohne gleichzeitig das Telefon zu zerstören. Einige Werkstätten verdampfen den Kleber deshalb mit computergesteuerten Lasern, was in YouTube-Videos beeindruckend aussieht. In einem der Videos wird beispielsweise erklärt, wie die Display-Wiederaufbereitung eines iPhone 7 Plus funktioniert. Ein weiteres zeigt den Austausch der Glas-Rückseite per Laser und ein drittes demonstriert die Abtrennung des Displayglases durch Kälte.

Display-Wiederaufbereitung – Schritt für Schritt (5 Bilder)

Die hannoversche Firma Rexcom bereitet gesplitterte Smartphone-Displays wieder auf. c’t durfte den Prozess beobachten: Zuerst legt ein Mitarbeiter das Display auf eine Vakuumheizplatte. Die Hitze löst den Kleber zwischen dem gesplitterten Glas und dem unbeschädigten LCD. Der Rahmen wird von Hand abgeschnitten.

Viele dieser Geräte werden von chinesischen Herstellern speziell für die Smartphone-Wiederaufbereitung entwickelt. El-Chafei war bereits ein paar Mal in China, um Werkzeuge auszusuchen. Dabei helfe ihm ein Verwandter, der dort lebe und Chinesisch spreche, erklärt er.

Es gibt aber auch chinesische Anbieter, bei denen europäische Handy-Doktoren die Maschinen bequem online bestellen können. „Zum Beispiel Rewa Technology und Union Repair, denen kann man vertrauen“, sagt Maximilian Altmann, der in der Nähe von Augsburg eine Smartphone-Werkstatt führt. Ein Laser für den iPhone-Backcover-Tausch kostet bei solchen Händlern rund 2000 US-Dollar, ein Freezer liegt auf demselben Preisniveau. Steuern und Versand kommen noch hinzu.

Die Chinesen exportieren auch ihr Know-how: Rewa schult Handy-Doktoren nicht nur in Shenzhen, sondern auch in München und weiteren europäischen Städten. Auf der Agenda steht zum Beispiel der sechstägige Kurs „iPhone Logic Board Repair“ für 2400 Euro.

Trotz des steigenden Aufwands reparieren die freien Smartphone-Werkstätten immer noch günstiger als die Hersteller beziehungsweise deren offizielle Support-Partner. Apple verlangt für den Displaytausch je nach Modell 150 bis 360 Euro – bei seriösen freien Werkstätten zahlt man ungefähr 100 Euro weniger. Noch viel mehr kann man bei anderen Defekten sparen, etwa beim Bruch des Glasrückens. Allerdings: Wer zu einer freien Werkstatt geht, verliert in der Regel seinen Garantieanspruch gegenüber dem Hersteller.

Trotzdem gewinnen die Handy-Doktoren mittlerweile auch Großkunden. El-Chafei repariert die Diensthandys mehrerer Firmen, darunter ein Konzern mit über 50.000 Mitarbeitern. Als Nächstes will er mit Anbietern von Geräteversicherungen ins Geschäft kommen. Gut möglich, dass er seinen Reinraum bald vergrößern muss.


Dieser Artikel stammt aus c't 8/2020. (cwo)