Framework Qt 6: Abomodell könnte zum Fallstrick für kommerzielle Kunden werden

Der Wegfall der Perpetual License bringt Kunden in eine unberechenbare Situation: Ohne laufendes Abonnement dürfen sie mit Qt entwickelte Software nicht nutzen.

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(Bild: zeevveez CC-BY 2.0 (bearbeitet))

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Rainald Menge-Sonnentag
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Die Qt Company wird die kommende Hauptversion 6 des Frameworks zur Cross-Plattform-Entwicklung für kommerzielle Kunden nur im Abomodell anbieten. Damit geraten die Unternehmen, die Software auf Basis einer kommerziellen Qt-Lizenz nutzen oder gar anbieten, in eine unsichere Situation: Sie dürfen sie nur so lange verwenden oder verkaufen, wie sie eine gültige Subscription haben.

Der Hinweis auf die geplante Änderung kam von einem Heise-Leser, der für ein solches Unternehmen arbeitet. Qt hat wohl alle Kunden in einer Mail über die Änderung informiert, die zwar im Web ebenfalls ersichtlich ist, aber bisher unter dem Radar der vielen Meldungen im Qt-Blog zum kommenden Release lief.

Ihre Kunden informierte die Qt Company mit dem üblichen Hinweis auf die Vorzüge, die das Abomodell gegenüber der Pepetual License habe, inklusive einem Bonus für diejenigen, die vor dem Jahresende auf die Subscription wechseln.

Das Mailing bietet Schnellentschlossenen zusätzliche Vorteile an.

Der Leser schilderte uns die Zwickmühle, in der sich sein Unternehmen und andere Qt-Kunden befinden. Um mit dem Framework entwickelte Software zu verwenden, existieren bisher drei Optionen: das Abo, eine Perpetual License und der Open-Source-Ansatz mit der GNU Lesser General Public License (LGPL). Letzteres Modell entfällt aufgrund komplexer Vorgaben für einige Anbieter. Zudem hat die Qt Company Anfang des Jahres angekündigt, für Open-Source-Versionen keine LTS-Varianten (Long-term Support) mehr anzubieten. Im April wies die KDE-Community zudem auf eine geplante Änderung hin, mit der sich Open-Source-Releases um bis zu zwölf Monate gegenüber kommerziellen verzögern könnten.

Der Vergleich der kommerziellen Lizenzen ist wie häufig eine Frage der Abwägung: Das Abomodell bietet regelmäßige Updates und ist zunächst günstiger, dafür ist die Perpetual License zukunftssicherer. Daher hatte sich das Unternehmen des Lesers für Letztere entschieden.

Mit der Umstellung auf ein reines Abomodell ist die Qt Company nicht alleine: Microsoft pusht entsprechende Modelle, und der Toolhersteller JetBrains war vor fünf Jahren komplett auf den Verkauf von Abonnements umgestiegen. Bei Qt kommt jedoch ein wesentlicher Unterschied hinzu: Wer kein Office-Paket oder keine Entwicklungsumgebung mehr unter Lizenz hat, muss lediglich rechtzeitig sicherstellen, dass die Inhalte weiter nutzbar sind. Anschließend lassen sich beispielsweise die Texte in LibreOffice oder der Sourcecode in Visual Studio Code weiterbearbeiten.

Für mit dem Qt-Framework entwickelte Software steht aber eindeutig in den Vorgaben zur Subscription: "Wenn das Abonnement ausläuft, hat der Kunde keinen Zugang zum Verwenden oder Verteilen kommerzieller Software, die mit Qt entwickelt wurde". Für die Perpetual License sieht das anders aus: "Sie können das Produkt für die Ewigkeit weiter nutzen, nachdem der Maintenance-Vertrag abläuft" steht in dem zugehörigen FAQ-Eintrag – lediglich mit der Einschränkung, dass Qt keine Garantie auf den Support der jeweils gekauften Version gibt. Im selben Eintrag findet sich der Nebenvermerk, dass für den Zugang zu Qt 6 eine Subscription-Lizenz erforderlich ist.

Im Mai ist Qt 5.15 als letztes LTS-Release der 5er-Reihe von Qt erschienen. Gleichzeitig war es das erste, das LTS nur kommerziellen Kunden bietet, für die der Support noch bis 2023 läuft. Das kommende Qt 6, für das im Oktober die erste Beta herauskam, bringt zahlreiche Neuerungen mit, die kommerzielle Anbieter ihren Kunden kaum vorenthalten wollen.

Die Unsicherheit ergibt sich laut dem Leser vor allem aus der intransparenten Preispolitik des Unternehmens: "Effektiv könnte Qt die Subscription so teuer machen, dass es für uns nicht möglich ist unsere Software (die mit Qt erstellt wurde) zu nutzen", schreibt er in seiner Mail. Dazu führt er den auch aus seiner Sicht sehr unwahrscheinlichen, aber nicht unmöglichen Fall auf, dass Qt durch Exportbeschränkungen der Verkauf des Frameworks an sein Unternehmen untersagt würde.

Sein Unternehmen wird wohl auf den Umstieg verzichten, da das geschäftliche Risiko zu hoch sei. Somit bleibt es bei Qt 5, wenn es tatsächlich keine dauerhaften Lizenzen für Qt 6 geben wird. Damit sind kommende APIs oder zusätzliche Betriebssysteme hinfällig, wenn sie nur von kommenden Qt-Release unterstützt werden.

(rme)