Kommentar: Forks sind die richtige Antwort auf den Open-Source-Streit um Elastic

Elasticsearch steht künftig unter der SSPL. Peter Ganten meint in einem Gastbeitrag, dass der Lizenzwechsel die Stärken von Open-Source-Software demonstriert.

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(Bild: A.Basler/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Peter H. Ganten

Für Kontributoren und alle anderen, die in ihren Projekten auf Elasticsearch gesetzt haben, ist es enttäuschend und ärgerlich, wenn Elastic, das Unternehmen hinter der Software, die Arbeit an und mit der Software praktisch diskreditiert – und zwar durch den Lizenzwechsel von der Open-Source-Lizenz Apache (ALv2) auf eine, ich nenne sie mal „Proprietary Public Source License“. Das gilt natürlich auch, wenn Community-Mitglieder ein Contributor License Agreement (CLA) unterschrieben haben und wissen müssten, dass ein solcher Schritt durchaus möglich ist und eine Lizenzänderung jederzeit erfolgen kann.

Ein Gastbeitrag von Peter Ganten

(Bild: 

Univention GmbH

)

Peter Ganten ist CEO von Univention und Vorsitzender der Open Source Business Alliance (OSBA).

Grundsätzlich gilt zwar und sollte weiterhin gelten, dass jedes Unternehmen sein Lizenzmodell frei wählen kann. Die neue Server Side Public License (SSPL) für Elasticsearch ist jedoch keine Open-Source-Lizenz mehr und die Begründung Doubling down on open kann man deswegen durchaus als sarkastisch bezeichnen. Mit dem Schwenk zu Proprietary Public Source ist der Code zwar weiterhin einsehbar, kann aber oft nur unter schwer erfüllbaren Bedingungen eingesetzt werden.

Mit der Apache-Lizenz war die Nutzung von Elasticsearch offen und frei. Sie erlaubte es Amazon und anderen Hostern, Änderungen vorzunehmen, ohne sie für alle offenzulegen. Falls Elastic wirklich eine Offenlegung vorschreiben wollte, wäre dieses Ziel durch genau dafür geeignete Open-Source-Lizenzen erreichbar gewesen – beispielsweise die Affero-GPL. Sie legt fest, dass der Source Code und damit die eigenen Erweiterungen auch dann freigegeben werden müssen, wenn die Software als Service angeboten wird. Die SSPL hingegen würde etwa Amazon zwingen, darüber hinaus die vollständige zum Betrieb von Amazon Web Services (AWS) notwendige Software einschließlich Weboberfläche und Abrechnungssystem offen zu legen. Das ist praktisch nicht erfüllbar und vor allem nicht angemessen.

Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: Die SSPL kann deswegen als Open Source Lizenz nicht akzeptiert werden, weil sonst die Tür für alle möglichen Sonderauflagen bei bestimmten Nutzungsszenarien geöffnet und damit die mit der Nutzung von Open-Source-Software für Anwender erforderliche Sicherheit verloren ginge.

Doch ganz gleich ob Open-Source- oder proprietäre Software: Änderungen von Lizenzbedingungen sind ein ganz normaler Vorgang. Sie sind für Anwender immer herausfordernd, doch Open Source hat einen entscheidenden Vorteil: Hier sind jederzeit Forks, also neue Projekte auf der Basis des bestehenden Codes möglich. LibreOffice ist das Paradebeispiel für einen erfolgreichen Fork, in diesem Falle von OpenOffice. Weitere sind MariaDB als Abspaltung von MySQL/Oracle oder SuiteCRM als Form von SugarCRM.

Anwender proprietärer Software hingegen landen bei solchen Entscheidungen regelmäßig in einer Sackgasse: Kürzlich hat Atlassian – Confluence, Jira, Trello – entschieden, dass seine proprietären Angebote künftig ausschließlich in der Cloud verfügbar sein werden. Alternativen? Keine. Anwender können nicht mehr entscheiden, wo künftig ihre Daten liegen werden. Sie können diese auch nicht einfach zu einem Fork migrieren. Unternehmen sind quasi beim Anbieter gefangen oder müssen zu einer anderen Lösung migrieren, was meist hohen Aufwand und enorme Kosten verursacht. Zudem müssen sie mit anderen oder weniger Funktionen vorliebnehmen und ihre Prozesse entsprechend anpassen. Ein Fork hingegen ist zu Beginn identisch zu der ursprünglichen Software, so dass eine Migration sehr einfach möglich ist. Diese grundsätzliche Offenheit führt zu deutlich mehr Sicherheit, Planbarkeit und Zuverlässigkeit für Anwender von Open-Source-Software.

Im Fall von Elasticsearch ist nun entscheidend, wie sich die Community verhält. Einen Amazon-Fork gibt es bereits, einen weiteren hat Logz.io angekündigt. Es kann sich also sehr schnell eine substanzielle Gemeinde bilden, aus der neue Geschäftsmodelle entstehen – der Markt ist bei bald 500 Millionen US-Dollar Umsatz von Elastic definitiv vorhanden. Vielleicht wacht Elastic noch auf und rudert zurück. Aber dazu könnte es bereits zu spät sein, weil das Vertrauen verspielt ist, die Community ihren eigenen Weg geht und Elastic zukünftig nur noch in einer eher kleinen Nische existieren wird – so wie heute OpenOffice, MySQL oder SugarCRM.

Siehe zu der Auseinandersetzung um die Elastic-Nutzung durch Amazon:

(fo)