Was die NASA mit den Venus-Missionen plant – und warum sie so spannend sind

DAVINCI+ und VERITAS könnten klären, warum bewohnbare Planten im Universum so selten sind.

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(Bild: NASA/Jet Propulsion Laboratory-Caltech)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Neel V. Patel
Inhaltsverzeichnis

Immer mehr Exoplaneten werden entdeckt – über 11.000 Kandidaten sind es mittlerweile. Unklar ist dabei, ob solch erdgroße Planeten eher wie unsere Heimat aussehen oder wie die Venus. "Wir wissen nicht, welches dieser Möglichkeiten die wahrscheinliche ist", sagt Paul Byrne, Planetenwissenschaftler an der North Carolina State University. Und um das herauszufinden, müssen wir die Venus noch viel besser verstehen.

Die meisten Wissenschaftler sind sich einig, dass jeder bewohnbare Exoplanet Wasser haben muss. Mit einer Oberflächentemperatur von rund 471 Grad Celsius und einem Oberflächendruck, der 89-mal höher liegt als auf der Erde, scheint es unmöglich, dass es auf der Venus einmal Wasser gegeben haben könnte.

Aber Venus und Erde sind etwa gleich groß, gleich alt – und unsere beste Vermutung ist, dass sie aus vergleichbaren Stoffen bestehen und mit sehr ähnlichen Ausgangsbedingungen geboren wurden. Die Venus liegt 30 Prozent näher an der Sonne als die Erde, was signifikant ist, aber auch nicht enorm. Und doch haben sich diese beiden Planeten nach 4,5 Milliarden Jahren sehr unterschiedlich entwickelt.

Tatsächlich mehren sich die Hinweise, dass es auf der Venus vor langer Zeit Wasser gegeben haben könnte. Die 1978 gestarteten Pioneer-Venus-Missionen haben einige spannende Messungen des Deuterium-Wasserstoff-Verhältnisses in der Atmosphäre vorgenommen, die darauf hindeuten, dass die Venus im Laufe der Zeit eine Menge Wasser verloren hat.

Doch bislang gab es noch nie eine richtige Mission, die die Geschichte des potenziellen Wassers auf der Venus untersuchen konnte – etwa in dem nach Wasserflussmerkmalen auf der Oberfläche gesucht oder die Frage beantwortet wird, ob jemals geologische und klimatologische Bedingungen erreicht wurden, die für Wasser und bewohnbare Bedingungen notwendig sind.

"Möglicherweise gab es in unserem Sonnensystem für eine unbekannte Zeitspanne zwei bewohnbare Welten nebeneinander", sagt Giada Arney, die stellvertretende Leiterin der DAVINCI+-Mission. Obwohl die Venus heute unbewohnbar ist, bedeutet die Tatsache, dass sie irgendwann einmal bewohnbar gewesen sein könnte, wenn die Umstände ein wenig günstiger gewesen wären.

Das ist eine gute Nachricht für die Beurteilung entfernter Exoplaneten. "Wenn man über das Sonnensystem hinausschaut, könnte dies auch bedeuten, dass bewohnbare Planeten häufiger sind, als wir bisher angenommen haben", sagt Arney. Es gibt zwei führende Theorien darüber, was mit der Venus passiert ist – und beide haben Auswirkungen darauf, was wir auf anderen Exoplaneten erwarten könnten.

Die erste Theorie, die mit unseren derzeitigen, noch begrenzten Beobachtungen übereinstimmt, besagt, dass die Venus von Anfang an ein heilloses Durcheinander war und dieses nie nachgelassen hat. Je näher ein Planet seinen Wirtsstern umkreist, desto wahrscheinlicher ist es, dass er langsam rotiert (oder sogar "tidal locked" ist, d.h., dass eine Seite permanent dem Stern zugewandt ist, so wie es der Mond bei der Erde ist).

Langsam rotierende Planeten wie die Venus haben es im Allgemeinen schwerer, ein kühles und angenehmes Klima aufrechtzuerhalten – und eine Zeit lang wurde angenommen, dass dies wahrscheinlich der Grund dafür war, dass die Venus heiß und unerträglich wurde. Die Sonnenstrahlen bombardierten den Planeten mit Hitze, und die dampfreiche Atmosphäre kondensierte an der Oberfläche nie zu flüssigem Wasser. In der Zwischenzeit wirkten die Kohlendioxid-, Wasser- und Schwefeldioxidgase in der Luft als Treibhausgase, die dabei halfen, die ganze Hitze einzuschließen. Und das blieb dann wohl so für 4 Milliarden Jahre.

Dann gibt es eine neue Theorie, die kürzlich von Michael Way und Kollegen am Goddard Institute for Space Studies der NASA entwickelt wurde. Dieses Modell zeigt, dass, wenn man ein paar kleine Änderungen am Klima von Planeten vornimmt, sie hemisphärenlange Wolkenformen entwickeln können, die konsequent dem Wirtsstern zugewandt sind und eine Menge Sternenwärme reflektieren. Als Ergebnis bleibt ein Planet wie die Venus gemäßigt und der atmosphärische Dampf kondensiert zu flüssigen Ozeanen auf der Oberfläche. Ways Arbeit zeigt, dass der Planet, sobald dieser Punkt erreicht ist, seine Temperatur selbst regulieren kann, solange andere erdähnliche Prozesse wie die Plattentektonik (die dabei hilft, Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entfernen) die Ansammlung von Treibhausgasen eindämmen können.

