Karriereportale von Firmen: Weniger Klicks für mehr Bewerber

Bewerbungen über Portale müssen schnell gehen, sonst steigen die Kandidaten aus. Aussagefähig sind solche One-Klick-Programme nicht, aber sie bringen Masse.

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Karriereportale von Firmen: Weniger Klicks für mehr Bewerber

(Bild: Blackregis/Shutterstock.com)

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Von
  • Peter Ilg
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Viel Geduld haben die wenigsten Menschen. Meist muss alles möglichst fix gehen, auch Bewerbungen in Firmenportalen. Je schneller das geht, umso mehr bewerben sich, hat Henkel festgestellt. Der Konsumgüterkonzern hat vor einigen Wochen ein neues Bewerberportal eingeführt, mit dem eine Bewerbung in 60 Sekunden möglich ist. Seitdem stieg die Bewerberanzahl um 40 Prozent.

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Den Grund für diesen Anstieg erklärt Valeria Gladsztein, Head of Global Talent Acquisition and Learning bei Henkel so: "Viele Bewerber verlieren das Interesse, wenn ein Bewerbungsprozess zu lange dauert." Vorher brauchten Bewerber etwa 30 Minuten, heute geht das in einer Minute. Viel preisgeben von sich kann man in so kurzer Zeit nicht.

Sechs von zehn Jobkandidaten haben ihre Onlinebewerbung schon abgebrochen, weil sie zu kompliziert war und zu lange dauerte. Zu dieser Erkenntnis kommt das Unternehmen Softgarden aus Berlin, das Software fürs Recruiting entwickelt. Die Studie wurde um den Jahreswechsel 2018/19 durchgeführt, ist aber nach wie vor aktuell.

"Jobinteressierte sind zugleich Online-Konsumenten und haben schnelle und unkomplizierte Online-Transaktionen in dieser Rolle als Standard verinnerlicht", sagt Saphir Schiwietz, Marketingleiterin bei Softgarden. Das prägt die positive Haltung gegenüber digitalen Bewerbungsprozessen und wird nach Einschätzung von Softgarden auch so bleiben.

Die Frage, ab wann der Online-Bewerbungsprozess zu lange dauert, kann Schiwietz recht präzise beantworten: "Im vergangenen Jahr fanden rund 45 Prozent zehn Minuten für angemessen, ein weiteres Drittel zwanzig Minuten." Darüber hinaus dauert eine Onlinebewerbung für die meisten einfach zu lang. Kompliziert finden die Bewerber einen Prozess, wenn sie sich auf den Portalen erst einmal registrieren müssen, um überhaupt eine Bewerbung verschicken zu können.

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Als unnötigen Aufwand empfinden sie zudem, wenn sie ihre Lebensläufe in Businessportalen wie Xing oder LinkedIn pflegen, in den Bewerberportalen jeden einzelnen Karriereschritt in ein umfangreiches Formular erneut eingeben müssen. "Das ist eine vermeidbare Routinedopplung, die Bewerber als aufwendig, kontraproduktiv und altbacken empfinden", sagt Schiwietz. Es geht leicht anders, indem die vorhandenen Daten aus digitalen Businessnetzwerken ins Bewerberportal übernommen werden. Henkel macht das so.

Sabine Wickern, 26, war unter den ersten, die sich bei Henkel im neuen System beworben haben. Das war im Mai, gleich nach ihrem Masterabschluss in Business Analytics. In diesem Fach geht es darum, aus externen und internen Datenquellen relevante Informationen für die Unternehmensführung zu gewinnen. Im Umgang mit Daten ist Wickern daher eine Expertin. "60 Sekunden für eine Bewerbung sind schon ein sportlicher Anspruch. Ich habe etwa fünf Minuten gebraucht." Ein Großteil der benötigten Daten wurden aus ihrem LinkedIn-Profil übernommen, andere wie die persönliche Anschrift hat sie ergänzt und Lebenslauf sowie Zeugnisse hochgeladen. Mehr war nicht zu tun - und ihre Bewerbung ein Erfolg.

Wickern ist eine von etwa 1.000 Mitarbeitern, die Henkel weltweit zwischen April und Juni eingestellt hat. Seit Mai ist sie bei Henkel in Düsseldorf als Expert Data Foundation angestellt. Sie arbeitet an der Weiterentwicklung und Nutzung einer unternehmensinternen Datenplattform. Henkel war nicht das einzige Unternehmen, bei dem sich Wickern beworben hat. Stets über Portale, darunter Unternehmen mit komplexen, zeitaufwendigen Systemen, in anderen ging es einfach und schnell. Die leichte Art der Bewerbung war für sie ein positiver Nebeneffekt bei der Entscheidung für Henkel: Sie kannte das Unternehmen bereits aus ihrem Praktikum.

Bewerberportale von Unternehmen haben eine hohe Akzeptanz "und selbstverständlich sind den Firmen Bewerbungen darüber am liebsten, wie sie dann alle Daten elektronisch im System haben", sagt Karriereberater Jürgen Hesse aus Berlin. Bewerbungen über Unternehmensportale waren aufwendig, in den letzten Jahren werden sie immer einfacher. Das ist ein Trend. "Den Firmen kommt es heute darauf an, schnell einen Eindruck zu bekommen, ob ein Kandidat für die Stelle infrage kommt", sagt Hesse. Aber aus sogenannten One-Klick-Bewerbungen können Personaler nicht viel ableiten. Dennoch ergeben sie für die Unternehmen Sinn.

One-Klick-Bewerberportale bringen Masse, wie das Beispiel Henkel zeigt und unter einer Vielzahl an Bewerbungen werden schon einige interessante Kandidaten dabei sein. "Die Unternehmen agieren wie Fischer, die ein großes Netz auswerfen, viele Fische fangen, aber nur ganz bestimmt wollen", sagt Hesse.

Der Sinn der Klick-Klick-Fertig-Bewerbungen liege darin, immer mehr Menschen für das Unternehmen zu interessieren. In kurzer Zeit entscheidet dann der Computer, ob man sich jemanden anschauen soll oder nicht. Große und mittelständische Unternehmen setzen solche Software zur Vorselektion ein. Das beschleunigt Bewerbungsprozesse, spart Zeit und Geld.

Hesse bezweifelt nicht, dass Henkel innerhalb eines Vierteljahres rund 1.000 neue Mitarbeiter eingestellt hat. Er zweifelt aber wohl daran, dass das alles neue und damit zusätzliche Stellen sind. "In Krisenzeiten wie jetzt specken Firmen teures und älteres Personal ab." Junge von der Uni ersetzen Erfahrene. "Dafür ist jetzt ein günstiger Zeitpunkt und aktuell wird Corona als Grund genannt, obwohl die Pandemie manchmal mit der Personalumschichtung nichts zu tun hat", so Hesse. Die hohe Anzahl an Bewerbungen liegt nach seiner Einschätzung ebenfalls an Corona: Mitarbeiter von gefährdeten Unternehmen suchen einen wieder sicheren Arbeitsplatz in einer stabilen Firma. Weil viele Unternehmen gefährdet sind, gibt es viele Bewerber.

(axk)