Was war. Was wird. Trimmt euch, schämt euch oder empört euch!

Vielfalt! Vielfalt! Aber gerne doch, freut sich Hal Faber. Die Freude wird nur durch die vielen Arschlöcher getrübt, die abseits davon ihr Unwesen treiben.

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Ihr könnt mich alle mal. Oder? Den ganzen Mist ignorieren hilft nicht nur Katzen wenig.

(Bild: Fritz und Ella)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

*** Zum Start der kleinen Wochenschau vor vielen, vielen Jahren galt die Vorgabe, dass am Sonntag die Nachrichten zusammengefasst werden, die es nicht in die täglichen Meldungen der Woche schafften oder zu einem umfassenden Thema gehörten, das mehr als eine Meldung ist. Für den ersten Fall steht Nachrichten wie die vom Tod des Erfinders des universalen Passwortspeicherzettels oder die vom Tod des Trimmy-Erfinders.

Tja, ja, der Schweißtröpchenweg, wer hat ihn nicht schon erlitten. Niemand mehr? Die Trimm-Dich-Pfade stehen aber noch allenthalben in deutschen Wäldern und Parks herum.

Wildor Hollmann, einer der Vater der Trimm Dich-Bewegung, starb im Alter von 96 Jahren an Corona. Der Sportmediziner gehörte zu den Ärzten des Deutschen Sportbundes, die die dicker und fetter werdenden Westdeutschen auf die "Schweißtröpchenbahn", vulgo Trimm-Dich-Pfad genannt, schicken wollten. Ob er Doping im Leistungssport befürwortete, ist umstritten. Vielleicht ermuntert diese Nachricht aus dem Vermischten die einen oder anderen Foristen, draußen einen dieser Pfade aufzusuchen und etwas Gesundes im Zeichen von Corona zu treiben, natürlich mit der passenden Uhr am Handgelenk, die alles aufzeichnet und warnt, wenn die Pumpe Probleme macht.

*** Bei den umfassenden Themen, die nicht in eine Meldung passen, sieht es etwas anders aus. Am Mittwoch erschien bei der Weltgesundheitsorganisation in Genf der Corona-Bericht der unabhängigen Expertenkommission unter der Leitung von Helen Clarke und Ellen Johnson Sirleaf. Es lohnt sich, die 86 Seiten unter dem Titel Make it the last Pandemic zu diesem umfassenden Thema zu lesen. Dramatisch wird da die Pandemie als Tschernobyl des 21. Jahrhunderts bezeichnet, als katastrophale Krise, als giftiger Cocktail aus Zaudern, fehlender Vorbereitung und den Unwillen, Ungleichheiten in der medizinischen Versorgung weltweit anzugehen. Von unfähigen Politiker:innen ist im Bericht die Rede, als Menschen, die nicht in der Lage sind, wissenschaftliche Erkenntnisse zu akzeptieren und zur Grundlage der Politik zu machen. Na, kommt das nicht bekannt vor? "Die Situation, in der wir uns heute befinden, hätte verhindert werden können." Auch die Weltgesundheitsorganisation wird von den 13 Expert:innen kritisiert mit ihrer Entscheidung, erst am 11. März 2020 von einer "Notlage" zu sprechen. Erst danach hätten viele Regierungen den Ernst der Lage begriffen, die noch im Februar gezögert und getrödelt hätten. Die Erklärung der Notlage sei erst der psychologisch notwendige Schub gewesen, um Regierungen richtig in Alarmbereitschaft zu versetzen.

*** Der Bericht verlangt, dass sofort drei Maßnahmen durchgesetzt werden, um die Situation zu verbessern. Erstens sollen die reichen Länder mit ausreichender Impfstoff-Versorgung mindestens 1 Milliarde Impfdosen für die 92 ärmsten Länder finanzieren. Zweitens sollen die Pharmakonzerne freiwillig mehr Lizenzen zur Produktion von Impfstoff vergeben. Sollte das nicht passieren und die Produktion von zusätzlichen Impfstoffen nicht in den nächsten drei Monaten anlaufen, plädieren die Expert:innen dafür, dass die Patente aufgehoben werden. Drittens sollen die G7-Länder die fehlenden 19 Milliarden Dollar übernehmen, die die WHO für die Verteilung von Impfstoffen, Medikamenten und Tests benötigt. Auf lange Sicht soll ein digitales Überwachungsprogramm installiert werden, das rund um die Uhr in Echtzeit und mit maschinellem Lernen alle möglichen Quellen und Daten auswertet und so als eine Art Frühwarnsystem für Gesundheits-Tsunamis funktioniert. Die Zusammenfassung dieser Nachricht ist etwas länger geworden, aber bekanntlich hat der Wahlkampf begonnen, in dem sich Politiker und Politikerinnen lieber über den Bildungsabschluss von Politikern und Politikerinnen ereifern, statt solch wichtige Berichte zur Kenntnis zu nehmen oder über "vorsichtige Öffnungen" zu schwadronieren. Zu diesen zählt auch eine mitunter gelobte Bundeskanzlerin, die sich gegen eine Patentfreigabe ausgesprochen hat.

