Professor Shimizus Traum von der eAuto-Revolution

Sie wollen Ihren alten 40 Jahre alten Porsche elektrisch fahren? Oder einen tuckernden Käfer zum surrenden Elektroauto umrüsten? Ein japanischer Elektroautopionier verspricht, diese Träume bald Wirklichkeit werden zu lassen.

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Von
  • Martin Kölling

Seit Jahrzehnten klagt Japans eAuto-Pionier Professor Hiroshi Shimizu, dass die Autokonzerne die flotten Stromer totschweigen würden. Doch obwohl die Hersteller endlich auf den eAuto-Zug aufspringen, ist er nicht zufrieden. "Die Autohersteller bauen Elektroautos nur auf Benzinautoplattformen, sie ersetzen nur den Benzin- durch einen Elektromotor." Aus Frust hat der Professor der Universität Keio am Montag mit dem ehemaligen Sony-Chef Nobuyuki Idei als Berater und japanischen Unternehmern als Investoren die Entwicklungsfirma "SIM-Drive" (von Shimizu In-Wheel-Motor) gegründet. Bis 2013 soll sie einem neuen Typ von preiswerten Elektroautos global zum Durchbruch verhelfen.

Anders als die etablierten Autohersteller will Shimizu sein eAuto mit seinen selbst entwickelten Radnabenmotoren ausstatten. Das soll viel effizienter sein. Seine Autos sollen mit einer Akku-Füllung 300 Kilometer schaffen, doppelt so viel wie die heutigen Stromer aus den Batterien kitzeln. Gemeinsam mit interessierten Unternehmen will Shimizu in den kommenden vier Jahren eine flexible Plattform entwickeln, die sowohl die Massenproduktion von eAutos als auch die Umrüstung von normalen Kraftwagen zu Stromern ermöglicht.

Dabei sind die Initiatoren offen für jeden. In der Tat rechnet Shimizu damit, dass durch die Elektrifizierung des Kraftwagens neue Player die Autoindustrie aufmischen könnten. Sein Paradebeispiel ist die Kameraindustrie. Mit der Digitalisierung der Knipsen sind Elektronikfirmen wie Sony und Panasonic zu Kameraherstellern aufgestiegen.

Die disruptive Technik ist für den Professor dabei der Nabenmotor. Der Antrieb im Rad gilt unter Autobauern schon lange als das elektromobile Nonplusultra, weil er ein radikal neues Autodesign ermöglicht. So werden der Motorblock, das Getriebe, Achsen und das Lenkgestänge überflüssig. Passagiere gewinnen mehr Platz, Räder können einfacher unabhängig von einander gelenkt und ihre Umdrehung und Drehrichtung sogar einzeln elektronisch gesteuert werden. Dadurch könnten eAutos auf der Stelle wenden. Gleichzeitig lässt sich der Lenkeinschlag theoretisch auf 90 Grad vergrößern. Einparken würde durch Seitfahrt zum Kinderspiel. Nissan hat das bereits wiederholt in seinem Konzeptauto Pivo vorgestellt.

Allerdings scheuen die Autohersteller die Technik noch. Denn Radnabenmotoren gelten bisher als zu schwer, komplex und anfällig. Mitsubishi hat sein erstes eAuto "iMiev", das ich vorige Woche für Technologie Review getestet habe, daher im Juli anders als ursprünglich geplant ohne Radnabenmotor ausgeliefert. Stattdessen wurde der Benzin- schlicht durch einen Elektromotor ersetzt. Ein Top-Ingenieur des Renault-Partners Nissan, der 2010 mit dem "Leaf" den ersten in wirklicher Großserie hergestellten Stromer auf den Markt bringen wird, sagte mir mit Bedauern, dass der neue Motorentyp noch nicht wirklich fertig sei. "Ich hoffe, dass die Technik in zehn Jahren soweit ist."

