Liebe in Zeiten von Zoom

Wenn man sich nicht treffen kann, muss bei der Partnersuche Technik her. Das klappt mittlerweile erstaunlich gut.

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Screenshot mit rosa Herz

(Bild: Screenshot)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Tanya Basu
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Samstagabend, drei Stunden Flirt und Spaß, und Katia Ameri "verlobt" sich mit Ronak "Ron" Trivedi – und zu beobachten war das Ganze per Livestream auf Zoom. "Ich fand ihn sehr aufrichtig", erzählt sie einige Tage später. "Er wirkte wie jemand, mit dem ich mich auch in der echten Welt gut verstehen würde." Die beiden nahmen Teil an "Zoom Bachelorette", einem Quarantäne-Streaming-Phänomen, das von der kultigen Reality-TV-Show inspiriert wurde. In der Zoom-Version werben zwölf Liebessuchende für die Dauer von drei Stunden um die Zuneigung einer Single-Person. Zuschauer zahlen mindestens 15 Dollar über den Bezahldienst GoFundMe (das Geld wird später gespendet), um dem Dating-Spektakel über das Portal Twitch zuschauen zu können.

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Ganz unterschiedlich legen die Datenden sich ins Zeug: vom Zubereiten einer hausgemachten Pizza bis zum charmanten Witzereißen und dem spielerischen Auswechseln des Zoom-Hintergrunds. Letztlich traf Ameri die große Entscheidung – nachdem auch die Eltern ihre Meinung kundgetan hatten –, obwohl sie sich eigentlich nicht nach einem Heiratskandidaten umgesehen hatte.

Unabhängig davon, ob Ameris und Trivedis Verbindung über die Grenzen der Show hinaus bestehen bleiben wird, ist dieses Kennenlernen doch ein Beispiel dafür, wie sich die Dating-Kultur in Zeiten der Corona-Krise verändert. Während die Pandemie ein traditionelles Rendezvous praktisch unmöglich gemacht hat, geben die "Bleib Zuhause"-Anweisungen seit März nun einen Vorgeschmack darauf, was in Zukunft normal werden könnte: mehr Video-Chat-Gespräche, weniger Standort-orientierte Suche und sogar Kuppler hinter den Kulissen. "Die sozialen Dynamiken während des Lockdowns sind keine normalen", erklärt Jean Yang, eine der Produzentinnen von "Zoom Bachelorette".

Kurz nachdem die Lockdown-Maßnahmen in San Fransisco in Kraft traten, wurde Single MayC Huang von einer Freundin mit Maria Shen ("Zoom Bachelorettes" zweite Produzentin) in Kontakt gebracht. Die beiden kannten sich noch nicht, aber Shen war dabei, das Verkupplungs-Experiment als Freizeitprojekt neben ihrem Job als Partnerin einer Venture-Firma zu entwickeln. Ganz in der Nähe wurde auch Matthew Benjamin von einem Freund Shens kontaktiert: "Du bist Single, oder?". So erfuhr Benjamin von der "verrückten Idee", auch während der Quarantäne-Zeit auf Dates zu gehen. Frisch inspiriert von der erfolgreichen Netflix-Dating-Show "Liebe macht blind", in der die Teilnehmer einander nicht sehen dürfen, ehe sie sich verloben, hielt Benjamin das für eine lustige Unternehmung. "Eigentlich wäre ich den ganzen Monat auf Reisen gewesen, ich hatte also nichts anderes zu tun."

Shen hat strenge Regeln für die Kandidaten aufgestellt: die ersten drei Dates laufen nur über eine Audio-Verbindung ab, wobei eine App die Nummern verschlüsselt und somit Unannehmlichkeiten und Stalking verhindert, falls das Kennenlernen schief gehen sollte. Auch Gesprächsregeln müssen beachtet werden. Klassische Fragen zum Lebenslauf sind nicht gestattet, etwa Fragen nach der Ausbildung und nach dem Beruf, all das, was normalerweise bei einem ersten Date angesprochen wird. Freunde für einen "Background-Check" einzusetzen, ist ebenfalls strengstens verboten.

Shen ist nicht die Einzige, die in der Verkupplungsbranche neue Wege geht. Vor der Entwicklung von "Zoom Bachelorette" hatte Yang (die eine Datenschutzfirma gegründet hat) bereits Fremde über das Konzept "The Zoom Dating Experiment" zusammengebracht – ein Nebenprojekt, das sie ins Leben gerufen hatte, nachdem sie im Freundes- und erweiterten Bekanntenkreis gerne Menschen vernetzt hatte. "Ich habe eigentlich keinen Hintergrund in Sachen Verkupplung", sagt Yang. Doch nachdem sie einen Single-Freund mit einer Single-Freundin über Zoom zusammengebracht hatte und die beiden tatsächlich eine Beziehung eingingen, teilte sie den Erfolg auf Twitter. Am Ende des Tags hatte eine Reihe von Nutzern reagiert, die nun darum baten, ebenfalls mit anderen Singles in Verbindung gebracht zu werden. "Das war spät an einem Donnerstagabend", erinnert sich Yang. "Am Samstag hatten sich schon fünfzig Personen angemeldet und zehn Zoom Dates bereits stattgefunden."

In der Zwischenzeit entwickelte sich der Dienst OKZoomer – eigentlich als Witz gegründet von zwei Yale-Studentinnen für eine Ivy-League-Meme-Gruppe – von einem einfachen Google-Formular zu einem groß angelegten Service für alle angemeldeten Universitäten. OKZoomer bringt nun per Videokonferenz Tausende von Nutzern zusammen, sowohl mit romantischer, als auch rein freundschaftlicher Absicht.

Ein allgemeiner Vorteil der Zoom-Verkupplung ist, dass der potentielle Partner von überall herkommen kann. Im Moment zielen all die Angebote und Experimente auf einen bestimmten Personentyp ab: Abgänger der Elite-Universitäten. Zoom Bachelorette bestand beinahe ausschließlich aus gut situierten Technikunternehmern, alles Freunde und Freunde-von-Freunden aus dem Kreis von Shen oder Yang. Katia Ameri führt beispielsweise ein Hautpflege-Startup und Ron Trivedi, ihr "Verlobter für einen Tag", betreibt einen Schmuck-Onlinehandel.

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(bsc)