Dependency Injection in JavaScript

Bibliotheken und Frameworks setzen auf Dependency Injection, um mehr Flexiblität im Umgang mit Abhängigkeiten innerhalb einer Applikation zu erhalten.

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Von
  • Sebastian Springer
Inhaltsverzeichnis

Bibliotheken und Frameworks setzen auf Dependency Injection, um mehr Flexiblität im Umgang mit Abhängigkeiten innerhalb einer Applikation zu erhalten.

In Programmiersprachen wie Java und PHP ist Dependency Injection als Entwurfsmuster seit vielen Jahren etabliert. Und es hat in den letzten Jahren auch Einzug in die JavaScript-Welt gehalten. Der wohl bekannteste Vertreter der Frameworks, der dieses Entwurfsmuster nahezu durchgängig einsetzt, ist Angular. Aber auch serverseitig wird Dependency Injection (DI) beispielsweise von Nest verwendet. Stellt sich nur die Frage, warum viele andere etablierte Bibliotheken wie React dieses Entwurfsmuster komplett links liegen lassen.

Bevor wir uns im nächsten Schritt mit der konkreten Umsetzung von DI in JavaScript beschäftigen, sehen wir uns zunächst die Theorie hinter dem Entwurfsmuster an. Bei DI geht es darum Abhängigkeiten zur Laufzeit zur Verfügung zu stellen. Im Gegensatz zum Modulsystem, bei dem die einzelnen Elemente schon zum Compile- beziehungsweise Startzeitpunkt festgelegt werden, erlaubt DI eine deutlich feinere Kontrolle über die Applikation. Außerdem erleichtert DI das Testen von Objekten, indem Abhängigkeiten für die Testumgebung ausgetauscht werden. Damit DI funktioniert, stellen DI umsetzende Bibliotheken einen Mechanismus bereit, über den die injizierbaren Klassen registriert werden. Eine Klasse in der Applikation gibt dann nur noch an, welche Abhängigkeiten sie benötigt, und die Bibliothek kümmert sich darum, dass die Klasse eine Instanz der Abhängigkeit erhält. Das klingt recht abstrakt, sehen wir uns also ein konkretes Beispiel in Nest an.

Nest ist ein serverseitiges JavaScript-Framework, das Entwickler bei der Umsetzung von Web-Schnittstellen unterstützt. Die Funktionalität wird meist in ein oder mehrere Module aufgeteilt. Jedes Modul verfügt über Controller, die die Endpunkte der Schnittstelle enthalten. Die eigentliche Businesslogik liegt in Providern, die über DI geladen werden. Für unser DI-Beispiel setzen wir eine Schnittstelle um, die die Distanz zwischen zwei GPS-Koordinaten berechnet. Die Grundlage bildet ein fachliches Modul, das alle Belange kapselt, die mit dem Thema GPS zu tun haben, in unserem Fall ist das die Distanzberechnung. Das Modul ist im weitesten Sinn ein Container für die DI, enthält aber auch die Einstiegspunkte in das Modul. Nest arbeitet, wie auch Angular im Frontend, mit TypeScript und Decorators. Ein solcher Decorator fügt Metainformationen zu einer Klasse oder Funktion hinzu. Der nachfolgende Code zeigt das Modul, in dem bereits der Controller und der Service registriert sind:

import { Module } from '@nestjs/common';
import { DistanceController } from './distance/distance.controller';
import { DistanceService } from './distance/distance.service';

@Module({
controllers: [DistanceController],
providers: [DistanceService]
})
export class GpsModule {}

Den Einstieg stellen die Controller dar. Sie sind, wie auch Module, einfache TypeScript-Klassen, die mit Dekoratoren erweitert werden. Das folgende Listing enthält den Code des Controllers:

import { Body, Controller, Get } from '@nestjs/common';
import { Point } from 'src/point.interface';
import { DistanceService } from './distance.service';

@Controller('gps/distance')
export class DistanceController {
constructor(private readonly distanceService: DistanceService) {}

@Get() distance(@Body() coordinates: Point[]): number {
const a = coordinates[0];
const b = coordinates[1];

return this.distanceService.calculate(a, b);
}
}

Die Decorators des Controllers bestimmen das Verhalten der Schnittstelle. Der Decorator der Klasse legt den URL-Pfad fest und der Decorator der distance-Methode definiert, dass diese Methode ausgeführt wird, wenn Benutzer den Pfad gps/distance mit einem HTTP GET-Request aufrufen. Über den Body-Decorator kann die Methode direkt auf den Request-Body zugreifen. Der Controller kümmert sich lediglich um die Schnittstelle, die Extraktion der Daten aus dem Request und die Validierung der eingehenden Daten. Die eigentliche Businesslogik liegt dann nicht mehr im Controller, sondern in einem Service. Der Vorteil dieser Aufteilung ist, dass die Logik getrennt vom Request- und Response-Handling getestet werden kann.