Es ist eine komplizierte Hypothese, voller Fragezeichen. Und wenn die Venus ein Beweis dafür ist, dass langsam rotierende Planeten bewohnbarere Bedingungen entwickeln können, dann ist sie auch ein Beweis dafür, dass diese Bedingungen zerbrechlich und quasi flüchtig sind. Diejenigen Forscher, die an Ways Modell glauben, denken, dass das, was auf der Venus passiert ist, wahrscheinlich darauf hinausläuft, dass eine massive vulkanische Aktivität den Planeten mit Kohlenstoff überschwemmt und die Atmosphäre zu 96 Prozent in Kohlendioxid verwandelt hat, was jegliche Entlastung durch die Plattentektonik außer Kraft gesetzt hat.

Dennoch ist Ways Idee eine Hypothese, die es wert ist, mit DAVINCI+ und der zweiten Mission VERITAS überprüft zu werden, denn wie Arney betont, sind viele der potenziell bewohnbaren Exoplaneten, die wir entdeckt haben, langsam rotierende, die massearme Sterne umkreisen. Da diese Sterne schwächer sind, müssen die Planeten sie in der Regel nahe umkreisen, um genügend Wärme für die Bildung von flüssigem Wasser zu erhalten. Wenn sie hemisphärenlange Wolken bilden, könnten sie in der Lage sein, ein bewohnbares Klima zu erhalten. Die einzige Möglichkeit, die wir derzeit haben, um zu prüfen, ob diese Hypothese Sinn ergibt, ist, zuerst zu sehen, ob es auf der Venus passiert sein könnte.

Doch bevor wir Ways Modell auf andere Exoplaneten anwenden können, müssen wir prüfen, ob es die Venus erklärt. DAVINCI+ wird in die Venus-Atmosphäre hinabsteigen und ihre Chemie und Zusammensetzung direkt untersuchen, sowie die Oberfläche auf dem Weg nach unten erfassen. Das Raumfahrzeug sollte in der Lage sein, jene Daten zu sammeln, die uns dabei helfen, herauszufinden, ob die Venus zu einem früheren Zeitpunkt ihres Lebens wirklich wässrig war, um mehr über ihre Klimageschichte herauszufinden und ob sich wirklich besagte Wolkenformationen gebildet haben könnten.

Der VERITAS-Orbiter wird die Geologie des Planeten erkunden, indem er hochauflösende Bilder durch Radarbeobachtungen aufnimmt, die möglicherweise Hinweise auf Gelände- oder Landformen erkennen lassen, die durch Wasserströme oder eine frühere Tektonik entstanden sind. Das aufregendste Ziel könnten die Tessera sein: stark deformierte Hochlandregionen, von denen man annimmt, dass sie die ältesten geologischen Merkmale des Planeten sind.

Wenn VERITAS Beweise für uralte Ozeane findet – oder zumindest für die Art von geologischer Aktivität, die den Planeten vor langer Zeit gemäßigter gehalten haben könnte – wird dies die Vorstellung unterstützen, dass andere langsam rotierende Exoplaneten die gleichen Bedingungen erreichen könnten.

"Der Plan, dass diese beiden Missionen zusammengehören, macht sie zu einer Art komplementärer Megamission", sagt Lauren Jozwiak, eine Planetenforscherin am Johns Hopkins Applied Physics Laboratory, die an der VERITAS-Mission arbeitet. "Die Idee, dass man sowohl geologische Kartierungen als auch atmosphärische Untersuchungen durchführen möchte, war der Kern unserer Venus-Untersuchung", sagt sie. Wenn die Venus schon immer unbewohnbar war, dann hat das wahrscheinlich mit ihrer Nähe zur Sonne zu tun. Jeder Exoplanet von ähnlicher Größe, der proportional nahe an seinem eigenen Stern liegt, wird also wahrscheinlich wie die Venus sein. Und wir sollten uns lieber auf Exoplaneten konzentrieren, die weiter von ihren Sternen entfernt sind.

Andererseits: Wenn die Venus eine Periode der Kühle erlebt hat, bevor sie sich in einen Dauerbackofen verwandelte, bedeutet das, dass wir Exoplaneten der "Venus-Zone" ernst nehmen sollten, da sie vielleicht noch bewohnbar sind. Es legt auch nahe, dass Faktoren wie Plattentektonik und Vulkanismus eine entscheidende Rolle bei der Erreichung von bewohnbaren Bedingungen spielen – und wir müssen Wege finden, diese Aspekte auch auf fernen Welten zu untersuchen.

DAVINCI+ und VERITAS könnten viel erreichen. Diese nächsten Missionen werden "die Art und Weise, wie wir über die Venus im Speziellen als auch über die Planetenentstehung im Allgemeinen denken, völlig verändern", sagt Jozwiak. Es sei eine spannende Zeit, um herauszufinden, ob die Venus die "einstige und zukünftige Erde" ist.

(bsc)