Koalition bei Urheberrechtsreform einig: Zitate bleiben vergütungsfrei​

Die umstrittene Novelle des Urheberrechts soll schon am Donnerstag im Bundestag beschlossen werden. Kurze Schnipsel sollen frei bleiben – außer bei Live-Sport.

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EU-Copyright-Reform: die Modernisierung des Urheberrechts ist aus dem Blickfeld geraten

(Bild: metamorworks / shutterstock.com)

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Die Große Koalition hat sich auf die letzten Details für die seit Monaten umkämpfte Urheberrechtsreform verständigt. Mit einigen Änderungen am Entwurf der Bundesregierung soll das Gesetzespaket "zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts" bereits am Donnerstag im Bundestag verabschiedet werden. Die Oppositionsfraktionen der Linken und Grünen haben unterdessen noch Änderungswünsche. Verbände vor allem der Musik- und Filmwirtschaft haben weitere Proteste angekündigt.

Laut den vom Bundesjustizministerium ausformulierten Änderungsanträgen der Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD, die heise online vorliegen, soll es beim Konzept der urheberrechtlich "mutmaßlich erlaubten Nutzungen" auf Plattformen wie Facebook und YouTube bleiben. Damit könnten Nutzer Inhalte im geringfügigen Maß als legal kennzeichnen, damit sie nicht direkt durch Upload-Filter blockiert werden.

Bei nichtkommerzieller Nutzung gilt die Ausnahme für Audio- oder Video-Schnipsel von bis zu 15 Sekunden, Texte bis 160 Zeichen sowie 125 Kilobyte eines Fotos oder einer Grafik. Die Klausel erstreckt sich darüber hinaus auf nutzergenerierte Inhalte, die weniger als die Hälfte eines Werkes von Dritten enthalten, und grundsätzlich zulässige Auszüge zu den Zwecken von Zitat, Karikatur, Parodie und Pastiche "mit anderem Inhalt kombinieren".

Die Inanspruchnahme dieser Nutzerrechte sollte nach dem Willen der Regierung für die Plattformbetreiber erstmals vergütungspflichtig werden. Die Koalitionsfraktionen haben diese Vergütungspflicht nun auf gesetzlich erlaubte Nutzungen von Karikaturen, Parodien und Pastiches eingeschränkt. Zitate oder die Veröffentlichung von Bildern, die unter die Panoramafreiheit fallen, bleiben so auch beim Verbreiten über Upload-Plattformen vergütungsfrei.

Mit dieser Korrektur trägt die Koalition nach eigenen Angaben "der Kritik aus Zivilgesellschaft und Rechtswissenschaft Rechnung, wonach die im Regierungsentwurf vorgesehene Vergütungspflicht für sämtliche Schrankennutzungen auf Online-Plattformen zu weitreichend sei. Denn sie setze für Diensteanbieter zugleich einen Fehlanreiz für ein Overblocking."

Generell sollen Maßnahmen wie der Einsatz von Filtern nicht dazu führen, dass von Nutzern hochgeladene legale Inhalte nicht verfügbar sind. Hier kommen die Regierungsfraktionen den Rechteinhabern entgegen: Schwarz-Rot zufolge soll dies nicht gelten für Live-Übertragungen etwa von Sportveranstaltungen. Voraussetzung ist, dass der Rechtsinhaber eine Sperre vom Diensteanbieter verlangt und die hierfür erforderlichen technischen Angaben macht.

Die Veröffentlichung selbst kleiner Ausschnitte aus einem noch laufenden Fußballspiel könne "die Monetarisierung dieser Inhalte zum Beispiel im Pay-TV gefährden", begründet das die Koalition. Der Rechtsinhaber müsse hier für eine Blockade zusätzlich mitteilen, wann die erstmalige öffentliche Wiedergabe beginnt und endet. Der Nutzer soll über die Sperre informiert werden. Rechteinhaber erhalten prinzipiell einen "roten Knopf" zum unverzüglichen Blockieren insbesondere von "Premiuminhalten".