*** Es gibt viele Lebenslagen in Deutschland, die von Experten untersucht werden und dann im Armutsbericht der Bundesregierung beschrieben werden. Auch das ist ein umfassenderes Thema, erst recht im Jahre 2021, weil zum ersten Mal eine mit einer "repräsentativen Zusatzstichprobe" des DIW die richtig reichen Deutschen mit einer Studie unter die Lupe der Fachleute gelegt wurden. Sprachlich ist das ganze Murks, denn es ist nicht von Reichen und ihrem Reichtum die Rede, sondern man spricht von einer "Wohlhabenheit" und den "Hochvermögenden", das es fast wie die Rede von den Hochintelligenten klingt. Feinstes Neusprech ist auch die Einschätzung, dass die "Einkommensungleichheit langfristig stagniert" verbunden mit der kräftigenden Versicherung des Arbeitsministers: "Deutschland ist keine 'Abstiegsgesellschaft', weiterhin bestehen gute Aufstiegschancen aus der Mitte nach Oben." Hat er die rote oder die blaue Pille genommen oder ist das schon ein Wahldrops, wie ein wütender Kommentator meint? Er fordert die Abschaffung des Armutsberichtes. Anderes Blatt, andere Meinung: "Von der guten Wirtschaftsentwicklung bis zur Covid-19-Pandemie haben nun wirklich nicht alle Menschen gleichermaßen profitiert". Das ist ein bisschen harsch, im Armutsbericht steht besänftigend: "Für viele Menschen stellen Zeiten niedriger Einkommen Übergangsphasen dar." So einfach ist das. Sind wir nicht alle eine Übergangsphase zwischen ungeboren und tot?

*** Gar nicht einfach ist die Lage im Nahen Osten. Während diese kleine Wochenschau an einem ruhigen Schreibtisch entsteht, tauchte im Twitter-Fenster die Nachricht auf, dass die israelische Armee den al-Jalaal-Gebäudekomplex auf palästinensischem Boden bombardieren wird, in dem unter anderen Journalisten von AP und Al Jazeera arbeiten. Diesen Kollegen muss die journalistische Solidarität gelten, denn die Behauptungen des Militärs, dass auch die Hamas dort arbeitet, können nicht so einfach geprüft werden. Aus Gaza-Stadt kommt diese Stimme: "Die Israelis sagen – bisher zu Recht, glaube ich –, dass sie nur die Hamas angreifen. Das ist allerdings ein schwieriger Punkt. Es gibt hier Wohngebäude, in denen sich Hamas-Leute aufhalten, privat oder in Büros. Diese Gebäude sind mitten im Stadtgebiet." Gleichzeitig muss der Antisemitismus verurteilt werden, sei er nun religiös oder rechtsradikal, BDS-larmoyant linksradikal oder meinetwegen vegan motiviert. Wenn in dieser Situation noch die letzten Antisemiten aus ihren Löchern kriechen und sich mit Islamisten und linksradikalen "Anti-Zionisten" zusammentun, dann profitiert nur einer davon: Die Internationale der Arschlöcher dieser Welt, zu der sowohl die Hamas-Führer als auch der israelische Regierungschef gehören. Zu einem Friedensprozess gibt es keine Alternative. Es ist schon schlimm genug, wenn jemand wie David Grossman die Situation beschreibt: "Kürzlich hat der Bericht von Human Rights Watch mit Blick auf Israel von einer Apartheid-Situation gesprochen.Sie ist vielleicht nicht exakt vergleichbar mit der Situation, wie sie in Südafrika war, und es kommt mir nicht so sehr auf den Begriff an, sondern darauf, dass er eine durch und durch vergiftete Situation bezeichnet, eine hässliche Situation, welchen Namen man auch immer dieser Überordnung der jüdischen Israelis über die arabischen Israelis und über die Palästinenser in den besetzten Gebieten gibt. Sie ist eine Konfliktquelle, der viele Israelis nicht ins Auge sehen wollen." Auch in Deutschland gibt es viel zu viele, die wegsehen.

Am kommenden Dienstag wird von der Charta der Vielfalt der deutsche "Diversity Day" gefeiert. Es gibt die Hashtags #FlaggederVielfalt und #Vielfaltverbindet, die diesen Tag dokumentieren sollen. Vielfalt ist inklusiv, meint alle Menschen in diesem unseren Land, unabhängig von Nationalität, ethnischer Herkunft, Religion oder Weltanschauung, von Behinderung oder Alter, von Generation Silent über Generation Boomer bis hin zur neuen Kategorie der Generation der Geriatic Millenials. Vielfalt umfasst auch die Vielfalt der sexuellen Orientierungen und geschlechtlichen Identitäten.

Ach ja, okay, warum nicht. Bascht scho'.

Nun hat die Bundeswehr mit einem Plakat für den Diversity Day geworben, zu dem es jede Menge unappetitlicher Kommentare gibt, viele davon mit rechtsextremen Untertönen. Und wo wir schon dabei sind: Vielfalt heißt auch, einen Autor auszuhalten, der in seinem 2016 erschienen Buch reichlich misogyne Töne anschlägt. Wer das als Arbeitgeber nicht will, muss einen solchen Menschen erst gar nicht einstellen.

(jk)