Post aus Japan: Vom AKW-Betreiber zum Gemüsebauern

Stromgigant Tepco baut die größte mit künstlichen Licht betriebene Salatfabrik der Welt. Dies ist nicht das einzige Lebensmittel-Hightech-Beispiel.

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Post aus Japan: Vom AKW-Betreiber zum Gemüsebauern

(Bild: Tepco)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Martin Kölling

Der Tokioter Stromversorger Tepco ist für die Atomkatastrophe in Fukushima weltberühmt geworden. Aber seitdem investiert das Unternehmen auch in grüne Projekte wie Windkraftanlagen – und das durchaus mit Gewinninteressen. Nun addiert der etwa Konzern, der 2018 auf Rang vier der globalen Stromanbieter lag, ein Hightech-Gewächshaus der Superlative zu seinem Portfolio.

Seit 1. Juli läuft in der Stadt Fujieda unter künstlichem Licht gezogener Salat vom Band. In der Endausbaustufe wollen die Joint-Venture-Partner Tepco Energy Partner, Fuyo General Lease und Farmship pro Tag fünf Tonnen Blattgrün ausliefern. Laut den Japanern handelt es sich dabei mit 9000 Quadratmetern Fläche die größte mit künstlichem Licht betriebene Gemüsefabrik der Welt.

Die LED-Beleuchtung sei speziell für diese Anlage entworfen worden, teilen die Partner mit. "Neben der Form und dem Geschmack von Blattgrün können wir eine bestimmte Qualität der Nährstoffe erhalten, und wir können auch das Risiko von Krankheiten und Schädlingsbefall senken", erklärt das Trio. Außerdem werde durch den Anbau in einer hygienischen Umgebung eine hohe Frische länger als üblich aufrechterhalten.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Bei dem Projekt handelt sich nicht nur um einen technologischen Schaukasten, dessen System das Trio auch verkaufen will. Auf einer höheren Ebene wollen die Partner auch dazu beitragen, in Zeiten des Klimawandels die Lebensmittelversorgung zu sichern. "Die vollständig auf künstlichem Licht basierende Pflanzenfabrik wurde als Reaktion auf extreme Wetterbedingungen, ungünstige Witterungsbedingungen und die Ausbreitung eines neuen Coronavirus-Typs für die Nahrungsmittelproduktion gebaut", teilen die Unternehmen mit.

Tatsächlich klagen bereits jetzt die Gemüsebauern in Zentraljapan, dass heißere Sommer die Ernte von beispielsweise Broccoli schmälern. Auch die besten Reisanbauregionen wandern bereits nach Norden. Potenziell ist dies besonders für den Inselstaat ein Problem, dessen Ernährung zu 60 Prozent von Importen abhängt.

Verstärkt wird das Risiko noch durch Demografie: Mit der Bevölkerung schrumpft auch die Bauernschaft. Und die Reorganisation der Höfe hält nicht recht mit der Entwicklung Schritt. Pflanzfabriken sollen in den Augen der Gründer nun eine "widerstandsfähige Landwirtschaft durch Sicherung eines Produktionssystems und Wiederbelebung der Region durch Schaffung von Arbeitsplätzen" umsetzen. Der produzierte Salat soll zuerst in die Massenfertigung von Bentos fließen.

Das ist nicht die einzige Idee aus Japan, die Ernährung der Weltbevölkerung zu sichern. Der Instantnudelhersteller Nissin zieht inzwischen Blockfleisch in Nährlösungen. Bis 2025 will der Lebensmittelkonzern dann kleine sieben Zentimeter lange und zwei Zentimeter dicke Schnitzel herstellen. Damit wollen die Japaner eine Marktlücke schließen.

Denn bisher hergestelltes künstliches Fleisch ähnelt eher Gehacktem, das nur einen Bruchteil des Marktes ausmacht. Denn offenbar wollen die meisten Menschen etwas zum Beißen haben.

(bsc)