Regierung lehnt Sonderregeln für IT-Freelancer ab

Selbstständig oder angestellt: Der Status von externen IT-Profis ist in vielen Unternehmen seit Jahren ein heikles Thema. Und das dürfte auch so bleiben.

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(Bild: Bild: Gerd Altmann, Pixabay)

Lesezeit: 3 Min.

Die Bundesregierung hat Forderungen aus der Wirtschaft zurückgewiesen, spezielle Regeln für die Definition von Selbstständigkeit im IT-Bereich zu erlassen. Dabei geht es um die Frage, ob freie IT-Spezialisten bei längerer Tätigkeit für eine Firma als Angestellte eingestuft werden können.

Es wäre "ein falscher Weg, branchen- oder tätigkeitsbezogene Sonderregelungen für angeblich nicht schutzbedürftige Personenkreise zu schaffen", sagte ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums auf Anfrage von c’t. Zuvor hatte der Digitalverband Bitkom ein Gutachten veröffentlicht, das den Gesetzgeber auffordert, spezielle Regeln für IT-Freelancer festzulegen.

Hintergrund des Streits zwischen Politik und Wirtschaft sind die sogenannten Statusfeststellungsverfahren der Deutschen Rentenversicherung. Diese prüft, ob ein Selbstständiger tatsächlich selbstständig ist oder abhängig beschäftigt. Es kommt dabei immer wieder vor, dass freie IT-Profis, die für Unternehmen Projekte umsetzen, zu Angestellten erklärt werden – auch gegen ihren Willen. In der Folge müssen Arbeitgeber zum Beispiel Sozialversicherungsbeiträge abführen, auch rückwirkend für mehrere Jahre. Über die Folgen der vermeintlichen Scheinselbstständigkeit hatte c’t bereits 2017 berichtet.

Aufgrund dieses Risikos verzichten manche Unternehmen sogar darauf, Freelancer zu engagieren. "Wichtiges Know-how von selbstständigen IT-Experten kann nicht genutzt werden und die digitale Transformation von Wirtschaft und Verwaltung wird ausgebremst", warnt der Bitkom.

Lösungswege schlägt der Arbeitsrechtsexperte Markus Stoffels von der Universität Heidelberg vor: Der Gesetzgeber müsse den weiten Begriff des "Beschäftigten" an den engeren Begriff des "Arbeitnehmers" anpassen, fordert er in einem Gutachten, das er im Auftrag des Bitkom erstellt hat.

Alternativ sollten für externe IT-Berater gesetzliche Positivkriterien formuliert werden, die für eine Einstufung als Selbstständige sprechen. Als Kriterien schlägt Stoffels unter anderem ein Jahreseinkommen von mehr als 82.800 Euro und den "Nachweis einer angemessenen Altersvorsorge" vor. "Wo keine prekären Beschäftigungsbedingungen gegeben sind und die Leistungserbringer nicht schutzbedürftig sind, darf ihnen auch nicht der Status der abhängigen Beschäftigung oktroyiert werden", argumentiert er. Er verweist auf eine Allensbach-Studie, laut der IT-Freelancer im Durchschnitt knapp 4700 Euro im Monat verdienen, nach Abzug aller Kosten und Steuern.

Das Bundesarbeitsministerium wies die Reformvorschläge zurück. Das Schutzbedürfnis des Einzelnen könne sich im Laufe der Zeit wandeln, "was viele selbstständig Tätige derzeit durch die Folgen der Coronakrise schmerzhaft erfahren", sagte ein Sprecher. Zudem sei die Sozialversicherung "neben dem Schutz des Einzelnen dem Schutz der Solidargemeinschaften verpflichtet". Das individuelle Bedürfnis dürfe deshalb nicht zum Maßstab für die Versicherungspflicht werden.

Darüber hinaus wären Spezialregeln für die IT-Branche aus Sicht des Arbeitsministeriums zu starr. "Die Folge wäre, dass der Gesetzgeber neuen Entwicklungen am Arbeitsmarkt hinterherhinken würde und darauf mit Anpassungen reagieren müsste", so der Sprecher.

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(cwo)