Lootboxen und Co.: Was das neue Jugendschutzgesetz für Videospiele bedeutet

Mit dem neuen Jugendschutzgesetz kann die USK Kostenfallen in Spielen berücksichtigen. Dass solche Games künftig ab 18 freigegeben werden, ist aber ein Märchen.

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(Bild: Shutterstock)

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Als das Jugendschutzgesetz 2002 zuletzt weitreichend neu gefasst wurde, war das erste iPhone noch fünf Jahre entfernt, Windows XP gewann den Cebit-Produktpreis und Gerald Asamoah zierte das "FIFA"-Cover. Zu diesem Zeitpunkt konnte die beliebte Fußballspielreihe überhaupt erst seit einem Jahr online gespielt werden, an Lootboxen dachte noch niemand. Heute nimmt EA mit den oft als glücksspielähnlich kritisierten Wundertüten seiner Sportspiele fast 1,5 Milliarden US-Dollar pro Jahr ein. Die Reform des Jugendschutzgesetzes, die der Bundesrat Ende März gebilligt hat, soll der veränderten Medienrealität nun erstmals Rechnung tragen und junge Menschen im Internet und beim Spielen auch vor Cybermobbing und Tracking schützen. Sie wird am 1. Mai wirksam.

Viele Branchenvertreter kritisieren die Novelle: Der Spieleverband game spricht von einer verpassten Chance, den Jugendmedienschutz ins digitale Zeitalter zu überführen, der Bitkom nennt das Ergebnis eine "Enttäuschung" und kritisiert komplexe Regulierungsstrukturen. Die eigentlich für Telemedien wie das Internet zuständigen Landesmedienanstalten sehen sogar die Kompetenzordnung des Grundgesetzes verletzt. Abseits der formalen Kritik wird auch über den Inhalt der Novelle gestritten.

Auf einen Blick: Die Änderungen der Jugendschutzgesetz-Reform
  • Kinder und Jugendliche sollen vor sogenannten "Interaktionsrisiken" im Internet und in den sozialen Medien geschützt werden. Gemeint sind damit zahlreiche verschiedene Faktoren wie Cybergrooming, Hassrede und Glücksspielelemente.
  • Solche Interaktionsrisiken sollen bei den Alterseinstufungen der Selbstkontrollen berücksichtigt werden und in erster Linie in Form von Deskriptoren abgedeckt werden. Aber auch höhere Alterseinstufungen für Filme und Videospiele sind möglich.
  • Viele Film- und Spieleplattformen werden verpflichtet, Alterseinstufungen der angebotenen Inhalte anzuzeigen.
  • Anbieter von Internet-Plattformen und -Diensten bekommen außerdem Vorsorgemaßnahmen auferlegt. Dazu zählen etwa Kontrollmöglichkeiten für Eltern und Schutz bei Chats.
  • Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien wird Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz weiterentwickelt und soll Verstöße auch gegenüber ausländischen Anbietern ahnden.

Zentral ist dabei unter anderem der Begriff der "Interaktionsrisiken", der in der Novelle gesetzlich verankert wird und damit auch bei der Altersbewertung der Selbstkontrollen für Filme und Videospiele berücksichtigt werden kann. Darunter fasst das kommende Jugendschutzgesetz etwa Mobbing, Hassrede und sexuelle Ansprache zusammen, denen Kinder und Jugendliche in den sozialen Medien oder beim Spielen ausgesetzt sein können. Auch Spielelemente wie Lootboxen und andere Mikrotransaktionsmodelle werden als "Kostenfallen" diesen breit angelegten Interaktionsrisiken zugeordnet.

"Von einer Definition des Begriffes 'Interaktionsrisiken' kann man fast nicht sprechen, so weit ist er gefasst", sagt der auf Spielerecht spezialisierte Anwalt Felix Hilgert heise online. "Viele dieser Interaktionsrisiken sind an anderer Stelle schon geregelt: Ob ein Kaufvertrag mit einem Minderjährigen wirksam ist, entscheidet sich nach dem BGB, in welcher Form Kaufappelle an Minderjährige gerichtet werden dürfen, ist im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag geregelt. Es führt zu Rechtsunsicherheit, wenn an allen diesen Punkten nun das Etikett 'Interaktionsrisiko' hängt."

Wie Lootboxen, Cyberbullying und andere Interaktionsrisiken von Videospielen in die Alterseinstufung einfließen werden, muss die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) noch gemeinsam mit den Landesjugendbehörden ausarbeiten. Bisher konnten derartige Elemente als "nicht-inhaltsbezogene Komponenten" gar nicht berücksichtigt werden – das ändert sich nun. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass Spiele mit Interaktionsrisiken immer eine höhere Alterseinstufung bekommen: Das neue Jugendschutzgesetz empfiehlt stattdessen vorrangig den Einsatz von Deskriptoren, um Interaktionsrisiken darzustellen. Gemeint sind Piktogramme oder Symbole, die auf gewisse Spielelemente hinweisen, wie man sie etwa von den Alterskennzeichnungen der US-amerikanischen ESRB kennt.

Auch die International Age Rating Coalition IARC, zu deren Mitgliedern die USK zählt, nutzt Deskriptoren bereits. Zum Einsatz kommen sie etwa bei Spielen, die ausschließlich in Online-Stores vertrieben werden: Hier erfolgt keine manuelle Prüfung durch die USK, die Freigabe wird stattdessen über einen von den Entwicklern ausgefüllten Fragebogen automatisch erteilt und für die jeweiligen Veröffentlichungsländer angepasst. Texthinweise warnen bei solchen Spielen etwa vor Gewalt und sexuellen Inhalten, aber auch vor Interaktion mit anderen Nutzerinnen und Nutzern, Standortweitergabe, Glücksspiel und In-App-Einkäufen. Solche Hinweise soll es Zukunft auch bei manuell geprüften Titeln zu sehen geben.

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"Wir möchten, dass Kinder das Internet und digitale Angebote möglichst sicher nutzen und von deren Vielfalt profitieren können. Wichtig ist uns, dass Risiken und Gefährdungen transparent dargestellt werden, damit Kinder und ihre Eltern oder pädagogische Fachkräfte einschätzen können, ob ein Angebot geeignet ist", sagt Torsten Krause vom Deutschen Kinderhilfswerk, der an den Diskussionsrunden zum kommenden Jugendschutzgesetz beteiligt war. Er begrüßt die Maßnahmen der Jugendschutzreform. "Anbieter und Entwickler haben die Möglichkeit, durch technische Gestaltungen Risiken und Gefährdungen zu minimieren und so höheren Alterseinstufungen zu begegnen."