Legendäre Berliner Bitcoin-Bar Room 77 schließt

Für manchen Bitcoiner war es der erste Ort, an dem man mit Kryptogeld bezahlen konnte. Doch nun macht die Bar Room 77 in Berlin Kreuzberg dicht.

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Legendäre Berliner Bitcoin-Bar Room 77 schließt

Geistige Getränke und klare Ansagen zur Geldpolitik: Das war das Room 77.

(Bild: Stefan Krempl/heise online)

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Es dürfte eines der ersten stationären Geschäfte weltweit gewesen sein, in dem Kunden mit dem Kryptogeld Bitcoin bezahlen konnten: die Burger-Bar Room 77 in Berlin-Kreuzberg. Doch nun werde die Kneipe ihre Pforten endgültig schließen, teilte Betreiber Joerg Platzer via Reddit mit. Seit Frühjahr 2011 hatte die Bar Bitcoin als Zahlungsmittel angenommen – Bitcoin war noch weit von heutigen Kursen entfernt und eine der ersten große Spekulationsblase auf der längst untergegangenen Börse Mt. Gox stand kurz bevor.

Die Mission, der Menschheit ein wirklich hartes Geld schmackhaft zu machen, sei erfüllt und man könne nun auf seinen Heimatplaneten zurückkehren, von dem man einst gekommen sei, heißt es im Abschiedsposting, das in Anspielung auf die Sci-Fi-Satire "Per Anhalter durch die Galaxie" gehalten ist. Platzer bestätigte das Ende gegenüber heise online: "Der Bitcoin ist mittlerweile groß genug, um ohne eine Kreuzberger Rock'n'roll-Bar klarzukommen." Auch Corona-Vorgaben und eine anstehende Renovierung des Gebäudes gaben den Ausschlag für die Schließung.

Zahlreiche Mitglieder der Bitcoincommunity bedauerten das Ende und ließen etwa Erinnerungen an den ersten Ort Revue passieren, an dem sie tatsächlich zum ersten Mal Bitcoin ausgeben konnten. Das Room 77 gilt als einer der zentralen Orte für die Entwicklung der europäischen Bitcoin-Szene, Community-Mitglieder aus aller Welt trafen sich dort, zahlreiche Journalisten besuchten die Bar, um über das "Phänomen Bitcoin" zu berichten.

Inhaber Joerg Platzer bezeichnet sich selbst als Bitcoin-Evangelist und hat sich als Aktivist immer wieder für die Verbreitung des Kryptogelds eingesetzt. Seine Kneipe in der Graefestraße in Kreuzberg war auch Ausgangspunkt für den "Bitcoin-Kiez", eine Initiative von Läden der Nachbarschaft, die alle Bitcoinzahlungen akzeptierten. Ähnliche Initiativen gab es auch in anderen Städten London, Amsterdam und sogar Hannover. Auch Deutschlands erster Bitcoin-Automat wurde hier aufgestellt.

Aber wirklich Fuß fasste das Konzept von Bitcoin als Alltagsgeld an der Ladenkasse nicht. Abgesehen von sehr technikaffinen Menschen zahlt nach wie vor kaum jemand damit. Überhaupt scheint auch die Vision einer freien Weltwährung für breite Schichten als Leitmotiv der Kryptogeld-Szene ausgedient zu haben.

Aus der einen Digitalwährung ist längst eine ganze, kaum überschaubare Kryptogeld-Ökonomie mit einem bunten Strauß an Währungen, Tokens, Dienstleistern, Börsen, dezentralen Apps und ähnlichem erwachsen. Und nicht selten steht nur die Spekulation auf spektakuläre Kursentwicklungen im Vordergrund. "Die Bitcoin-Community, die es mal gab, sie existiert nicht mehr. Ich ertappe mich immer wieder dabei, von 'Wir' zu sprechen und merke dann, dass es das gar nicht mehr gibt", reflektierte Platzer vor einiger Zeit die Entwicklung im Gespräch mit dem Fachdienst Coindesk. (axk)