Post aus Japan: Nightlife mit QR-Code

Südkoreas Epidemiebekämpfung beruht schon lange auf der Durchlöcherung der Privatsphäre. Nun sollen Clubbesucher sich registrieren.

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Post aus Japan: Nightlife mit QR-Code

In Corona-Zeiten wird viel getrackt.

(Bild: Alexander Kirch / Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Martin Kölling
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Wer gerne Nachtclubs und Kirchen besucht, muss nun in Südkorea hohes Vertrauen in den Staat entwickeln. Ab dem 10. Juni sollen Besucher von Etablissements, in denen das Ansteckungsrisiko besonders hoch ist, beim Eintritt über QR-Code ihre Anwesenheiten anmelden. Die Informationen werden dann an die Gesundheitsbehörden übertragen, wo sie verschlüsselt gespeichert und nach vier Wochen vernichtet werden.

Mit der erneuten Durchlöcherung der Privatsphäre wollen die Behörden künftig schneller Kontaktpersonen von Infizierten aufspüren, um Virencluster schneller eindämmen zu können. Denn als nach der Wiedereinleitung des Alltags eine Ansteckungswelle in einen Nachtclubbezirk der Hauptstadt Seoul begann, stieß die aggressive Transparenz der südkoreanischen Strategie, die Privatsphäre gegen Verzicht auf Ausgangssperren eintauscht, an ihre Grenzen: soziale Diskriminierung.

Nach früheren Pandemien hat das Parlament per Gesetz den Zugriff auf Positionsdaten der Handys von Infizierten und deren Kontaktpersonen sowie deren Kreditenkartendaten erlaubt. Dies ermöglicht den Virenjägern, schneller als mit klassischen Interviewmethoden Infektionsketten zurückzuverfolgen und zu unterbrechen. Um das Vertrauen der Bürger zu erhöhen, verpflichtet das Gesetz auch zu einer zwar anonymisierten, aber doch recht transparenten Veröffentlichung von Bewegungsprofilen der aufgespürten Infizierten.

Das Problem im Fall der Nachtclubs war, dass es sich auch um Schwulentreffpunkte handelte. Viele Besucher der Nachtclubs hatten aus Angst vor Jobverlust und sozialer Ächtung falsche Telefonnummern angegeben und zögerten, sich freiwillig testen zu lassen. Denn sie befürchteten daher, dass ihre sexuelle Orientierung bekannt werden könnte.

Auch Kirchen sind in der Vergangenheit in Südkorea negativ aufgefallen. Das erste große Cluster des Landes mit mehr als 4000 Infizierten brach in einer christlichen Sekte aus. Zudem widersetzten sich viele Gemeinden zu Beginn der Pandemie der Aufforderung der Regierung, auf Gottesdienste zu verzichten. Und die handschriftlichen Besuchsregister sind ebenfalls langsamer zu verfolgen als digitalisierte. Die Zwangserfassung von Besuchern in Bars, Restaurants, Kinos und Kirchen soll da nun Abhilfe schaffen.

Dass es sinnvolle Corona-Bekämpfungstechnologien gibt, die weniger übergriffig sind, zeigt derweil Japans zweitgrößte Metropole Osaka. Auch dort können die Besucher von Lokalen ihre Anwesenheit über QR-Codes registrieren, um den Behörden eine schnellere Kontaktaufnahme bei Infektionen zu ermöglichen. Aber die Teilnahme ist freiwillig.

Der japanische Technikkonzern Fujitsu wiederum demonstriert mit einem Handwasch-Analysegerät den japanischen Ansatz, Verhaltensänderung weniger über Druck als über Erziehung zu erzielen. Das Unternehmen hat ein Produkt namens Actlyzer entwickelt, dass mit Hilfe künstlicher Intelligenz das Händewaschen beobachtet, analysiert und dann bewertet, wie gut die Wäsche dem Antivirenprotokoll entsprechen.

Anlass sind neue Verordnungen, die ab Juni 2020 Lebensmittelunternehmen verpflichten, strengere Hygienemaßnahmen zu ergreifen. Dadurch entstehe "ein dringender Bedarf an einem nichtinvasiven Ansatz", um schnell und genau zu bestätigen, dass das Händewaschen ordnungsgemäß durchgeführt worden sei, so Fujitsu. Und das Unternehmen will diese Nachfrage nun prompt bedienen.

Dass auch Koreaner nichtinvasiv vorgehen können, zeigt SK Telecom, der größte Mobilnetzanbieter des Landes. Gemeinsam mit der koreanischen Landesgesellschaft des japanischen Automatisierungsanbieters Omron hat der Telekomkonzern einen multifunktionalen Virenwächter für Gebäudelobbys entwickelt. Das Gerät kann nicht nur kontaktlos Fieber messen und Hände von Besuchern desinfizieren. Es erkennt auch, wenn zu viele Menschen zu nahe beieinanderstehen, und fordert sie dann auf, mehr Abstand zu halten. Außerdem erkennt es, wenn ein Besucher keine Maske trägt. In dem Fall wird die Person von der Maschine aufgefordert, sich doch bitte der neuen sozialen Virenschutznorm zu beugen und den Gesichtsschutz zu benutzen.

Natürlich hat SK Telecom den Roboter auch über das neue schnelle 5G-Mobilnetz mit dem Internet verbunden. Immerhin rasen Daten in Südkorea schon seit vorigem Jahr schneller als im Rest der Welt durch den Äther. Aber ein Firmensprecher erklärt auch, dass der Roboter auch mit den bisherigen 4G-Netzen arbeiten könne. Vielleicht findet in diesen Zeiten diese koreanisch-japanische Kooperation ja auch international Abnehmer.

(bsc)