3D-Musik-Produktion: „Ich habe versucht, mich an einigen Stellen auszutoben“

c't hat mit Tonmeister Harald Gericke über die Dolby-Atmos-Abmischung auf der Deluxe Edition des neuen "Schiller"-Albums "Summer in Berlin" gesprochen.

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Christopher von Deylen alias Schiller (rechts) auf Besuch im Studio von Harald Gericke.

(Bild: Harald Gericke)

Stand:
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Nico Jurran

Im Filmbereich ist Dolby Atmos schon lange die Nummer 1 unter den 3D-Sound-Formaten. Nun konzentriert Dolby sich auf 3D-Musik, abspielbar von (UHD-)Blu-rays und über die Streamingdienste Amazon Music HD und Tidal HiFi.

3D-Sound-Fans freut diese Entwicklung: Zu Jazz- und Klassik-Aufnahmen gesellen sich Pop-Titel, die die Möglichkeiten von Dolby Atmos ordentlich ausnutzen. Ein gutes Beispiel: das aktuelle Album „Summer in Berlin” von Schiller alias Christopher von Deylen, das in der Blu-ray-Fassung eine rund einstündige, immersive Fassung des Konzerts „Berlin Moskau“ bietet.

Die Deluxe-Edition von Summer in Berlin samt Dolby-Atmos-Mix war in kürzester Zeit ausverkauft. Mittlerweile ist eine Neuauflage als "Studio- und Heimkino-Edition“ erschienen.

(Bild: Sony Music)

Die Scheibe war in kürzester Zeit ausverkauft und wurde daher neu aufgelegt. c’t sprach mit Harald Gericke von Platin Media Productions, der die 3D-Fassung in seinem Studio bei Hannover abgemischt hat.

c’t: Wie ist die 3D-Abmischung für „Summer in Berlin” entstanden?

Harald Gericke: Ich habe mit Christopher im Vorhinein viel über das Projekt gesprochen. So war, als er die Performance gegeben hat, schon klar, dass die auch in 3D-Audio erscheint. Beim Arrangieren hatte er an der einen oder anderen Stelle sicherlich schon Vorstellungen, was dort eher von hinten oder von oben kommt. Als Christopher mir die Spuren dann gab, hat er mir gesagt, wie er sich einige Sachen denkt, mich aber ansonsten erst einmal machen lassen.

Ich habe aber auch nicht alles einzeln bekommen, manches hatte Christopher schon in Stereo-Spuren zusammengelegt, damit man das überhaupt handhaben konnte. Ansonsten wäre ich hier am Ende wahrscheinlich bei 200 Spuren oder so gelandet, aus denen man in der Kürze der Zeit nicht schnell genug etwas hätte machen können. Aber die Stimme, die jetzt durch den Raum wandert, habe ich beispielsweise einzeln als Stereosignal gehabt.

Ich habe mir das alles angehört und dann gesagt, was ich „geräuschanteilig“ lieber im Raum oder oben haben wollte. Andere Sachen, wie Führungsstimmen, waren für mich eher zentral vorne. Dann war er hier und wir haben Sachen ausprobiert, wobei er dann auch an einigen Spuren noch etwas gearbeitet und ergänzt hat. Später haben wir uns noch ein zweites Mal getroffen und noch die letzten Finetunings gemacht. Am Ende hat er das Projekt dann komplett durchgehört – und war nach meinem Eindruck auch sehr zufrieden.

Harald Gericke hat in seinem Studio ein 7.1.4-kanaliges Setup aufgebaut - inklusive direkt nach unten strahlender Deckenlautsprechern, wie man sie auch von Dolby-Atmos-Anlagen kennt und nicht als abgewinkelte Höhenlautsprecher, wie sie auch in einigen Studios zum Einsatz kommen.

(Bild: c't / Nico Jurran)

c’t: Wie viel Zeit hat das Anfertigen in Anspruch genommen?

