Virtuelle Tagung

Der Corona-Shutdown hat auch sein Gutes. Wir kommen dazu, über alte Gewohnheiten nachzudenken. Zum Beispiel die Frage, ob es sinnvoll ist, um die halbe Welt zu jetten, um etwas Neues zu lernen.

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Während ich diesen Text hier schreibe, höre ich mit einem Ohr Katelyn Nye von GE Healthcare zu, die gerade etwas darüber erzählt, wie GE Künstliche Intelligenz im Gesundheitswesen einsetzt. Nye spricht gerade bei der "EmTech Digital" einer Tagung, die gerade von unseren US-Kollegen am MIT organisiert haben.

Trotz ihres Namens war die Tagung eigentlich als ganz normales Event geplant. Die Emtech - kurz für Emerging Technologies - ist eine jährliche Konferenz an MIT, die sich mit neuen und "aufkommenden" Technologien beschäftigt. Die erste fand 1999 statt, und mittlerweile gibt es eine Reihe von Spin-Off-Veranstaltungen. Diese hier beschäftigt sich ausschließlich mit KI.

Auf Grund der aktuellen Entwicklung haben die US-Kollegen entschieden, die Tagung rein virtuell zu organisieren. Wie sieht sowas aus? Natürlich werden die Talks gestreamt - und aufgezeichnet, und man kann die Slides runterladen.

Mir scheint allerdings, die Leute, die solche Systeme entwerfen, kleben immer noch zu sehr an den analogen Vorbildern. Es gibt zwar eine Networking Lounge, wo man mit den Vortragenden und anderen Gästen chatten kann. Zwischen den einzelnen Sessions ist aber nur zehn Minuten Zeit. Ziemlich unpraktisch finde ich zudem, dass ich auf das System tatsächlich nur dann zugreifen kann, wenn die Veranstaltung gerade läuft. Da sie in Boston gehostet wird - stattfinden ist ja eigentlich nicht das richtige Wort - muss ich mit dem virtuellen Jetlag von fünf Stunden leben.

Abgesehen von solchen Merkwürddigkeiten ist so eine virtuelle Tagung aber gar nicht so schlecht. Es gibt zwar keine Zufallsgespräche am Kaffeetresen und keine Schnittchen, aber das Konzept ist ja noch ausbaufähig. Auch solche Funktionen könnte man implementieren. Man könnte Software einsetzen, die den Teilnehmern je nach Expertise und Interessensprofil Kontaktvorschläge macht.

Man könnte Bots als eine Art Anrufbeantworter oder Informationssystem einsetzen. Und ich bin sicher, da gäbe es noch eine ganze Reihe anderer interessanter Ideen. Nicht zuletzt dürfte die Menge an CO2, die dadurch eingespart wurde, beträchtlich sein. Vielleicht können wir für die Zeit nach der Krise ja doch etwas daraus lernen?

(wst)