Portugal will vorzeitig raus aus der Kohle

Mehrere Kraftwerke schließen ohnehin, also zieht das Land den Ausstieg vor. Ein Ziel des Pariser Klimaabkommens erreicht es damit eher als geplant.

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Das Sines-Kraftwerk wurde im Januar als vorletzter Kohleverstromer Portugals abgeschaltet.

(Bild: Energias de Portugal)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Portugal steigt noch dieses Jahr aus der Kohlestrom-Produktion aus. Der Energieversorger EDP Group (Energias de Portugal) ist dabei, die letzten beiden Kohlekraftwerke des Landes zu schließen. Das 1,3-Gigawatt-Kraftwerk Sines, verantwortlich für satte zwölf Prozent von Portugals Treibhausemissionen, ging bereits Mitte Januar vom Netz und das Pego-1-Kraftwerk folgt im November dieses Jahres. Der Zivilgesellschaftsgruppen-Allianz Europe Beyond Coal zufolge wäre Portugal damit nach Belgien (2016), Österreich und Schweden (2020) das vierte europäische Land, das nach der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens komplett auf Kohleverstromung verzichtet.

Ursprünglich hatte das südeuropäische Land den Kohle-Ausstieg erst für 2030 geplant. Doch dann kündigte die EDP, die in mehreren Ländern Kraftwerke betreibt, die vorgezogene Schließung des Sines-Kraftwerks zusammen mit der des spanischen Soto-3-Kohlekraftwerks im vergangenen Sommer an. „Die Entscheidung basierte weitgehend auf der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit dieser Anlagen“, sagt EDP-Pressesprecherin Helena Coelho. Hinzu kamen „höhere CO2-Kosten, höhere Steuern und das geplante schnelle Wachstum der installierten Erneuerbaren-Nennleistung“. So sei etwa die Stromerzeugung im Sines-Kraftwerk 2019 um 50 Prozent gegenüber 2018 gefallen. 2020 war die Anlage weitgehend inaktiv.

Stattdessen setzt die EDP Group in Portugal auf grüne Energie. Sie will den bisherigen Kohlestandort Sines zum grünen Wasserstoff-Produktionsstandort machen. In einem Konsortium mit Öl- und Gasbetreiber Galp, Netzbetreiber REN und weiteren Partnern wie dem Windanlagen-Hersteller Vestas prüft sie die Machbarkeit einer 10-Megawatt-Elektrolyse-Pilotanlage zur Wasserstoffherstellung.

Den Plänen zufolge könnte die Kapazität der H2Sines-Anlage bis 2030 auf bis zu ein Gigawatt ausgebaut werden. Ihre Stromversorgung sollen Erneuerbare-Energie-Anlagen mit einer Gesamtnennleistung von 1,5 GW gewährleisten. Die Pläne beinhalten auch den Aufbau von Wasserstoff-Speicheranlagen sowie die Verschiffung über den Hafen von Sines für den portugiesischen und europäischen Bedarf. Das Investitionsvolumen von H2Sines beträgt 1,5 Milliarden Euro.

Kurz vor der Schließung des Sines-Kohlekraftwerks hatte die EDP Group zudem bekannt gegeben, dass sie zwei Windfarmen mit einer Gesamtnennleistung von 125 Megawatt (MW) in den Coimbra- und Guarda-Distrikten bauen und betreiben will. Die Tocha-II-Farm im Westen Portugals soll eine Nennleistung von 33 MW haben und die Sincelo-Farm im Nordosten 92 MW. Dafür erhielt sie Investitionen der European Investment Bank in Höhe von 65 Millionen Euro und 47 Millionen Euro von der Banco Português de Investimento (BPI).

„In Bezug auf die Versorgungssicherheit bedeutet die höhere Durchdringung Erneuerbarer, dass Wärmekraftwerke eine Back-up-Funktion haben, die nur für Zeiten mit hoher Nachfrage oder geringer unregelmäßiger erneuerbarer Erzeugung gedacht ist“, sagt EDP-Sprecherin Coelho. „Wenn künftig andere Technologien wie Batterien, Wasserstoff und Demand-Response ausgereifter sind, könnte der Bedarf an thermischen Anlagen für Sicherungen verringert werden.“

Portugal deckt über die Hälfte seines Strombedarfs aus Erneuerbaren, bis 2030 soll der Anteil auf 80 Prozent wachsen. Dabei setzt das Land hauptsächlich auf Wind und Wasser, will aber auch den Solaranteil kräftig ausbauen. In den ersten zwei Fotovoltaik-Auktionen wurden insgesamt knapp zwei Gigawatt Kapazität vergeben.

Fünf weitere Länder visieren ebenfalls einen vorgezogenen Kohle-Ausstieg an: Frankreich für 2022, Großbritannien für 2024 sowie Ungarn, Irland und Italien für 2025. Die Slowakei könnte ihr 2023-Ziel laut Europe Beyond Coal auf 2030 schieben. Deutschland, Tschechien und Polen hätten den Ausstieg für deutlich später als 2030 geplant oder beschlossen.

(bsc)