Wie Roboter in Zeiten der Corona-Pandemie helfen können

Der Auftakt der virtuellen Robotik-Konferenz ICRA stand im Zeichen der Coronavirus-Pandemie und wie Roboter einen Beitrag gegen das Virus leisten können.

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Robotik-Konferenz ICRA: Wie Roboter in Zeiten der Corona-Pandemie helfen können

(Bild: Phonlamai Photo / Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske
Inhaltsverzeichnis

Die International Conference on Robotics and Automation (ICRA) war ohnehin schon eine der größten Konferenzen zur Robotik weltweit. Die diesjährige Veranstaltung, die am Sonntag offiziell eröffnet wurde, könnte allerdings die der vergangenen Jahre noch einmal deutlich überbieten: Von der "längsten und wahrscheinlich bestbesuchten wissenschaftlichen Robotik-Konferenz aller Zeiten" sprechen die Veranstalter in einer Mitteilung.

Ursprünglich hätte die ICRA in Paris stattfinden sollen, wo mit etwa 4.000 Besuchern gerechnet wurde. Die Covid-19-Pandemie hat das verhindert, sodass die Teilnehmer ihren Gedankenaustausch nun übers Internet organisieren müssen. Weil das mehr Zeit erfordert als bei persönlichen Begegnungen, ist die Konferenz von ursprünglich fünf Tagen auf mehrere Monate verlängert worden, wie Program Chair Wolfram Burgard im Interview erläutert. Pressesprecher Christian Duriez erklärte, dass sich innerhalb einer Woche bereits mehr als 4.300 Teilnehmer registriert hätten.

Etwa 1.600 Studien werden auf der ICRA präsentiert, die meisten in Form von Videoaufzeichnungen, die bis mindestens Ende August verfügbar bleiben. Daneben gibt es Live-Ereignisse, darunter eine Fülle von Fülle von Workshops, von denen die ersten bereits am Sonntag stattfanden, sowie Plenarvorträge und Keynotes.

Den Auftakt machte am Montag ein Forum zur Frage, was die Robotik zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie beitragen kann. Mehrere Teilnehmer äußerten dabei deutliche Befriedigung darüber, dass sich die Haltung in der Bevölkerung gegenüber Robotern geändert hätte. Sie würden jetzt besser akzeptiert, sagte Robin Murphy (Texas A&M University). 21 Länder würden Roboter einsetzen, etwa zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit, in der Pflege oder um in Firmen und Bildungsinstitutionen den Betrieb aufrechtzuerhalten. Es seien viele neue und kreative Anwendungen entwickelt worden.

Richard Voyles (Purdue University) zeigte sich geradezu begeistert darüber, wie rosig sich die Zukunft der Robotik darstelle. Er unterstrich seine Einschätzung mit einem Video von einem chinesischen Roboter, der bei Menschen die Körpertemperatur misst und verwies auf Roboter, die ihre Umgebung desinfizieren. Auch der Moderator der Diskussion, Ken Goldberg (University of California Berkeley), meinte, die Angst vor Robotern sei verschwunden. Es gebe eine neue Einstellung gegenüber der Technologie. Zudem gingen die Preise für Roboter klar nach unten.

Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig: Drohnen könnten in der Öffentlichkeit Botschaften übermitteln, etwa größere Abstände zwischen den Personen anmahnen, schlug Helen Greiner (ASAALT) vor. Die fliegenden Roboter könnten auch Blut- und Gewebeproben transportieren, nach vermissten Personen suchen oder kleinere Einkäufe erledigen und dadurch das Infektionsrisiko reduzieren. Kerstin Thurow vom Center for Life Science Automation (CELISCA) an der Universität Rostock verwies auf Möglichkeiten, Virus-Testverfahren durch Automatisierung zu beschleunigen. Ayanna Howard (Georgia Tech) nannte die klinische Rehabilitation, die normalerweise sehr kontaktintensiv sei, als einen weiteren Bereich, wo Robotertechnik die Risiken einer Infektion vermindern könnte.

Howard gab allerdings auch zu bedenken: Was sich für Robotik-Forscher gut anfühle, sei nicht unbedingt gut für die Menschen. Es gelte, Einseitigkeiten und Voreingenommenheit im Auge zu behalten. "Be inclusive", forderte sie. Niemand dürfe von den Vorzügen der Technik ausgeschlossen sein.

Antonio Bicchi vom Italian Institute of Robotics and Intelligent Machines (I-RIM) berichtete davon, wie die Robotik-Forscher in Italien seit Ende Februar in täglichen Treffen über Maßnahmen zur Corona-Krise nachgedacht hätten. Das habe zum einen zu Umfragen geführt, die mehrfach überarbeitet wurden, um herauszufinden, was von den Menschen am dringendsten benötigt wird. Zum anderen werde in Zusammenarbeit mit der Maker-Szene versucht, die "niedrig hängenden Früchte" zu ernten und mit verfügbarer Technik schnell und günstig funktionierende Systeme zu entwickeln. Als Beispiel nannte Bicchi Telepräsenzroboter für den Einsatz in der Altenpflege, die als mobile Plattform Staubsaugerroboter verwenden.

Am wichtigsten sei es jedoch, so Bicchi, auf die Menschen zu hören und ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen. So sei es keine gute Idee, das Essen in Krankenhäusern von Robotern ausliefern zu lassen: "Die Patienten brauchen den menschlichen Kontakt."

Den brauchen auch Konferenzteilnehmer: Das Fehlen der persönlichen Begegnungen würde am meisten bedauert an der diesjährigen virtuellen Konferenz, sagte Wolfram Burgard in einer anschließenden Pressekonferenz: "Dicht gefolgt von Paris."

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Nach der ersten Live-Veranstaltung lässt sich hinzufügen: Es fehlt auch der Raum. Das Forum präsentierte in 90 Minuten eine Fülle von interessanten und spannenden Ideen und Gedanken, die in dem engen Rahmen eines Monitors aber kaum eine Chance hatten, sich zu entfalten. Da war auch eine gewisse Hektik zu spüren, als wären die Teilnehmer darauf bedacht gewesen, in der begrenzten Zeit möglichst viel Inhalt zu übermitteln. Aber das ist angesichts einer solchen Premiere auch kein Wunder. Es geht eben nicht um die Technik, die übrigens gut funktionierte, sondern um die Menschen, die erst noch lernen müssen, auf diese Weise miteinander zu reden.

Hinsichtlich der messbaren Resonanz zeigten sich die Organisatoren der Konferenz aber hochzufrieden. "Wir hatten 1979 Teilnehmer aus 60 Ländern", sagte Wolfram Burgard. "Das ist ein großer Erfolg."

(olb)