Der Austausch des Algorithmus ist vergleichsweise einfach, da der Controller selbst nicht modifiziert werden muss, sondern lediglich die injizierte Abhängigkeit angepasst wird. Den Schlüssel bildet die sogenannte Constructor Injection. Hierbei enthält der Constructor einen Parameter, der vom Injector von Nest ausgewertet wird. Erzeugt Nest beim Start der Applikation eine Instanz des Controllers, wird der Injector tätig und generiert anhand der Konfiguration des Moduls eine Instanz des angegebenen Services. Dieser steht dann innerhalb der Controller-Klasse über die distanceService-Eigenschaft zur Verfügung. Der Code des Services selbst ist relativ unspektakulär. Er berechnet anhand zweier übergebener GPS-Koordinaten die Distanz in Metern und gibt sie zurück:

import { Injectable } from '@nestjs/common';
import { Point } from 'src/point.interface';

@Injectable()
export class DistanceService {
calculate(a: Point, b: Point): number {
const earthRadius = 6371e3;
const latARad = a.lat * Math.PI/180;
const latBRad = b.lat * Math.PI/180;
const deltaLatRad = (b.lat - a.lat) * Math.PI/180;
const deltaLonRad = (b.lon - a.lon) * Math.PI/180;

const x = Math.sin(deltaLatRad/2) * Math.sin(deltaLatRad/2) + Math.cos(latARad) * Math.cos(latBRad) * Math.sin(deltaLonRad/2) * Math.sin(deltaLonRad/2);
const c = 2 * Math.atan2(Math.sqrt(x), Math.sqrt(1-x));

return earthRadius * c;
}
}

Im einfachsten Fall sind der Name des Services, den der Injector verwendet, und der Klassenname gleich. Angenommen, der Distanz-Algorithmus soll jetzt durch eine optimierte Version ersetzt werden, kann dies entweder durch ein Ersetzen der Klasse oder durch eine Konfigurationsänderung am Modul erfolgen. Der Service wird in diesem Fall nicht mehr direkt referenziert, sondern in Form eines Objekts, wie im nachfolgenden Code zu sehen ist. In diesem Fall wird die OptimizedDistanceService-Klasse verwendet:

@Module({
controllers: [DistanceController],
providers: [{
provide: DistanceService,
useClass: OptimizedDistanceService,
}]
})
export class GpsModule {}

Neben der Flexibilität zum Austausch von Algorithmen bringt die DI gerade auch beim Testen deutliche Vorteile mit sich. Auch hier werfen wir wieder einen Blick auf die konkrete Implementierung in Nest:

import { Test, TestingModule } from '@nestjs/testing';
import { DistanceController } from './distance.controller';
import { DistanceService } from './distance.service';

const newYork = { lat: 40.6943, lon: -73.9249 };
const tokyo = { lat: 35.6897, lon: 139.6922 };
const distance = 10853705.986613212;

describe('DistanceController', () => {
let controller: DistanceController;

beforeEach(async () => {
const module: TestingModule = await Test.createTestingModule({
controllers: [DistanceController],
providers: [DistanceService]
}).overrideProvider(DistanceService).useValue({
calculate() { return distance; }
}).compile();

controller = module.get<DistanceController>(DistanceController);
});

it('should calculate the distance between New York and Tokyo', () => {
const result = controller.distance([newYork, tokyo]);
expect(result).toBe(distance);
});
});

Die Nest CLI legt für alle Strukturen, die mit ihr generiert werden, standardmäßig einen Test an. So auch für den DistanceController. Die Setup-Routine, die mit der beforeEach-Funktion definiert wird, sorgt dafür, dass vor jedem Test ein neues Test-Modul erzeugt wird. Hier können Entwickler alle Strukturen registrieren, die für einen Testlauf erforderlich sind. In unserem Fall sind das der DistanceController und der DistanceService. Wobei die Tests nicht den ursprünglichen Service, sondern einen speziell für den Test definierten Mock-Service nutzen.

