Forscher entwickeln autonomes KI-Exoskelett für gehbehinderte Menschen

Autonomes Gehen statt autonomes Fahren: Das Exoskelett der Forscher der University of Waterloo löst Bewegungsmuster je nach Umgebung aus.

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Ein KI-gesteuertes Exoskelett soll gehbehinderten Menschen mehr Freiheiten ermöglichen.

(Bild: University of Waterloo)

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Wissenschaftler kombinieren Deep-Learning-Systeme mit robotischen Prothesen, um gehbehinderten Menschen wieder mehr Mobilität zu ermöglichen. Ein Forschungsteam der University of Waterloo im kanadischen Ontario kann dank des KI-Ansatzes darauf verzichten, den Patienten Elektroden etwa für die Steuerung von Exoskeletten in den Körper einzupflanzen.

Die KI-Roboterprothesen handeln je nach Situation autonom. So können Menschen, die aufgrund von Rückenmarksverletzungen, Schlaganfällen, Multipler Sklerose oder anderen Erkrankungen nicht mehr selbstständig laufen können, wieder mehr Bewegungsfreiheit erlangen.

Brock Laschowski, Leiter des Forschungsprojektes ExoNet an der University of Waterloo, erklärt den Ansatz eines Exoskeletts ohne implantierte Elektroden zur Steuerung gegenüber The Register so: "Unser Kontrollansatz würde nicht unbedingt menschliches Denken benötigen. Ähnlich wie bei autonomen Autos, die selbstständig fahren, entwickeln wir autonome Exoskelette, die selbst laufen."

Dazu haben die Forscher um Laschowski die einzelnen Glieder der Roboterprothese mit Sensoren und Kameras ausgestattet. Die Bilder aus der Umgebung werden an Computer-Vision-Algorithmen weitergeleitet, die das Steuerungssystem des Exoskeletts kontrollieren und bestimmte Aktionen in Abhängigkeit von der Umgebung ausführen. Der in der Roboterprothese eingeschnallte Mensch muss das Gehen, Stehen, Sitzen oder Treppensteigen nicht selbst steuern. Die dafür notwendige Bewegungssteuerung übernehmen KI-Algorithmen, die unterschiedliche mögliche Bewegungssituationen erkennen, entsprechend planen und umsetzen.

Die Roboterprothese der University of Waterloo befindet sich noch im Anfangsstadium der Entwicklung.

(Bild: University of Waterloo)

Damit das gelingt, haben die Forscher mehrere Stunden Filmmaterial von Bewegungsabläufen beim Gehen, Treppensteigen und Sitzen unter Berücksichtigung der Umgebungssituation mit Objekten wie Türen, Wände und Sitzgelegenheiten aufgenommen. Daraus wurden knapp eine Million Einzelbilder extrahiert und Bewegungsmustern zugeordnet, um das System damit über Deep-Learning-Verfahren zu trainieren.

Das Steuerungssystem kann nun mithilfe dieser Daten und weiteren Sensoren je nach erfasster Situation auf die Bewegungsabsicht des Anwenders schließen, beispielsweise ob auf ebenem Boden gegangen, eine Treppe hinauf- oder herabgestiegen werden soll oder sich der Träger des Exoskeletts hinsetzen möchte. Die Umsetzung der nötigen Bewegungen der Glieder der Roboterprothese erfolgt dann automatisch ohne Zutun des Anwenders. Auch Türen soll das System erkennen und die Vorwärtsbewegung bis zum Stillstand abbremsen, damit der Nutzer des Exoskeletts die Tür bequem öffnen kann.

Die Entwicklung des KI-Exoskeletts steckt jedoch noch am Anfang. Die besondere Herausforderung besteht darin, mögliche Fehlerkennungen zu vermeiden, um Stürze und Verletzungen durch falsche Bewegungsmuster auszuschließen – etwa wenn der Geh-Modus beibehalten wird, obwohl eigentlich der Treppensteige-Modus aktiviert werden müsste.

"Um die Sicherheit zu gewährleisten, verfügen Systeme wie unseres über vom Menschen gesteuerte Override-Tasten, mit denen die automatisierten Steuerungen deaktiviert werden können", sagt John McPhee, der an der University of Waterloo zur biomechatronischen Systemdynamik forscht, gegenüber The Register. "Darüber hinaus führen wir umfangreiche simulationsbasierte Tests unserer Steuerungen vor dem Testen am Menschen durch."

Denn bisher wurden die Skelette noch nicht zusammen mit gehbehinderten Menschen getestet. Derzeit konzentrieren sich die Forscher auf die Entwicklung des Umgebungserkennungssystems, damit es in Echtzeit möglichst genau arbeitet und so eine treffsichere Umgebungsklassifizierung liefert. Nur dann könne ein sicherer Betrieb bei künftigen klinischen Test mit den autonomen Exoskeletten gewährleistet werden.

(olb)