Der Taj Mahal der Infografik

Jan Schwochows Bildband ist mehr als eine Ansammlung von Infografiken: Er zeigt die hohe Kunst des visuellen Geschichtenerzählens.

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Wussten Sie, dass der chinesische Admiral Zheng He im 15. Jahrhundert mit einer Flotte von mehr als 300 Schiffen um die halbe Welt gesegelt ist – allein 20 davon Wassertanker? Oder dass Luxemburg das EU-Land mit dem höchsten Ausländeranteil ist und Estland das mit der kleinsten Pro-Kopf-Verschuldung? Dass es auf den Philippinen einen See mit einer Insel mit einem See mit einer Insel mit einem See mit einer Insel gibt? Dass Hummer einen absoluten Spitzenrang im Tierreich einnehmen, wenn man ihre Lebensdauer ins Verhältnis zu ihrem Fortbewegungstempo setzt?

Oder wollten Sie immer schon einmal den Stammbaum praktisch aller europäischen Königskinder bis George Ludwig I. und Sophie Dorothea von Braunschweig-Lüneburg-Celle zurückverfolgen? Oder auf einen Blick sehen, wie sich die Ampelmännchen von Land zu Land unterscheiden? Oder wie sich der Rumpfquerschnitt auf das Fahrverhalten von Booten auswirkt? Wie sich die Liebschaften, Waffen und Todesursachen bei James Bond seit Dr. No entwickelt haben? Woraus ein typisches Frühstück in Russland, Guatemala oder Tansania besteht? Welche Zerfallsprodukte ein Multiquarksystem erzeugt? Welches die weltweit gefährlichsten Infektionskrankheiten sind? In welchem Verhältnis das Bruttoinlandsprodukt eines Landes zur Zahl der Tötungsdelikte steht? Was eine durchschnittliche Nationalhymne auszeichnet? Auf welchen Wegen eine Innovation disruptiv wird?

Seinen Titel „Die Welt verstehen“ trägt der kiloschwere Wälzer von Jan Schwochow zu Recht. Bei jedem Durchblättern bleibt der Blick bei neuen Details hängen, erschließen sich neue Zusammenhänge. So breit die Themenmischung, so vielfältig auch die Darstellungsformen: klassische Infografiken und -karten, Explosionszeichnungen, wissenschaftliche Illustrationen, Zeitstrahlen, Wörterwolken, Flussdiagramme und Comic-Strips in sämtlichen Spielarten und Mischformen, stets liebevoll gezeichnet und sorgfältig recherchiert. „Ich sehe mich nicht nur als Grafiker“, schreibt Schwochow im Vorwort. „Ich bin vor allem ein Geschichtenerzähler. Ich bin ein visueller Autor, ähnlich wie ein Filmregisseur.“ So erzählt er etwa über mehrere Seiten die Geschichte der Terroranschläge vom 11. September 2001, vom Werdegang der Täter bis zur Architektur des World Trade Centers. Mal sind die Grafiken intuitiv eingängig, mal muss man sich in sie hineindenken. Aber immer lohnt sich die Beschäftigung mit ihnen.

Buch: "Die Welt verstehen mit 264 Infografiken"
Autor: Jan Schwochow
Verlag: Prestel, 568 Seiten
Preis: 59 Euro

(bsc)