EZB: Digitaler Euro soll programmierbar werden – aber kein reines Krypto-Asset

Die Europäische Zentralbank hat in einer Studie mögliche Formen von staatlichem E-Geld beleuchtet. Schon festgelegt ist sie dabei in nur zwei Punkten.

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EZB in Frankfurt.

(Bild: dpa, Boris Roessler)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Sascha Mattke

In Schweden hat in einem Pilot-Projekt schon die konkrete Entwicklung einer E-Krona als digitale Zentralbankwährung begonnen, und auch in der Eurozone soll es damit jetzt vorangehen. Wie die EZB Anfang Oktober mitteilte, "intensiviert" sie die Arbeit an einem digitalen Euro und wollte Mitte des Monats Konsultationen sowie eine nicht näher spezifizierte Testphase starten.

Gleichzeitig veröffentlichte EZB eine ausführliche Studie zu dem Thema. Darin erklärt die Zentralbank sowohl den Bedarf für staatliche Digitalwährungen als auch mögliche Formen davon – und lässt erkennen, dass der E-Euro sogar annähernd so dezentral wie Bitcoin und so programmierbar wie Ethereum werden könnte.

"Wir sollten darauf vorbereitet sein, einen digitalen Euro einzuführen, wenn das erforderlich wird", sagte die EZB-Präsidentin Christine Lagarde bei der Vorstellung der aktuellen Informationen. Allgemein ist für Europa, anders als in Schweden, beim digitalen Staatsgeld aber noch so ziemlich alles offen. Aber das bedeutet auch: Während sich das skandinavische Land schon für eine relativ restriktive Wallet-Variante mit Banken als Intermediären entschieden hat, könnte der digitale Euro einer echten Blockchain-Währung deutlich näher kommen.

Wie die Autoren der EZB-Studie betonen, wollen sie darin nicht für eine bestimmtes System argumentieren und keine endgültigen Schlüsse über Fragen von Einrichtungsaufwand oder Betriebskosten ziehen. Jedes potenzielle System müsse eine Reihe von Prinzipien und Anforderungen erfüllen, die zunächst einmal allgemein formuliert würden. Neben Punkten wie Robustheit, Sicherheit und Datenschutz (die wohl auch Nutzer privaten Digitalgelds wie Bitcoin interessieren) zählt für die Zentralbank dazu auch die Beachtung von Gesetzen gegen Geldwäsche und Terrorismus-Finanzierung.

Der frühe Siegeszug der originalen Kryptowährung Bitcoin weckte bei manchen die Hoffnung oder auch die Sorge, das globale Geldwesen werde bald ganz ohne Zentral- und Geschäftsbanken funktionieren, und damit letztlich auch ohne Kontrollmöglichkeiten von Staaten. Als dann Facebook Mitte 2019 sein Geld-Projekt Libra vorstellte, zeigten sich Politiker weltweit erschrocken davon und Zentralbanken fühlten sich zu mehr eigener Aktivität in diesem Bereich genötigt. Mittlerweile hat Libra viel von seinem Schrecken verloren – aber die Arbeit an staatlichem E-Geld geht weiter, wie nicht nur die EZB zeigt.

Eines ist für den digitalen Euro laut der Studie schon klar: Geschäftsbanken werden für ihn weiterhin eine Rolle zu spielen haben, selbst wenn Transaktionen damit wie bei Bitcoin dezentral überprüft und verwaltet werden. "Mindestens" würden regulierte Intermediäre (also die Banken, die heute Konten und Zahlungsverkehr anbieten) dafür gebraucht, die berechtigten Nutzer des staatlichen Digital-Geldes zu registrieren und zu identifizieren. Die Zentralbank will also nicht, obwohl das nicht nur mit einer von ihr gesteuerten E-Währung durchaus möglich wäre, Millionen Konten für Private selbst einrichten.

Hier zeigt sich ein Zielkonflikt: Mehr Kontrolle über das eigene Geldwesen als mit Konten direkt bei der Zentralbank geht nicht, aber das würde auch den maximalen Aufwand für die EZB bedeuten. Das andere Extrem wäre eine dezentrale Infrastruktur wie bei Bitcoin oder allgemeiner mit Blockhain-Technologie für verteilte Buchführung (Distributed Ledger Technology, DLT). Bei diesem Modell könnte sich die EZB darauf beschränken, Standards für die Sicherheit der genutzten Blockchain vorzugeben. Ihre "operative Belastung" wäre dann laut der Studie deutlich geringer, aber der Preis dafür sei, unerprobte "Frontier"-Techniken einzusetzen.

Während dieser Punkt und die meisten anderen in der Studie nicht abschließend bewertet werden, weist die Zentralbank darauf hin, dass ihr digitaler Euro definitiv nicht als "Krypto-Asset" zu verstehen sei und auch nicht als bloße "Stablecoin". Beides sind Begriffe aus der freien Digitalgeld-Szene und stehen für unterschiedliche Formen von Blockchain-Systemen. Doch gegenüber all dem habe der kommende E-Euro eine Besonderheit, schreiben die Autoren: Wie Bargeld sei er unabhängig von der letztlichen Ausgestaltung stets eine direkte Verbindlichkeit der Zentralbank, die für den Werterhalt dieser Forderung verantwortlich sei.

Diese neben der Einbeziehung der Banken zweite Festlegung in der Studie ist tatsächlich ein entscheidender Unterschied zu allen nicht-staatlichen Geldformen, seien sie analog oder digital: Abgesehen von einer Revolution würde keinerlei Risiko bestehen, dass die EZB als Schuldner hinter den E-Euros zahlungsunfähig wird.

Alle anderen modernen Möglichkeiten könnten aber trotzdem genutzt werden. Nach Bitcoin kam das modernere Kryptowährungssystem Ethereum, in dem automatische Verträge (smart contracts) codiert werden können. Und zumindest in einem offensiven Szenario (der Digital-Euro wird zur Unterstützung der technischen Weiterentwicklung im EU-Finanzwesen eingeführt) nennt die Studie seine "Programmierbarkeit" als feste Anforderung. (sma)