Netflix grüner als gedacht

Wie sehr schadet das Videostreaming über Netflix durch Energieverbrauch und Herstellung der Endgeräte dem globalen Klima? Die Antwort könnte überraschen.

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Netflix grüner als gedacht

Beim Online-Videostreaming am großen Fernsehschirm verbraucht letzterer den meisten Strom.

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Videostreaming etwa per Netflix schadet Umwelt und Klima weitaus weniger, als es die französische Organisation "The Shift Project" im Sommer 2019 behauptet hat. Schon im März 2020 hatte George Kamiya von der Internationalen Energieagentur (IEA) auf viel zu hohe Schätzwerte für die Datenmenge beim Streaming sowie den Energiebedarf von Rechenzentren und Netzwerken in der Shift-Studie "Climate Crisis: The unsustainable use of Online Video" hingewiesen.

Demnach waren einige Werte um das 30- bis 60-fache zu hoch angesetzt. Auf der Seite der Streaming-Nutzer verschätzte sich die Shift-Studie hingegen in umgekehrter Richtung, weil sie vorwiegend den Strombedarf von Mobilgeräten einrechnete, obwohl Netflix-Videos vorwiegend über den großen TV-Schirm flimmern.

Netflix selbst hat im Nachhaltigkeitsreport für 2019 den eigenen Stromverbrauch auf rund 450 Millionen Kilowattstunden beziffert, wovon der größte Teil bei Cloud-Dienstleistern wie AmazonAWS und Google Cloud anfällt. Bei 167 Millionen Netflix-Abonnenten, von denen jede und jeder täglich rund 70 Minuten streamen, ergeben sich daraus rund 7 Watt Leistungsbedarf für einen laufenden Stream. Dieser Strom stammt zum Teil aus erneuerbaren Quellen, für den Rest kauft Netflix Zertifikate (RECS), sodass er rechnerisch ebenfalls "ergrünt". Besonders in der Corona-Pandemie haben Videostreamingdienste allerdings einen enormen Boom erlebt, sodass Internetprovider unter der großen Last gelitten haben.

Auf dem Fachkongress Electronics Goes Green (EGG) 2020 hat nun der Ericsson-Forscher Jens Malmodin gezeigt, weshalb sich ältere Schätzwerte für die Energieintensität von Datentransfers – also Angaben beispielsweise von Kilowattstunden pro Gigabyte (kWh/GByte) – nicht gut zur Modellierung des Streaming-Energiebedarfs eignen. Vor allem die Netzwerktechnik zum Anschluss der Endverbraucher läuft nämlich kontinuierlich und schluckt dabei Leistung, die nur in relativ geringem Maße von der tatsächlich übertragenen Datenmenge abhängt. Für einen durchschnittlichen DSL-Zugang mit 100 MBit/s sind nach Malmodins Einschätzung 18 Watt nötig, die man dann auf die Anzahl der Nutzer im Haushalt verteilen kann. Addiert man in einem Einpersonenhaushalt dazu 7 Watt für Netflix, ergeben sich 25 Watt. Mit rund 100 Watt ist das heimische TV-Gerät dann der größte Verbraucher beim Online-Streaming. Folglich könnte man Energie sparen, indem man stattdessen ein Mobilgerät verwendet.

Dieser Artikel stammt aus c't 20/2020.

(ciw)