Tüv Nord schwenkt auf Digitaltermine um – Gesamtgeschäft unter Druck

Die Tüv-Nord-Gruppe zieht einen Strich unter die Pandemie-Lage 2020 – und erklärt, was die Krise für das künftige Geschäft bedeutet.

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(Bild: lupmotion/Shutterstock.com)

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Von
  • dpa

Der Tüv Nord hat die Corona-Krise zum Ausbau seines Digitalgeschäfts genutzt und mehr Medizinprodukte geprüft. Die Rückgänge insgesamt konnte die Gruppe 2020 bei gleichzeitig hohen Investitionen aber nicht ausgleichen. Vorstandschef Dirk Stenkamp sprach am Dienstag von einer noch "robusten" Entwicklung. So habe der Prüfkonzern mit Hauptsitz in Hannover – neben Tüv Süd (München) und Tüv Rheinland (Köln) eine der drei großen Tüv-Organisationen – Online-Zertifizierungen mit weltweit über 1000 "ortsunabhängigen Audits und Inspektionen" pro Monat angeboten. Daneben gab es Schwerpunkte bei Schutzausrüstungen und in der Medizintechnik.

Stenkamp forderte, Betriebsärzte müssten bei Impfungen nun umgehend beteiligt werden, um die weiteren Folgen der Pandemie möglichst rasch einzugrenzen: "Wir sind im Moment dabei, uns vorzubereiten auf das Thema – perspektivisch auch auf die Impfung unserer Beschäftigten." Den zunehmenden Einsatz von "Remote-Technologien" bei Beratungen und in der Zertifizierungsarbeit hatte der Tüv Nord schon im vergangenen Frühling angedeutet, als die Viruskrise in Europa angekommen war und Präsenztermine zusehends schwieriger wurden.

Etliches konnte der Konzern durch die Verlegung in Internet-Kanäle weiter anbieten. Das Ergebnis im laufenden Geschäft sackte am Ende jedoch deutlich von 75,2 Millionen Euro (2019) auf 47,8 Millionen Euro ab. Der Umsatz gab leicht von 1,282 auf 1,266 Milliarden Euro nach. Derweil investierte der Tüv Nord laut Finanzchef Jürgen Himmelsbach gut 63 Millionen Euro: "Wenn es keine drastischen Lockdowns gibt, erwarten wir, dass die Profitabilität dieses Jahr besser sein kann als letztes Jahr."

Generell wurden für das Unternehmen Qualitätskontrollen sowie Zulassungen bei medizinischen Hilfsgütern und Geräten wichtiger. In anderen Bereichen sank aber die Nachfrage nach neuen Prüfaufträgen, weshalb Teile der Belegschaft in Kurzarbeit gehen mussten.

Online-Verfahren fanden auch Eingang in die Typgenehmigung von Autos. So zertifizierte der Tüv Nord nach Angaben Stenkamps unter anderem Modelle der neuen VW-Elektroauto-Serie ID und befasst sich bereits mit Standards für künftige Betriebssysteme autonom fahrender Wagen. "Bei neuen Antriebssysteme haben wir letztes Jahr den Umsatz verdoppeln können", berichtete er. Neben Batterieautos werde das Thema Wasserstoff/Brennstoffzelle "jetzt noch einmal eine sukzessive Beschleunigung sehen". Für aktuelle Überprüfungen von Fahrzeugen blieben die Stationen des Tüv Nord im vergangenen Jahr offen.

Neue Themen sind im Konzern unter anderem das Quantencomputing und weitere Raumfahrt-Aktivitäten. So sei die spanische Tochter Alter Technology an der Prüfung von Sensoren des Mars-Rovers Perseverance beteiligt gewesen. "Das war für uns ein herausragendes Ereignis."

Der Tüv Nord hatte Ende 2020 knapp 11.700 Vollzeit-Beschäftigte, etwa 400 mehr als im Jahr zuvor. Derzeit läuft ein Tarifstreit. Die Gewerkschaft Verdi rief für Mittwoch zu Warnstreiks an Standorten in mehreren Bundesländern auf. Personalvorständin Astrid Petersen sagte, man sei "intensiv im Austausch". Aus ihrer Sicht habe der Tüv Nord bereits "ein sehr gutes Angebot vorgelegt. Die Gespräche laufen." Zu Beginn der Verhandlungen hatte Verdi unter anderem 7 Prozent mehr Geld in diesem Jahr verlangt, dabei mindestens 300 Euro mehr für die unteren Lohngruppen. Die Arbeitgeberseite habe ein Plus von 2 Prozent für dieses und 2,5 Prozent für das kommende Jahr angeboten.

(kbe)