Verantwortung – unklar

Wie sich am Beispiel einer Schnittstelle ein guter Umgang mit Verantwortung angehen lässt, beschreibt "Well Organized"-Blogger Michael Keller.

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Von
  • Michael Keller

Wie sich am Beispiel einer Schnittstelle ein guter Umgang mit Verantwortung angehen lässt, beschreibt "Well Organized"-Blogger Michael Keller.

Liebe Leser und Leserinnen, heute geht es um ein ungeliebtes Thema: Verantwortung. Übernimmt eine Person die Verantwortung für eine Aufgabe, dann ist sie verantwortlich dafür. Die Verantwortlichkeit ist damit geregelt. Eigentlich übernimmt man Verantwortung ständig. Das ist also keine außergewöhnliche Sache. Wer zum Beispiel eine Familie hat, Auto fährt, ein Haus besitzt, der wird dazu die ein oder andere Geschichte erzählen können. In der Arbeitswelt ist das natürlich auch ein Thema. Und zwar ein ziemlich Wichtiges.

Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich nur sagen: Verantwortlichkeiten sind in der Arbeitswelt überraschend oft unklar. Sehr zum Leid aller Beteiligten und der zugrunde liegenden Thematik.

Nehmen wir als Beispiel eine Schnittstelle zwischen zwei Systemen. Das Beispiel passt so schön, weil es hier gleich mehrere Verantwortliche geben kann. In der Praxis sind die oftmals schwer zu identifizieren. Sofern das nicht gleich bei der Planung der Schnittstelle geregelt wurde. Das ist natürlich ein Glücksfall und findet man in "freier Wildbahn" ungefähr so häufig wie Glücksklee, also Augen auf. Um in unser Beispiel angenehm locker einzusteigen, gibt es zwei Parteien (Stakeholder): Eine Fachabteilung und eine IT-Abteilung.

Vom gesunden Menschenverstand ausgehend könnte man nun Folgendes bezüglich der Verantwortlichkeiten erwarten. Die Fachabteilung kümmert sich um die Richtigkeit der fachlichen Inhalte, die mit der Schnittstelle ausgetauscht werden. Die IT-Abteilung dagegen kümmert sich um technische Aspekte wie die Verbindung zwischen den Systemen. OK, man darf so eine Verteilung erwarten. Die Praxis hat aber Besseres parat. Denn ohne Festlegung kommt es gar nicht mal so selten, ach, sagen wir einfach mal häufig vor, dass beide Parteien eine sehr einsame Annahme treffen: Die jeweils andere Partei kümmert sich um alles. Verblüffend, oder? Ach nein, Realität!

Die Annahme ist in ihrer Gefährlichkeit gar nicht zu überschätzen. Am Ende des Tages fühlt sich nämlich niemand verantwortlich. Und das geht einfach nicht. Immerhin ist Selbstheilung keine typische Eigenschaft einer Schnittstelle. Soll heißen: Auftretende Probleme bleiben bis zur ihrer Behebung bestehen. Stolpert nun ein ahnungsloser Mitarbeiter einer der beiden Abteilungen über ein Problem der Schnittstelle und möchte es tatsächlich lösen (ja, das soll vorkommen – zur Häufigkeit von Glücksklee in der Natur habe ich ja schon etwas geschrieben), begibt er sich auf den langen, steinigen Weg der Klärung. Nicht etwa der Klärung des Problems. Erst einmal die Verantwortlichkeiten feststellen. Aber aufgepasst! Die Klärung der Verantwortlichkeiten darf nicht überhand nehmen. Zentrale Motivation ist und bleibt die Lösung des Problems.

Gute Erfahrungen habe ich mit dem Thematisieren von Verantwortlichkeiten zu einem sehr frühen Zeitpunkt eines Schnittstellenprojekts gemacht. Das darf den Beteiligten ruhig im Vorfeld klar sein. Meist sitzt man da auch noch zusammen an einem Tisch, was die Sache wesentlich vereinfacht. Gut, sicherlich nicht in Zeiten von Corona. Da ist es dann das Online-Meeting. Fraglich ist, ob die Verantwortlichkeiten über die Zeit erhalten bleiben. Dokumentieren hilft, ist aber nicht alles. Das muss aktiv tradiert werden.

Aber mal weg von unserem Beispiel. Allgemein ist ein aktives Einfordern der Klärung von Verantwortlichkeiten ein gutes Verhalten. Es zeigt nicht nur Interesse. Denn immerhin bürgt man als Verantwortlicher. Bevor man also eine Aufgabe übernimmt, sollte man auch in die Lage versetzt werden, sie erledigen zu können. Ein Titel ohne Mittel reicht halt nicht. Das kann eine Dokumentation sein, die einem zur Verfügung gestellt wird. Oder eine zusätzliche Qualifikation in Form einer Schulung. Bis dahin sollte man auch deutlich vermitteln, dass man die Verantwortung aus gutem Grund nicht übernehmen kann. Gleichzeitig sollte man aber auch sagen, was einem dazu noch fehlt und ab wann man dazu in der Lage ist. Möglicherweise ist eine bestimmte Verantwortlichkeit bei einem selbst auch vollkommen falsch platziert. Da hilft dann nur der lange, steinige Weg der Klärung.

In diesem Sinne, bleibt gesund und strukturiert
euer Michael ()