Applikationskiller

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Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Bert Ungerer

Zwanzig Jahre Internet-Mail in Deutschland. Der Glückwunsch nach Karlsruhe bleibt mir im Halse stecken: Allein im vergangenen Monat musste mein Spamfilter von 7000 eingehenden E-Mails 6500 aussortieren. Und das ist schon eine spürbare Verbesserung gegenüber den Vormonaten. Eine positive Entwicklung, die sich leider nicht verallgemeinern lässt: Unser Postmaster hat schlicht die Notbremse gezogen, sodass neuerdings im Schnitt 200 offensichtlich sinnlose E-Mails pro Tag und Anwender erst gar nicht ins Haus kommen.

Zehn Jahre Spam. Auch das Jubiläum des Greencard-Usenet-Postings von Canter & Siegel lässt sich in diesem Jahr beklagen oder feiern, je nach Perspektive: Wer mit unerwünschter E-Mail-Werbung Geld verdient, kann besonders teure Korken knallen lassen. Auch wenn hier und da publikumswirksam ein Prozess angestrengt, gar ein Porsche beschlagnahmt wird: Das Geschäft lohnt sich umso mehr, je mehr willige Spam-Konsumenten weltweit zur Verfügung stehen. Ich mag es kaum glauben, aber laut einer Umfrage von Yahoo soll ein Drittel der US-Bürger Spam beantworten und ein Fünftel bereit sein, „bespammte“ Produkte zu kaufen. Diese Kunden sind zuverlässig erreichbar: Yahoo kam auch zu dem Ergebnis, dass es für die Mehrheit der Anwender schlimmer wäre, auf E-Mail als auf Fernsehen und Radio verzichten zu müssen.

Wie alle Bemühungen um die Aufklärung der Anwender scheinen auch Antispam-Gesetze wenig zu bewirken. So wurde Ende Juli das Verfahren gegen Scott Richter (agierend unter Firmennamen wie Wholesalebandwith, Inc.), einen der größten Spammer, gegen eine Geldbuße in Höhe von 50 000 US-$ eingestellt. Doch damit nicht genug: Zum Entsetzen der Antispam-Szene war sich kurz darauf die Deutsche Telekom nicht zu schade, Richters Spamschleudern erneut ans Internet anzuschließen, nachdem ihn innerhalb weniger Wochen sowohl Optigate.net als auch Chunghwa Telecom fallen gelassen hatten wie eine heiße Kartoffel.

Es sieht so aus, als ob die Hersteller von E-Mail-Filtern auch in den kommenden zehn Jahren ein reiches Betätigungsfeld vorfinden werden. Alles andere, etwa ein durchsetzungsfähiger, nicht zu missbrauchender neuer E-Mail-Standard, wäre eine Überraschung. (un)