Gastronomie: Weniger Gäste könnten Corona-Verbreitung stark senken

Forscher haben mit Handy-Standortdaten berechnet, dass eine Beschränkung auf 20 Prozent der Gäste Infektionen in Restaurants um 80 Prozent reduzieren könnte.

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(Bild: Free-Photos / Pixabay)

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Von
  • Charlotte Jee

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass Aufenthalte in öffentlichen Innenräumen mit einem gewissen Risiko verbunden sind. Einige Veranstaltungsorte sind dabei deutlich riskanter als andere, insbesondere dann, wenn sie klein und überfüllt sind. Laut einem Artikel im Fachmagazin Nature sollen die schon als Covid-19-Hotspots bekannten Restaurants viermal riskanter sein als etwa Fitnessstudios.

Die Zahl der Neuinfektionen Restaurants ließe sich allerdings drastisch reduzieren, würde die maximale Gästezahl auf 20 Prozent der Kapazität begrenzt. Das besagt das Modell eines aus Epidemiologen, Informatikern und Sozialwissenschaftlern der Universitäten Stanford und Northwestern bestehenden Teams, das seine Erkenntnisse in dem Nature-Artikel zusammenfasst.

Die Forscher werteten die Smartphone-Bewegungsdaten von fast 100 Millionen Menschen in den zehn größten US-Städten aus, um zu bestimmen, wo sie sich mit dem neuen Coronavirus infizierten. Die vom 1. März bis 1. Mai 2020 gesammelten, anonymisierten Standortdaten stammten von dem Unternehmen SafeGraph. Sie enthielten die Bewegungsmuster der Menschen in ihrer Wohngegend und von ihren Besuchen in Fitnessstudios, Lebensmittelgeschäften, Restaurants und Kirchen.

Anhand dieser Daten versuchten die Forscher mit ihrem Modell, Covid-19-Infektionen mithilfe dreier Messwerte vorherzusagen: Wie groß der Veranstaltungsort war, wie lange sich Personen darin aufhielten und wie viele Menschen in dem jeweiligen Gebiet wahrscheinlich infektiös waren. Anschließend verglichen sie die vorhergesagten Infektionszahlen mit den offiziellen Zahlen, die in diesen Stadtteilen im selben Zeitraum registriert wurden. Das neue Modell war in der Lage, tatsächliche Fälle genau vorherzusagen, sagt das Team. Durch die Simulation verschiedener Szenarien – zum Beispiel Wiedereröffnung bei voller Kapazität oder mit Obergrenzen wie 50 Prozent der Kapazität – stellten die Forscher fest, dass eine Obergrenze von 20 Prozent der Kapazität die Infektionsraten um 80 Prozent senken würde.

Die Studie ergab darüber hinaus, dass im untersuchten Zeitraum gerade mal zehn Prozent der Standorte 85 Prozent der Infektionen etwa in Chicago ausmachten - wahrscheinlich aufgrund von sogenannten Superspreading-Ereignissen. Das deutet darauf hin, dass die neuen Belegungsobergrenzen die Übertragungsraten erheblich senken und den Unternehmen die Möglichkeit geben könnten, geöffnet zu bleiben. Da sich diese Obergrenzen meist nur auf Besuche während der Stoßzeiten auswirken würden, so die Autoren, würden Restaurants durchschnittlich etwa 42 Prozent der Kunden verlieren.

Die Forscher betonten, dass Maßnahmen wie das Tragen von Masken und Abstandhalten ebenfalls Teil der Mischung sein müssten, um sicher wieder zu öffnen. „Unsere Arbeit zeigt, dass es nicht alles oder nichts sein muss und wir verschiedene Methoden für verschiedene Orte wählen können“, sagt Informatiker Jure Leskovec von der Stanford University. „Sie bietet politischen Entscheidungsträgern ein Instrument, um Kompromisse einzugehen.“

Die Studie beleuchtet auch genauer, warum das Risiko, sich mit Covid-19 zu infizieren und daran zu sterben, so eng mit der ethnischen Zugehörigkeit und sozioökonomischem Hintergrund korreliert. Zum einen stellte das Modell fest, dass Menschen in Stadtteilen mit mehr dunkelhäutigen Einwohnern und niedrigerem Durchschnittseinkommen nicht so viele Möglichkeiten haben, ihre Mobilität zu verringern, weil sie häufiger Jobs haben, die sie nicht zu Hause ausüben können. Zum anderen sind öffentliche Orte wie Lebensmittelgeschäfte in Gegenden mit niedrigerem Einkommen tendenziell eher überfüllt und verursachen längere Aufenthalte, was wiederum das Infektionsrisiko erhöht.

Belegungsobergrenzen haben allerdings auch einen offensichtlichen Nachteil: Sie verursachen Einkommenseinbußen, möglicherweise bis zur wirtschaftlichen Unrentabilität. Deshalb ist das nächste komplexe und umstrittene Problem, herauszufinden, ob solche Unternehmen trotz Besucherbegrenzung genug Geld verdienen, um geöffnet zu bleiben oder ob die Regierung sie subventionieren sollte. (vsz)