Gericke: Das ist ein Projekt von fast 50 Minuten Länge, wo sich nur wenige Sachen so wiederholen, dass man einfach per Copy&Paste eine Automation von hier nach da fahren kann. Es ist vielmehr praktisch durchgängig unterschiedlich bearbeitet. Die reine Mischzeit mit allem Drum und Dran dürfte grob zwischen zwei und drei Tagen gelegen haben.

c’t: Hört man sich die obere Ebene gesondert an, fällt auf, dass dort durchgehend etwas los ist – nicht wie bei vielen Filmen, wo ab und zu mal ein Effekt von der Decke kommt.

Gericke: Ja, hier ist immer was los. Grundsätzlich hat Christopher viel Hall in seinen Produktionen, den wir für die Atmos-Mischung noch mit einem 3D-Hall ergänzt haben. Wir haben zudem einige Stereosignal-Quellen – profan gesagt – aufgeblasen, sodass sie von ihrem Stereo-Gedanken wegkamen, hin zu einer räumlichen, sphärischen Klanggeschichte. Wenn Du die obere Ebene ausschaltest, hast Du den Eindruck, es kommt alles ein Stück auf Dich zu und wird dichter.

Der Dolby Atmos Renderer visualisiert die Position beziehungsweise die Pfade der einzelnen Audioobjekte im Raum.

(Bild: c't / Nico Jurran)

Wir haben aber auch viele Sachen einzeln positioniert. Es wechseln sich einzelne, nachverfolgbare Instrumente oder auch Stimmen mit Klangfarben und Klangteppichen ab. Es gibt Signale, die fest nur oben liegen. Aber sehr wenig, was rein punktuell ist. Aber ich habe auch schon versucht, mich an einigen Stellen auszutoben.

c’t: Gibt es bei einem solchen Projekt Grenzen?

Gericke: Wenn ich ein Symphonie-Orchester höre, dann würde ich erst einmal erwarten, dass ich das von vorne höre – in einem guten Raum. Ich würde nicht erwarten, dass ich mitten im Orchester sitze, dass um mich herum spielt. Aber gibt es eine solche Vorgabe für eine Jazzband oder Rockband? Nee, die gibt es nicht. Und insofern schmeißt Du sehr selten Hörgewohnheiten so brutal um, dass das stört. Und Du assoziierst bei dieser Produktion mit den Sounds nichts Physisches, außer einem Keyboard, das aber irgendwo im Raum stehen könnte.

c’t: Bei 3D-Soundabmischung war in der Vergangenheit oft die Rede davon, dass man bei der Aufnahme mit Höhenmikrofonen die Atmosphäre einfängt, um diese im Wohnzimmer später zu reproduzieren. Das war bei „Summer in Berlin“ nicht der Fall.

Gericke: Ich glaube, es ist wichtig, sich die jeweilige Situation anzuschauen. Wenn ich in einem Popkonzert bin, dann befinde ich mich in einer großen Halle. Als Erstes wird da bei der Beschallung vor Ort versucht, möglichst die gruselige Akustik der Halle auszuschalten – weil das in der Regel eine Beton- oder Blechhütte ist, die einfach nur hallt, als wenn man in einen Berg reinruft. Insofern würde man dort nicht zwingend erwarten, dass man ein akustisch reproduzierbares Ergebnis erhält, das man nun unbedingt rüberbringen will.

Die obere und die untere Tonebene lassen sich zur Kontrolle separat ein- und ausschalten.

(Bild: c't / Nico Jurran)

Das ist im Jazz- und vor allem im Klassik-Bereich sicherlich etwas anderes, wo das Orchester aus Klanggründen ja in einem möglichst akustisch guten Saal spielt. Die Ausbreitung des Schalls dort im Saal macht einen großen Teil des Erlebnisses aus. Und dort würde man tatsächlich mit Höhenmikrofonen aufnehmen. (nij)