Ein Plädoyer für digitale Diversität

Weibliche Haushaltsroboter führen unsere Gesellschaft nicht in die Zukunft, egal wie praktisch ihre Dienste scheinbar sind. Der digitale Helfer braucht ein Reboot, damit er mehr Vor- als Nachteile bringt.

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Sie sind freundlich, genügsam, versuchen manchmal sogar witzig zu sein, sind stets dienstbar und fallen nur selten aus der Rolle: die Siris, Alexas, Cortanas und ihre ganzen kleinen Schwestern, die den Boden saugen oder das Bier im Kühlschrank nachbestellen. Haben Sie sich auch schon einmal gefragt, weshalb sie alle mit samtiger Frauenstimme zu Ihnen sprechen?

Die australischen Forscherinnen ­Yolande Strengers und Jenny Kennedy fassen all diese Haushalts- und Gesellschaftsroboter, digitalen Assistenten und Sexpuppen zu „The Smart Wife“ zusammen und legen in akribischer Recherchearbeit dar, „weshalb Siri, Alexa und andere Smart-Home-Devices ein feministisches Reboot benötigen“.

Wer dieses Buch nicht liest, weil im Untertitel das Wort „Feminismus“ steht, und ohnehin denkt, ein digitaler Assistent mit weiblicher Stimme sei halt einfach angenehmer, verpasst eine kluge Analyse unserer Technikgesellschaft. Knapp 60 Seiten Anhang mit Erklärungen und Quellen zeigen: Da waren keine Feministinnen, sondern Forscherinnen am Werk. Die Autorinnen zerlegen all die Stereotype und Klischees, die uns in den Bann der „Smart Wifes“ ziehen. Immer wieder liegen die Fakten über die Manipulationen nackt vor uns, die Jeff Bezos und andere geschickt in unsere Häuser geschleust haben.

Alles begann bei Rosie, dem quirligen Dienstmädchenroboter auf Rollen, der den „Jetsons“ von Danny Graydon den Alltag erleichtert hat. Die Zeichentrickserie war in den 1960er-Jahren ein Blick auf die amerikanische Familie der Zukunft, und Rosie trug Schürze und Häubchen. Mit ihr weht heute wieder der Wind der perfekten Hausfrau durch unsere Wohnungen. Denn auch das belegen die Forscherinnen ganz klar: Die modernen dienstbaren Geister sind die Entwicklungen von Männern für Männer. Und die Vernetzung einer Alexa vergleichen die Autorinnen mit den Borg aus „Star Trek“ – kybernetisch aufgerüsteten Menschen mit weiblichem Schwarmgeist. Strengers und Kennedy lassen uns jedoch nicht mit der Analyse allein, sondern stellen am Ende ihren Ausweg in neun Schritten vor – den Reboot des Smart Wife.

Die Autorinnen finden dabei einen spritzigen Ton, der die Härte nimmt. Allerdings verlieren sie sich teilweise in Details und damit den Faden – der Klassiker, wenn man zu viel weiß und zu viel sagen möchte. Dennoch bietet dieses Buch viele Aha-Effekte. Nur schade, dass „Feminismus“ auf dem Titel steht. Damit werden es diejenigen, für die es am interessantesten wäre, wohl nicht lesen.

Yolande Strengers, Jenny Kennedy: „The Smart Wife“ The MIT Press, 312 Seiten, 23,79 Euro (E-Book 18,47 Euro)


(bsc)