Klimaschutz: 80-Meter-Hochhaus ganz ohne Beton

Im schweizerischen Zug verzichtet ein 80-Meter-Hochhaus aus Holz erstmals auf einen stabilisierenden Kern aus Beton.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 99 Kommentare lesen

(Bild: Urban Assets Zug AG)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Jan Oliver Löfken

Hochhäuser aus Holz liegen im Trend für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz. An der Spitze liegen europäische Bauten mit dem 85,4 Meter hohen 18-geschossigen Mjøstårnet im norwegischen Brumunddal und dem Hoho Wien mit 24 Geschossen (84 Meter) in der Seestadt Aspern. Zu dieser Gruppe von Pionierbauten wird sich nach langjähriger Planung ab 2022 das Projekt Pi im schweizerischen Zug gesellen. Das Besondere: Das 80-Meter hohe Holzhochhaus mit 27 Stockwerken verzichtet im Unterschied zu bisherigen Bauten auf einen stabilisierenden Kern aus Beton.

Im Projekt Pi setzen Ingenieure und Architekten rund um die Urban Assets Zug AG auf eine bisher einzigartige Baustatik. Für das Tragwerk des Holzhochhauses greifen sie auf ein Tube-in-Tube-System zurück, das bisher für Hochhäuser aus Stahl und Beton mit einer Höhe von über 300 Metern angewendet wird. Kein innerer Beton-Kern soll das Gebäude gegen Windlasten stabilisieren, sondern ineinander greifende Röhrenstrukturen, die rundherum über alle Stockwerke laufen. Horizontale und vertikale Lasten werden dabei durch ein Rahmentragwerk aus Buchenholz und spezielle Holz-Verbund-Flachdecken, die Kernelemente der Konstruktion, aufgefangen.

Die Stabilität der bis zu 40 Zentimeter breiten Schichthölzer aus Buchenfurnier wurde in aufwendigen Belastungsversuchen am Institut für Baustatik und Konstruktion der ETH Zürich überprüft. Diese Bauweise führt auch zu einer ungewöhnlichen Struktur des gesamten Gebäudes. So nimmt der Umfang des Holzhochhauses mit steigender Höhe in vier Stufen zu – ganz im Unterschied zu klassischen, sich verschlankenden Hochhäusern.

Dieser Ansatz spart im Vergleich zu Stahlbeton-Hochhäusern zehntausende Tonnen Kohlendioxid ein. Auch mit Blick auf die Hybrid-Holzhochhäuser in Wien und Brumunddal soll die Klimabilanz des um etwa ein Fünftel leichteren Projekts Pi noch um 1700 Tonnen Kohlendioxid günstiger ausfallen. Dazu addieren sich 3333 Tonnen CO2, die im Holz als Baumaterial gespeichert bleiben. Zusätzlich wird das Gebäude mit Photovoltaikmodulen in der Fassade selbst zum Energieproduzenten und deckt zumindest einen kleinen Teil des Bedarfs der geplanten Wohnungen, Ateliers und Werkstätten.

Heute sind Planung und Bau von Holzhochhäusern aufwendiger und teurer als klassische Stahlbetonbauten. Doch um ehrgeizige Klimaziele auch im Gebäudesektor erreichen zu können, sind Alternativen zu Stahl und Beton gesucht. Denn die Zementindustrie spielt mit einer Jahresproduktion von mehr als 4000 Millionen Tonnen eine bedeutende Rolle bei der Erderwärmung. Sie setzt mit geschätzt sechs bis sieben Prozent mehr als doppelt so viel CO2 frei wie der gesamte Luftverkehr (2,8 Prozent).

(bsc)