Indischer Forscher kämpft mit Jodsalz gegen Mangelkrankheiten

Jodsalz kann Mangelkrankheiten vorbeugen, etwa in Verbindung mit Eisen. Venkatesh Mannar forschte über 20 Jahre daran – nicht nur für seine Heimat Indien.

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Venkatesh Mannar hat die Entwicklung von Salz vorangetrieben, das neben Jod auch mit Eisen gegen Anämie versetzt ist.

(Bild: Micronutrient Initiative)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Anna Louie Sussmann

Venkatesh Mannar hat seine Kindheit im südindischen Thoothukudi damit verbracht, die in der Sonne trocknenden Gewürzberge im Salzwerk seiner Familie herunterzurutschen. Nach dem Studium in den USA baute er in seiner Heimat Indien ein modernes Salzwerk auf und überzeugte im Auftrag von UNICEF und WHO Länder in Asien, Afrika und Lateinamerika davon, mit jodiertem Speisesalz Mangelkrankheiten vorzubeugen.

Dass heute etwa sechs Milliarden Menschen Zugang zu jodiertem Salz haben, ist zum großen Teil Mannars unermüdlichem Einsatz zu verdanken. Ihm war auch früh klar, dass das in jeder Küche genutzte Gewürz auch für die Bekämpfung von Eisenmangel ideal wäre. Anämie betrifft weltweit mehr als 1,6 Milliarden Menschen, und in Indien fast 60 Prozent aller Kinder unter fünf Jahren, denn die Ernährung in Indien ist traditionell fleischarm – Fleisch ist jedoch die Haupternährungsquelle für Eisen. Die traditionellen indischen Kochzutaten Hülsenfrüchte sowie Getreide sind zwar reich an Eisen, doch die ebenfalls enthaltenen Phytate bremsen seine Aufnahme.

Jodiertes Speisesalz mit Eisen zu versetzen wurde dann allerdings zu einer mehr als 20-jährigen Forschungsodyssee. Die beiden Stoffe dürfen nämlich im Salz nicht in Kontakt kommen, sonst reagieren sie miteinander, das Jod verdampft und im Salz bleiben nur metallisch schmeckende Eisenverbindungen zurück. Gemeinsam mit Levente Diosady, einem heute emeritierten Professor für Lebensmitteltechnologie von der Universität Toronto, machte sich Mannar 1993 daran, die Salzzusätze voneinander fernzuhalten.

Die richtige Eisenverbindung zu finden war schwierig. Die meisten verfärben das Salz und schmecken dazu nach rostigem Rohr. Das in Eisentabletten verwendete Eisenfumarat ist zwar geschmacksneutral, günstig und leicht resorbierbar, changiert aber farblich zwischen kakaobraun und paprikapulverrot.

Mannars und Diosadys Lösung war so günstig wie genial: Sie pressten einen Teig aus Eisenfumarat, Grieß, Wasser und etwas Backfett durch eine auf Capelletti-Durchmesser eingestellte Nudelmaschine. Die 0,8 Millimeter dünnen Fäden schnitten sie in ebenso lange Pellets und umhüllten sie mit einem Mix aus geschmacksneutralem Pflanzenfett und strahlend weißem Titandioxid, das ebenfalls als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen ist. Zu guter Letzt musste das doppelt-angereicherte Salz (double-fortified salt, DFS) in Öfen unter simulierten Klimabedingungen seine Stabilität beweisen.

Verhinderte es aber auch Eisenmangel? 2008 senkte das Salz in einer Studie mit indischen Schulkindern in 18 Dörfern die Anämierate um mehr als die Hälfte. 2014 verbesserte es die niedrigen Bluteisenwerte bei 17 von 26 Teepflückerinnen mit eisenmangel-bedingter Anämie innerhalb von acht Monaten.

Nach den Studien begann schließlich JVS Foods in Jaipur im Nordwesten Indiens 2016 als erstes Unternehmen damit, die verkapselten Eisen-Pellets im Großmaßstab für den Verkauf herzustellen. Inzwischen lassen die Regierungen dreier indischer Bundesstaaten DFS produzieren und verkaufen es in „Fairer Preis“-Läden zu staatlich subventionierten Preisen. Diosady schätzt, dass Indien heute pro Jahr etwa 100 Millionen Menschen mit DFS versorgen kann.

Das wird allerdings nicht reichen, um den Erfolg des jodierten Speisesalzes zu wiederholen. Es braucht die führenden kommerziellen Salzproduzenten und die halten sich bisher zurück. Kleinere Hersteller wie auch das von Mannars Neffen geleitete Familienunternehmen warten aber auf die Großen, bevor sie einsteigen. Der finale Akt der Erfolgsstory werde wohl staatliche Starthilfe brauchen, glaubt Rajan Sanker, Programmdirektor für Ernährung bei den Tata Trusts-Wohltätigkeitsorganisationen.

(bsc)