US-Behörde für Cybersicherheit dürfte unter Regierung Biden mächtiger werden

Noch sorgt der abgewählte Präsident der CISA für Unruhe, aber eine überparteiliche Koalition will die Abwehr von Online-Gefahren stärker zentralisieren.

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(Bild: Photo by Scott Webb on Unsplash)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Patrick Howell O'Neill
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Mitte November hat US-Präsident Donald Trump Chris Krebs entlassen, bis dahin einer der obersten Cybersicherheit-Beauftragten der US-Regierung. Der Rauswurf – via Twitter - erfolgte, weil Krebs Falschinformationen zur Wahl entgegengetreten war, die zum Großteil aus dem Weißen Haus selbst stammten.

Im Jahr 2017 hatte Trump Krebs zum Leiter der Cybersecurity and Infrastructure Security Agency (CISA) ernannt. Die Behörde hat die Aufgabe, kritische Infrastrukturen der USA zu schützen, was Technologie für Wahlen ebenso betrifft wie die Herstellung von Impfstoffen oder staatliche IT-Systeme. Viele der sensibelsten Netze fallen in die Zuständigkeit der CISA. Doch jetzt ist Krebs weg und die Präsidentschaft von Trump endet. Was bedeutet das für eine der wichtigsten Cybersicherheitsagenturen der USA?

Schon seit Jahren gibt es eine überparteiliche Initiative, um die Arbeitsweise der US-Regierung im Cyberspace auf neue Beine zu stellen. Damit könnte die CISA bald eine wichtigere Rolle mit einem größeren Budget, gestärkter Position und deutlicher Unterstützung aus dem Weißen Haus erhalten. "Ich glaube, dass die CISA in einer sehr starken Position ist", sagt Susanne Spaulding, die Vorgängerin von Krebs, deren Name schon als mögliche Heimatschutz-Ministerin in einer Regierung Biden genannt wurde. "Die prinzipientreue Haltung von Chris Krebs trägt weiter zum Ansehen und zur Reputation der CISA bei. Es gibt starke überparteiliche Unterstützung für einen Ausbau ihrer Position".

Der neue Interimsdirektor der Behörde, Brandon Wales, ist ein Karriere-Beamter, den der Präsident nicht so einfach entlassen kann – aber er könnte versetzt werden. Zuvor hat er 15 Jahre lang im Heimatschutzministerium gearbeitet und wird von aktuellen wie früheren Kollegen weithin gelobt.

In einem Interview mit der US-Ausgabe von Technology Review sprach Wales im September von der wichtigen Rolle der CISA beim Kampf gegen inländische Desinformation. Bislang läuft die Arbeit der Behörde nach Angaben von Mitarbeitern normal weiter, wenn man von einer Verschlechterung der Moral absieht. Trump hat bereits angekündigt, dass er mit Sean Plankey einen weiteren Beamten auf einen hohen Posten bei der CISA setzen möchte. Aber seine Präsidentschaft neigt sich dem Ende zu, und so richtet sich die Aufmerksamkeit auf die fernere Zukunft der Behörde.

Krebs’ Vorgängerin Spaulding war Mitglied der Cyberspace Solarium Commission, einem überparteilichen Kongress-Projekt, das 2019 initiiert wurde, um die Zukunft der US-Strategie im Cyberspace festzulegen. Zu den wichtigsten Punkten dabei zählen nach Einschätzung der Kommission mehr Ressourcen und Zuständigkeiten für die CISA. Ziel der Solarium-Kommission ist, die CISA zur obersten Cybersicherheitsagentur für die Regierung und private Unternehmen in den USA zu machen. Ihr Vorsitzender Angus King soll einer der aussichtsreichsten Kandidaten für den Posten der nationalen US-Aufklärung unter Biden sein.

Zu den Empfehlungen von Solarium zählen mehr Ressourcen, mehr Gebäude, und mehr Aufgaben für die CISA. Die Kommission will ihr die Führungsrolle bei der staatlichen Reaktion auf größere Cyber-Zwischenfälle im staatlichen wie privaten Bereich geben. Außerdem soll sie für die Jagd nach Cyber-Bedrohungen für die gesamte US-Regierung zuständig werden; ausgenommen ist das Militär, das mit rund 9,6 Milliarden Dollar bei steigender Tendenz ein viel höheres Budget für Cybersicherheit hat als die CISA mit 2 Milliarden Dollar.

Mit einer voll ausgebauten CISA hätten "bedeutende Einbrüche, die es in der Vergangenheit bei Regierungssystemen gab, abgemildert und schneller behoben werden können", sagt Mark Montgomery, Geschäftsführer von Solarium. "Und bislang gab es zum Beispiel noch nicht einmal einen größeren Angriff auf das Stromnetz oder Wassersystem – die Art von Angriffen, die einen wünschen lässt, eine stärkere CISA zu haben. Wir hoffen, dass sie bereit ist, bevor es dazu kommt."

Mit dem nahenden Amtsantritt von Biden hoffen Mitglieder beider US Parteien auf ein höheres Budget für die Behörde und ein starkes Signal aus dem neuen Weißen Haus, dass sie zur wichtigsten Stelle der US-Regierung zum Schutz von kritischer Infrastruktur wird; diese wird hauptsächlich von privaten Unternehmen betrieben, ob es um Wahlen, Finanzen oder Energie geht. Zum Mandat der CISA gehören Fragen der Cybersicherheit ebenso wie die Verteidigung gegen andere Bedrohungen wie Terrorismus, Wetterkatastrophen oder Sabotage. Um diese umfangreiche Mission zu finanzieren, braucht die Behörde laut Spaulding deutlich mehr Geld.

Ironisch am plötzlichen Interesse von Trump an der CISA ist, dass das Weiße Haus unter ihm fast nichts getan hat, um die Behörde und ihre Partner in National Security Agency und FBI bei ihrer Arbeit zur Sicherung der Wahlen zu unterstützen. So deutlich wie noch nie hat sich die Regierung ihrer Verantwortung entzogen, bei diesem wichtigen Thema der nationalen Sicherheit die Arbeit unterschiedlicher Behörden zu koordinieren.

"Interessant ist, dass diese Abteilungen und Behörden eine Möglichkeit gefunden haben, sich selbst zu koordinieren, ohne die traditionelle Unterstützung aus dem Weißen Haus", sagt Tom Bossert, Trumps früherer Berater für Innensicherheit, dessen Büro normalerweise dafür zuständig gewesen wäre. Krebs, der NSA-Direktor Paul Nakasone, FBI-Direktor Chris Wray und der Leiter der nationalen Aufklärung hätten es geschafft, sich aufeinander abzustimmen, ohne dass jemand auf dem Stuhl am Kopfende des Tisches saß.

Die langfristige Entwicklung der Behörde wird also zunehmend klar, noch offen ist aber ihre nähere Zukunft. Krebs wurde vor allem deshalb entlassen, weil er die Webseite Rumor Control eingerichtet hatte, um Desinformationen in Echtzeit zu bekämpfen. Noch ist die Seite online und unverändert. Krebs’ Nachfolger Brandon Wales ist hoch angesehen, könnte aber aus der Behörde wegversetzt werden. Also hängt sein Schicksal weiter von den Launen des Noch-Präsidenten ab. "Er ist ein brillanter Analyst", sagt Spaulding, die in der Regierung Obama die Chefin von Wales war. Solange er dort bleiben dürfe, werde er wohl in der Lage sein, die CISA in der Spur zu halten. "Das Problem dabei ist aber natürlich, das sie weiterhin Dinge sagen wird, die dem Weißen Haus nicht gefallen." (sma)