Die Injector-Komponente von Nest weiß aufgrund dieser Konfiguration, dass bei jeder Anforderung nach der DistanceService-Abhängigkeit der unter useValue angegebene Wert verwendet werden soll. Dieser Mock-Service gibt für die calculate-Methode immer einen konstanten Wert für die Distanz zurück, unabhängig davon, wie er aufgerufen wird. Das hat den Vorteil, dass der Controller-Test nur den Controller selbst, nicht aber den Service testet. Die Konsequenz daraus ist, dass der Test auch nur wegen Fehlern im Controller fehlschlagen kann. Der Test selbst ruft die distance-Methode des Controllers mit einem Array aus Koordinatenpunkten auf, die an die Stelle des Request-Bodys treten. Da die Rückmeldung des Controllers synchron erfolgt, sind keine weiteren Maßnahmen wie das Einfügen von async/await erforderlich. Bleibt nur noch die Überprüfung des Ergebnisses mittels Aufrufs der expect-Funktion.

Bisher haben wir uns mit der DI von Nest nur eine integrierte Lösung angesehen. Es gibt allerdings auch Bibliotheken, die DI unabhängig vom verwendeten Framework anbieten. Diese eignen sich vor allem für individuelle Lösungen und eigene Framework-Ansätze. Ein recht populärer Vertreter dieser Art von Bibliotheken ist Inversify. Die Umsetzung ist etwas aufwendiger als bei einer integrierten Lösung wie bei Nest oder Angular:

  1. Interfaces und Typen deklarieren: Inversify folgt der Empfehlung, dass die Verweise auf Abhängigkeiten nicht auf konkrete Klassen, sondern auf Abstraktionen erfolgen sollen.
  2. Dependencies angeben: Inversify arbeitet, wie auch Nest, mit Decorators. Der @injectable-Decorator kennzeichnet Klassen, die mit DI arbeiten. Der @inject-Decorator markiert die Stellen im Code, an denen die Abhängigkeiten eigensetzt werden.
  3. DI-Container erzeugen: Die Container-Instanz bringt die abstrakten Abhängigkeiten mit den konkreten Klassen zusammen.
  4. Dependencies auflösen: Die get-Methode der Container-Instanz erlaubt das Auflösen der Abhängigkeiten und somit die Arbeit mit den konkreten Objekten.

React ist ein prominenter Vertreter einer verbreiteten Bibliothek, die komplett auf DI verzichtet. Im Gegensatz zu Frameworks wie Nest arbeitet React viel weniger mit Klassen. Der Großteil der Komponenten in modernen React-Applikationen sind als Funktionen umgesetzt. Diese Funktionen erhalten Informationen über die sogenannten Props in Form von Argumenten. Die Props können bei der Einbindung der Komponente beeinflusst werden, was das Testen der Komponenten einfach macht. Services in der Form, wie es sie in Nest oder Angular gibt, existieren in React nicht. In den meisten Fällen greifen Entwickler für diesen Zweck auf reine Funktionen zurück, die wiederum über die übergebenen Argumente gesteuert werden.

Beim Testen geht React auch einen anderen Weg und empfiehlt, die Komponenten mehr aus der Benutzerperspektive in Form eines Blackbox-Tests zu überprüfen. Die Testumgebung rendert die Komponenten, wie sie auch in der produktiven Applikation gerendert werden, und interagiert dann wie ein Benutzer damit, löst verschiedene Events aus und überprüft deren Auswirkungen auf die gerenderten Strukturen. Aufgaben, die typischerweise von Services abstrahiert werden, wie die Kommunikation mit einer Backend-Schnittstelle, können an den Systemgrenzen durch einen Mock des HTTP-Clients überprüft werden.

Dependency Injection ist ein Entwurfsmuster, das sich dank Frameworks wie Angular oder Nest auch in der JavaScript-Welt etabliert hat. Es eignet sich jedoch nicht in jeder Umgebung. Wo sie in klassenorientierten Applikationen ihre Stärken sehr gut ausspielen kann, ist der Einsatz von DI in einem funktionalen Ansatz eher fragwürdig. In der passenden Umgebung verwendet, erleichtert DI das Testen einzelner Einheiten deutlich und sorgt für eine Entkopplung der Strukturen, was sich wiederum förderlich beim Austausch von einzelnen Teilen der Applikation auswirkt. ()