Shimizus Investoren halten dessen Lösung im Gegensatz zu der anderer Pionieren jedoch für nahezu marktreif. Der Radnabenmotor eines französischen Reifenherstellers beispielsweise sei viel zu komplex, um jemals vermarktet zu werden, sagt der Investor und Vorstandsvorsitzende von Sim-Drive, Soichiro Fukutake, Chef des Lehrbuchherstellers Benesse. Und Shimizu betreibt seinen beliebtesten Sport: Autohersteller-Bashing. "Autohersteller haben einfach zu wenig Erfahrung, ich habe dagegen 30 Jahre mit Radnabenmotoren gearbeitet", sagt er. An der Keio-Universität hat er bereits mehrere Prototypen entwickelt, die in Japan die Strassenzulassung erhalten haben. Sein Leitmotiv sei dabei immer gewesen, ein eAuto zu entwickeln, das im Preis und der Leistungsfähigkeit ein normales Auto schlagen kann. Der bisherige Höhepunkt war 2005 das achträdrige "Eliica", das eine Spitzengeschwindigkeit von 370 Kilometern pro Stunde erreicht. "Kein Testfahrer hat sich je über die Motoren beschwert", sagt Shimizu. Davor chauffierte er seit 2002 mit dem geräumigen Kaz und davor einen Zweisitzer durch Tokio. Die Zuverlässigkeit der Radnabenmotoren genüge inzwischen auch für den Automobilbau, meint Shimizu.

Wenigstens seine Investoren konnte er von seinem Konzept überzeugen. Der Chef von Japans größtem Gebrauchtwagenhändler, Kenichi Hattori, wurde auf Anhieb vom Sportwagen- zum eAuto-Fan bekehrt. "Für mich musste ein Sportwagen den Sound eines Ferrari haben", sagt Hattori, "aber sobald ich den Eliica gefahren bin, habe ich gedacht: Das ist das Auto der Zukunft."

Um ihren Traum so schnell wie möglich zu verwirklichen, haben die Gründer das Konzept der Open-Source-Software kopiert, die etwa den Browser Firefox erfolgreich gemacht hat. Gegen einen nicht sehr hohen Mitgliedsbeitrag sollen die Entwicklungspartner auch die notwendige Technik erhalten. Denn, so sagt der Vorstandsvorsitzende Fukutake: "Die Mission der Firma ist, Professor Shimizus Technik weltweit zu verbreiten."

Eine andere Firma folgte am Mittwoch mit einem wichtigen Schritt, ihre Technik global zu verbreiten. Die israelische Firma Better Place hat den Bau der weltweit ersten Batteriewechselstation angekündigt. Unterstützt vom Ministerium für Wirtschaft, Handel und Industrie und mit Japans größtem Taxibetreiber Nihon Kotsu wird an Japans größtem Wolkenkratzer Roppongi Hills eine Wechselstation eingerichtet. Better Place hofft, damit die Autoindustrie aufrollen zu können. Denn Taxis sind die natürlichen Verbündeten der Akkuwechselidee, sagt der Chef von Better Place Japan, Kiyotaka Fujii (der nebenbei bemerkt am Montag als offizieller Gastredner auch Shimizu ideell unterstützte).

Taxis fahren pro Tag 300 Kilometer. Bei der heutigen Reichweite von Batterien (150 Kilometer ohne Klimaanlage und sachte gefahren) müssten eTaxis daher zwei bis drei mal aufgeladen werden. Doch selbst mit einem Schnelllader dauert das 20 bis 30 Minuten. Der Batteriewechsel dauert hingegen nur eine Minute. Den Chef von Nihon Kotsu, Ichiro Kawanabe, Herr über 3000 Taxis, hat Fujii mit dem Konzept wenigstens überzeugt. "Ich bin Taxifahrer in der dritten Generation und ich möchte noch 30 bis 40 Jahre in der Branche arbeiten." Daher wolle er eTaxis propagieren. Ein interessanter Versuch, finde ich, besonders in Japan. In Tokio fahren 60.000 Taxis herum. Sie produzieren 20 Prozent der Abgase. Wenn man die elektrifizieren könnte, wäre der Stadtluft schon sehr geholfen. (wst)