Auch YouTube & Co. werden in einem Fall besser gestellt: Sie sind während laufender Beschwerdeverfahren von Rechteinhabern für die Wiedergabe mutmaßlich erlaubter Nutzungen nicht verantwortlich. Nach der Entscheidung über eine Beschwerde haftet der Diensteanbieter nur dann auf Schadensersatz, wenn er bei dem Verfahren schuldhaft gegen seine Pflichten verstoßen hat. Die zunächst vorgesehene Haftung würde laut Schwarz-Rot einen strukturellen Anreiz für die Plattformbetreiber setzen, den Beschwerden von Rechtsinhabern in nicht eindeutigen Fällen eher stattzugeben, und so zu mehr blockierten Inhalten führen

Verlangt ein Rechteinhaber wiederholt fälschlicherweise eine Sperre, "ist er für einen angemessenen Zeitraum von dem jeweiligen Verfahren auszuschließen". Er kann zudem bei Overblocking "von einem eingetragenen Verein, dessen Zweck auf die nicht gewerbsmäßige und nicht nur vorübergehende Förderung der Interessen von Nutzern gerichtet" ist, auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Vorher war von Verbänden wie Verbraucherschutzorganisationen die Rede, die im Unterlassungsklagengesetz angeführt sind.

Neu ist auch eine Passage, mit der Experten tiefere Einblicke in das Wirken von Upload-Filtern erhalten können sollen. Diensteanbieter müssen ihnen "zum Zweck der wissenschaftlichen Forschung Zugang zu Daten über den Einsatz von Verfahren zur automatisierten und nicht automatisierten Erkennung und Blockierung von Inhalten", soweit überwiegende schutzwürdige Interessen des Betreibers dem nicht entgegenstehen. Dieser hat "Anspruch auf Erstattung der hierdurch entstehenden Kosten in angemessener Höhe".

Die sozialen Medien und insbesondere Upload-Plattformen seien zunehmend wichtig für das kreative Ökosystem und für das Urheberrecht, erläutern CDU/CSU und SPD diesen Ansatz. Die Kommunikationsprozesse zwischen Usern hätten "eine erhebliche Bedeutung" unter anderem "für die öffentliche Meinungsbildung". Mit Filtern könnten das Nutzerverhalten erfasst und eine Vorauswahl von Inhalten getroffen werden. Daher bestehe ein erhebliches öffentliches Interesse daran, mehr Transparenz über die Funktionsweisen der jeweiligen Plattformen zu schaffen.

Schwarz-Rot folgt ferner dem Vorschlag des Bundesrats, die gesetzlich erlaubten Nutzungen für Unterricht und Lehre, für die wissenschaftliche Forschung sowie durch Kulturerbe-Einrichtungen vollständig zu entfristen. Für den Unterricht sowie zur wissenschaftlichen Forschung dürfen demnach künftig dauerhaft für nicht kommerzielle Zwecke bis zu 15 Prozent eines veröffentlichten Werkes vervielfältigt und verbreitet werden. Es bleibt bei dieser Intranetklausel aber bei der Vorgabe, dem Bundestag bis Anfang März 2022 über die Auswirkungen Bericht zu erstatten.

Beim vorgesehenen Direktvergütungsanspruch hat die Koalition den Kreis der Berechtigten auf Urheber sowie ausübende Künstler und Fotografen beschränkt. Er besteht etwa nicht, wenn ein Kreativer jedermann unentgeltlich ein einfaches Nutzungsrecht etwa über eine Creative-Commons-Lizenz einräumt. Entsprechende Ansprüche sind nur über Verwertungsgesellschaften gelten zu machen. Diese können vom Diensteanbieter Auskunft über die vergütungspflichtigen Nutzungen auf der Plattform verlangen.

Der Hauptteil der Reform, das "Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz", soll jetzt am 1. August in Kraft treten, also wenige Wochen nach Ablauf der Umsetzungsfrist der entsprechenden EU-Vorschriften. (vbr)